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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Fischer, Theodor: Das Wandbild, [1]
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Bartning, Otto: Die Gustav-Adolf-Kirche in Charlottenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0157

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Eine andere, fast noch schwierigere Frage, als die
der Technik ist die: Was soll an die Wand gemalt
werden?

Gegenstand der Darstellung.

Das Bild an der Außenwand, an der Straße also,
und nicht minder das AVandbild im Innern, wenn
man vom Wohnhaus jetzt absieht, in der Kirche
also oder im Festsaal, im Amtshaus — immer wen-
det es sich an die Vielheit. Es soll verstanden wer-
den, ohne Kommentar. Der Gegenstand muß also
im Volk lebendig sein; auch wenn Geschichte oder
Geschichten erzählt werden, darf nicht vom Bild
eine Einführung in Unbekanntes verlangt werden.
Nur die Art. wie erzählt wird, darf Spannungen
hervorrufen. Daraus ergibt sich, daß alle Stoffe, die
als Bilder an der Wand dargestellt werden, erst ge-
wissermaßen geistig verdaut, in Fleisch und Blut
übergegangen sein müssen. Dann erst kann sich die
Teilnahme auf das Wie, das Künstlerische hinlen-
ken. Welches sind nun Stoffe der Art? Die religiösen
wird man an erster Stelle zu nennen haben. Sie
sind besonders in katholischen Ländern noch leben-
dig und werden es bleiben, wenn auch immer mehr
auf die eigentliche Heilsgeschichte und das Symbol
eingeschränkt; denn das Alte Testament, das ehe-
dem unerschöpflich war in seinem bildhaften Reich-
tum, tritt zurück, und ebenso scheinen die Hei-
ligenlegenden geringere Beachtung zu finden. Die
evangelischen Kirchen, an sich spröde bis zur Ab-
lehnung gegen die figürliche Darstellung im Bild,
haben den Umfang des Darzustellenden auf wenige
Motive fast schon typischer Art eingestellt. Der

quellende Reichtum religiösen Stoffes im Mittel-
alter oder auch in der Antike ist sehr verkleinert!
Die Antike kannte keine Trennung zwischen dem
Religiösen und dem Mythus. Für uns steht die
Sache anders. Wird es möglich sein, unseren My-
thus volkslebendig zu machen, so daß er im Bild
seine Auferstehung feiern könnte? Wenn man der
Meinung sein mag, daß es Wagner gelungen sei,
ihn dichterisch zu verlebendigen, so wird die War-
nung davor nicht fehl am Platz sein, die bildkünst-
lerische Verlebendigung über das Opernbild zu ver-
suchen. Der Humanismus hatte die antike Ge-
schichte, wie die Mythologie so sehr ins Allgemein-
bewußtsein gebracht, daß bis in den Klassizismus
herein diese beiden Gebiete das Bild reichlich mit
Gegenständen versorgen konnten. Wie steht es mit
unserer Geschichte? Ist nicht alle Historienmalerei
der letzten Zeit zum mindesten nicht volkstümlich.
Es fehlt nicht am Vermögen, es fehlt an der Vor-
arbeit. Nicht Geschichte im wissenschaftlichen Sinn
kann man malen, wohl aber Geschichten, vom
Dichter gebildet, alttestamentlichen Stils etwa oder
auch in dem Herodots.

Der Allegorie endlich wird man immer einen ge-
wissen Grad des geheimnisvollen Rätsels zuge-
stehen müssen; sie ist sonst flach. Aber auch sie
verlangt Einfachheit des Gedankens und Allge-
meingültigkeit.

Das Wandbild, das aus diesen Voraussetzungen ent-
steht, soll großgesehen sein: Die Wand hat anderen
Maßstab als das Tafelbild. Nicht aber das große
Maß an sich entscheidet, sondern die Großheit im
Bild.

(Fortsetzung dieses Aufsatzes folgt im nächsten Heft)

Die Gustav-Adolf-Kirche in Charlottenburg

Architekt Prof. Dr. theo!, h. c. Otto Bartning, Berlin

Die Bauaufgabe, die dem Architekten Otto Bart-
ning mit der Errichtung der Gustav-Adolf-Kirche
in Charlottenburg gestellt war, ist zweifacher Art.
Sie unifaßte einmal die Erfüllung eines bestimm-
ten Bauprogramms, dann aber auch dessen städte-
bauliche Einfügung auf einem eigenartig zuge-
schnittenen Bauplatz in eine festgelegteUmgebung.
Das Bauprogramm verlangte die Erstellung einer
rund 1000 Sitzplätze umfassenden Kirche mit zwei
Gemeindehäusern und einem großen (zur Zeit noch
nicht ausgeführten) Saalbau mit einem Fassungs-
vermögen von 600 Personen. Von den Gemeinde-
häusern sollte das eine Dienstwohnungen, das an-
dere Versammlungs- und Unterrichtsräume ent-
halten.

Das Baugelände liegt am Schnittpunkt zweier Stra-
ßen, der Brahe- und der Herschelstraße, und wird
an der der Ecke gegenüberliegenden Seite von einer
doppelt geknickten Straße, der Fabriciusstraße, ab-

geschlossen, die von fünfstöckigen Mietwohnhäu-
sern (Erdgeschoß und vier Obergeschosse) begrenzt
wird. Der Baukünstler hat die städtebaulichen Ge-
gebenheiten in der Weise ausgenutzt, daß er den
Turm der Kirche an die Straßenkreuzung stellte
und diesen damit zum Blickpunkt für vier Straßen
machte. Vom Turm aus entwickelt sich der Kir-
chenbau in der durch die Straßenkreuzung festge-
legten Diagonale als Achse fächerförmig. In den
Straßenfluchten schließen sich Pfeilerhallen an den
Kirchenkörper an, denhbergang zu den Gemeinde-
häusern vermittelnd. Die letzteren sind dreigeschos-
sig und sollen damit auf die Höhe der umliegenden
Miethäuser überleiten. Zwischen den beiden Ge-
meindehäusern liegt der Saalbau, der seinen Ein-
gang von der Fabriciusstraße her erhält.
Übersieht man die ganze Baugruppe, so gleitet der
Blick vom Saalbau und den Gemeindehäusern hin-
ab zu den Pergolen und schwingt von da über die

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