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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Tietze, Hans: Amerikanisches Kunstsammeln von heute, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0302

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eine Freude an den intimsten Erzeugnissen des
künstlerischen Schaffens erkennen, wie sie früher
nur sehr selten — Paul Sachs, G. L. Winthrop —
vorkam. Wie überall, entwickelt sich auch hier
Amerika von extensiver zu intensiver Wirtschaft.
Dies gilt vielleicht noch stärker von den öffent-
lichen Museen, deren Wesen sich in der Krise
gleichfalls verändert. Sie haben zunächst schwere
Zeiten gehabt und manche, die durch begonnene
große Bauten oder nicht voll bezahlte Ankäufe
schwere Lasten weiterzuschleppen haben, haben
sie noch heute: in manchen haben die Etats schwere
Erschütterungen durchgemacht und das Personal
starke Einschränkungen erfahren. Im ganzen ha-
ben sich aber die Anstalten den neuen Verhältnis-
sen angepaßt: die engere Verbindung, die sie, um
sich zu erhalten, mit den Stadtgemeinden einzu-
gehen hatten, gibt ihnen einen stärkeren Rückhalt
in der Öffentlichkeit und die größere Sparsamkeit,
zu der sie sich genötigt sehen, einenAntrieb zu grö-
ßerer Systematik. Auch hier ist die Zeit des Raf-
fens, des übermäßigen und allzuraschen Wachs-
tums einer Periode gründlicher Durchdringung
des Vorhandenen und planmäßigen Ausbaus ge-
wichen. Die jüngeren Sammlungsleiter, unter
denen sich mehrere bemerkenswerte Begabungen
befinden, sind sich darüber ganz klar: sie sollen
das Museum aus einem Spielzeug reicher Dilettan-
ten zum Arbeitsfeld verantwortlicher Fachleute
machen. Not lehrt nicht nur beten, sondern auch
arbeiten. Die Vertiefung des Museumswesens ist
in der kurzen Spanne der letzten drei Jahre eine
auffällige: darüber hinaus weist vieles in die Zu-

kunft. Der zielbewußte Ausbau des Museums in
Worcester durch Francis Taylor, die schwere Auf-
gabe, die Walter Heil mit der Reorganisierung des
H. M. Young Memorial-Museum und des Palastes
der Ehrenlegion in San Franzisco übernommen
hat, die durchgreifende Erneuerung, die Philipp
N. Youtz an dem überalterten Museum in Brook-
lyn energisch zu vollziehen im Begriff ist, all dies
wird über die unmittelbar betroffenen Sammlun-
gen hinaus anregend, wegweisend und verjüngend
wirken. Amerika ist in der glücklichen Lage, gei-
stig erst erwerben zu müssen, was es so überreich-
lich von den Vätern ererbte.

Dem Privatsammler wird in diesem neuen System
eine neue Aufgabe zufallen: er wird dem Museum
nicht mehr vorwiegend materiell, sondern inten-
siver ideell zu dienen haben. Seine Opferfreudig-
keit, die immer bewunderungswürdig war, wird in
Zukunft eine noch persönlichere Tat sein. Neben
die Library of Congress in Washington, die von
Anbeginn immer unmittelbares Eigentum der Na-
tion war, hat vor kurzem Folger den Prachtbau
seiner Shakespearebibliothek gesetzt. Leute, die
den Stifter kannten, haben mir erzählt, durch
welche persönlichen Entbehrungen er diese er-
staunlich reiche Büchersammlung zusammen-
brachte, die er der Öffentlichkeit zum Geschenk
machte. Diese Art des Sammeins, an die wir kaum
zu denken pflegen, wenn wir von amerikanischen
Sammlern sprechen, wird es auch in Zukunft ge-
ben. Das Maß einer Liebe — auch zu Kunst oder
Wissenschaft — gibt nicht das Geld, das sie kostet,
sondern die Opfer, die ihr gebracht werden.
 
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