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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Ottmann, Franz: Michael Neder: der Wiener Maler-Schuster, 1807 - 1882
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0179

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Foto J. Scherb, Wien

Michael Neder. Sieveringer Kirrag

Michael Neder, der Wiener Maler-Schuster. 1807—1882. Von Dr. Franz Ottmann

„So war bei mir ein ewiges Steigen und Fallen"",
schreibt dieses Döblinger Genie in einer Selbstbio-
graphie, aus der Dr. Hareiter im Katalog der Aus-
stellung (Galerie Welz) Auszüge mitteilt, und damit
ist auch wirklich sein Lebenslauf bündig zusammen-
gefaßt. Aus den Selbstporträts mit den großen, kind-
lichen Augen unter der buckligen Stirne, den vollen,
schmerzumspielten Lippen fühlen wir das gleiche
heraus.

Großvater, Vater und Onkel Schuster. Bald grausam
harte Behandlung durch eine Stiefmutter. Mit 13 Jah-
ren „Entdeckung"" durch eine Dame, die seine Kritze-
leien auf der Wand bemerkte, Empfehlung an die
Akademie, die ihm ein Stipendium gewährte. Hier
Studium, Preise. Anerkennung durch Daffinger,
Gauermann u. a..von 1821 bis 1829. Aber hernach
ging das große Publikum auf seine naturhafte, zu
wenig salonfällige Art doch nicht ein. So kehrte er,
um sich von den ständigen Geldnöten zu befreien,
1851 zur Schusterei zurück — dreiviertel Jahre
dauerte es, bis ihm die davon aufgebrochenen Hände
verheilten. Hier wieder eine bösartige „Lante Mei-
sterin". Mit 25 Jahren wurde er auf gedingt und frei-
gesprochen, malte nur an Sonntagen, mit Vorliebe
Originalköpfe, die auch Abnehmer fanden. Nach

5 Jahren wendete er sich auf Drängen Gauermanns
doch wieder gänzlich der Malerei zu, „obwohl ich
wußte, daß jetzt wieder meine schwarze Zeit kom-
men würde, von der ich bei der Schusterei frei war.
Schon im Jahre 1821, nachdem ich ein paar Monate
auf die Akademie gegangen bin, hat's angefangen.
Es waren so düstere Ahnungen und Einbildungen"".
Nach Reisen in den Alpen, die ihm „Gönner" ermög-
lichten, kehrte er 1855 nach Wien zurück, versuchte
es, wieder auf Wunsch eines Bestellers, bei Amer-
ling. der ihm natürlich fremd blieb, und kopierte
viele Holländer. Dabei löste er sich endlich von sei-
ner Familie und übersiedelte nach Sievering, zu den
Bauern und Weinbauern, die er bei der Arbeit in
Stall und Weinberg, im Wirtshaus und beim Tanz
im Freien schilderte, oft einzeln porträtierte, daher
viele Bilder heute von den Verwandten (den Hengls
u. a.) und in der ganzen „Freundschaft" eifersüchtig
gehütet werden. Unverheiratet, vereinsamt, völlig
verarmt starb er 1882 im Allg. Krankenhaus.
Einsam steht Neder auch da in seiner Kunst. All die
andern Genremaler erscheinen salonhaft glatt und
gekünstelt, oft rührselig oder moralisierend neben
dieser Schlichtheit, die sich auch im kleinen Format
bis zum Monumentalen erhebt — was ja nicht aus-

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