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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Crous, Jan Willem: Neue Reliefs von Alfredo Biagini
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0407

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Alfredo Biagini. Mütterlichkeit

Neue Reliefs von Alfredo Biaqi ni. Von Jan W. Crous

Bei den umfangreichen Zerstörungen, die in Rom
seit Jahren die Altstadt aufreißen, um modernen
Straßenzügen Platz zu schaffen und die monumen-
talen Zeugen des kaiserlichen Roms eindringlich
sichtbar zu machen, ist auch das Settecento-Quartier
zwischen Corso und Via di Ripetta geopfert worden,
wo die Ruine des Augustus-Mausoleums aus ihrer
jahrhundertealten Umbauung säuberlich herauspräpa-
riert wurde. Die riesige Lücke, die nun, auf der gan-
zen Breite zwischen S. Carlo al Corso und Via dei
Pontefici, in dem eng bebauten Stadtteil klaffte,
wurde wieder geschlossen durch den großen Palazzo
delklstituto Nazionale Fascista di Previdenza Sociale,
den Vittorio Ballio 1958 bis 1940 dort errichtete. Die
Anlage umfaßt hufeisenförmig mit drei Flügeln den
Rundbau des Augusteums und ist gegen Via di Ri-
petta und den Tiber hin geöffnet. An dem mittleren
dieser Gebäude befindet sich über einer Säulenhalle
der Fries, von dem hier berichtet werden soll.
Um die Leistung zu verstehen, muß man sich die
Aufgabe klar machen, an die der Künstler gebunden
war. Gegeben war das Thema: es sollten mehrere der
menschlichen Tätigkeiten und Berufe dargestellt
werden, die von dem Institut für Sozialversicherung
geschützt werden. Gegeben waren auch die Maße des
Frieses, der 41 Meter lang und 1,40 Meter hoch ist.
Und schließlich der Ort am Gebäude über einer Por-

tikus und auf einen Innenplatz herabschauend, wo
der Betrachter, der bis zum Augusteum zurücktritt,
neun Meter von den Reliefs absteht.
Alfredo Biagini hat diese Aufgabe auf ungewöhnlich
glückliche Weise gelöst. Den Säulen und den Inter-
kolumnien der Portikus entspricht im Fries ein Wech-
sel von Einzelfiguren und Gruppen oder Szenen; die
Figuren in den Szenen sind lebensgroß, von den Ein-
zelfiguren sind mehrere Halbfiguren in doppelter Le-
bensgröße, die in der Ruhe ihrer aufgerichteten Hal-
tung die tragende Funktion der Säulen gleichsam
weiterführen und im figürlichen Umriß ausklingen
lassen. Sechs solcher Halbfiguren und 56 Figuren in
Lebensgröße bilden die 22 Elemente des Frieses. Diese
einzelnen Stücke werden nicht durch eigene Rahmen
abgetrennt, sondern nur durch die innere Spannung
ihrer Komposition zusammengehalten und von einan-
der geschieden. So stark ist diese innere Bindung
zwischen den einander zugewandten Figuren der ein-
zelnen Gruppen, daß sie auch die umgebenden leeren
Flächen mit künstlerischem Leben zu erfüllen ver-
mag, und also in dem zugleich fortlaufenden und
eingeteilten Friese keine tote Stelle übrigbleibt.
Überhaupt ist der leere Raum ein Stilelement in
Biaginis Reliefs, wie etwa bei der „Krankenpflegerin'
(Abb.S. 209), wo die Linien der Komposition sich um
eine fast leere Mitte schließen, in der einzig die helfende

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