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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 54.1938-1939

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Männliche Welt: zu einem Tryptichon von Fritz Hülsman
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https://doi.org/10.11588/diglit.16487#0019

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„Männliche Welt." Zu einem Triptychon von Fritz Hülsmann

Triptychen sind Bekenntnisse. Dem Mittelalter
waren sie das aufgeschlagene Buch des Heiligen,
Göttlichen. Es ist ihr Charakteristisches, daß in
ihnen ein Gedanke herrscht, der die drei Tafeln zu-
sammenbindet. Keine Tafel kann für sich allein exi-
stieren, jede ist, sowohl inhaltlich wie formal, Teil
eines Ganzen. Die Madonna, die in der Mitte thront,
braucht die in Verehrung nahenden Heiligen und
Stifter in den Seitenflügeln, damit der Altar nicht
nur ein kostbares Mutterbild zeigt, sondern auch wirk-
lich symbolisch, bildhaft-demonstrativ vom Knien
der Menschheit vor dem Heiligsten kündet.
Das 1 9. Jahrhundert, das nicht mehr zweifelsfrei in
der Geborgenheit des christlichen Glaubensrnythos
ruht, nimmt in einigen bedeutenden Beispielen die
Idee des Triptychons auf zum sehr persönlichen welt-
anschaulichen Glaubensbekenntnis des einzelnen.
Realismus und Naturalismus späterhin bekannten
nichts mehr, sondern stellten lediglich fest. Die
„Idee" im Bilde galt als „Literatur" und war als
,.unkünstlerisch" verpönt. Berechtigten Grund zu
diesem Mißtrauen gaben die zahlreichen gemalten
guten Gedanken, die vor lauter „Idee" an jeder
bildnerischen Form und Ordnung vorbeigedacht
waren.

Das Triptychon des Malers Fritz Hülsmann, Mün-
chen (über den wir im Juliheft 1957 unserer Zeit-
schrift schon einmal ausführlich berichtet haben), ist
mit dem Thema „Männliche Welt" in Stimmung
und Haltung ein Bild aus unserer Zeit, auch wenn
die Menschen nicht im Kostüm der Gegenwart, son-
dern gehüllt in den Mantel zeitloser Nacktheit er-
scheinen. Dichter lieben das Gleichnis, um im Spie-
gel des Symbols das Wesentliche in reineren Um-
rissen sichtbar werden zu lassen. Sie projizieren
Gegenwärtiges in die Ebene des Zeitlos-Menschlichen
und sehen das Bleibende.

Auch das Triptychon Hülsmanns ist gleichsam die
dichterisch-anschauliche Projektion eines männlich
erfüllten Lebenslaufes, in Erscheinung gebracht und
zum Ausdruck geballt in den drei markanten „Stro-
phen" eines in Idee und Form außerordentlich geist-
voll durchdachten „Bildgedichtes"".
Der Kampf beherrscht das Leben, das Bild: Ein hel-
ler und ein dunkler Reiter stürmen gegeneinander
an, und selbst die Kreatur wird mit hineingerissen in
den Kampf der Mächte: Die Pferde, Rappe und
Schimmel, wenden sich mit funkelnden Blicken feind-

lich gegeneinander. Das tragische Opfer klingt in
dem Kontur des tödlich vom Speer Getroffenen wie
ein leiseres elegisches Seitenthema zur heroischen
Melodie des Kampfes mit. Im linken Flügel übt un-
erwachte Jugend kindlich und voll Eifer kriegerische
Waffen und der Jüngling umklammert sinnend
Schaft und Fahnentuch und träumt ahnungsvoll
schon von Kampf und Lorbeer. Im rechten Flügel:
der Ausklang, das Alter, die heilig-ernste Resigna-
tion, das Wissen — aber auch die Weisheit. Der
aufgerichtet sitzende, homerhaft seherische Alte und
der lauschende Denker zu seinen Füßen sind die Trä-
ger dieser Stimmung.

Hinzu kommt noch die Landschaft, die sich als wel-
liges Waldgelände mit abendlicher Färbung gleich-
mäßig hinter die drei Gruppen spannt. Farblicher
Höhepunkt des 4 m breiten Triptychons ist die be-
wegte Mittelgruppe, in der sich Farben von einander
ergänzender Gegensätzlichkeit in gegenseitiger Stei-
gerung kontrastreich verspannen. In lichtem Blau flat-
tert der Mantel des hellen Kämpfers über dem flocki-
gen Fell des Schimmels; „feindlich" entgegen leuch-
tet ihm auf dem schwarzbraunen Rappen die zin-
noberrote Satteldecke, auf dem braun der dunkle, be-
helmte Lanzenträger sitzt. Von geistreicher Vielfalt
ist das Fell des Schimmels, über das bis in gelbe
Schattentöne hinein ein feiner rosa Schimmer weht.
Schon früher ist von der unzerklüfteten „Dichte"
dieser Malerei einmal die Rede gewesen; wie eine
trotz allem Auf und Ab unzerreißbare „Reliefhaut'"
spannt sich das reich bewegte malerische „Gelände"
dieses Bildes.

Hülsmann, der für manche vielleicht in Gefahr zu
stehen schien, sich mit seinen Landschaften in das
Nichts nebelhafter Andeutungen zu verlieren, hat mit
diesem großen Figurenbild sich selbst nach manchen
Vorbereitungen das Tor geöffnet zu neuen Möglich-
keiten und zugleich die Aufgabe „Triptychon"' mit
sehr persönlichem bekenntnishaftem Einsatz über-
legen und geistvoll und — künstlerisch wahrhaftig
gelöst.

Man mag vor dem Flügelbild (zu dem übrigens noch
ein weibliches Gegenstück im Entstehen ist) Dela-
croix und Marees und, in der Farbigkeit, die moder-
nen Franzosen als Lehrmeister erkennen und nennen:
Nur Nichtskönner sind „original" und haben — da
sie nie Meister werden — auch keine Lehrer und
Vorbilder nötig. W.R.

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