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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Hellwag, Fritz: Georg Kolbe 65 Jahre alt
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0415

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zu schaffen und zugleich der. ihm eine
Gefahr für statische Grundsätze bedeu-
tenden Bewegtheit Auguste Rodins ent-
gegenzuwirken. Georg Kolbe ließ sich
durch den Widerstreit der Meinungen
nicht beirren: er lernte von August
Gaul und Louis Tuaillon. obwohl sie,
besonders Gaul, bereits überstreng ver-
deckend stilisierten, ein sehr solides
Handwerk, und von Rodin, den er nicht,
wie so viele andere, nur als „Impressio-
nisten einschätzte, die Überzeugung,
daß jedes Kunstwerk in sich seine eigene
Seele haben müsse. Gerade darin, daß er,
vom ersten Werk an, die „Gegensätze"
als unwesentlich einzuschätzen und aus-
zugleichen wußte, lag seine Genialität;
und weil er dies vollbrachte und seinen
Weg selbst fand, wurde er zum Führer
und ist es noch heute, jetzt schon für
die zweite Generation. Freilich, Führer
konnte er nur denen sein, die selbst echt
waren und sportliche Kraft — dieses
Wort, gut verstanden, mag das Rich-
tige treffen — in sich fühlten. Nach-
ahmer blieben und bleiben schnell am
Wege liegen.

In Kolbes Gestaltung hegt in der Tat
viel Sportliches! Seine Gestalten, auch
die weiblichen, sind ausnahmslos im
Vollbesitz ihrer körperlichen Mittel,
die von einer entschlußreifen Seele be-
herrscht werden.Und gerade diese Sicher-
heit gilt ihnen jene Gelassenheit, Fas-
sung und seelische Opfer- und Sprung-
bereitschaft, wie sie auch von jeder
rechten Sportleistung, die nicht in Kraft-
meierei ausartet, gefordert wird. Wie
kümmerlich wirken neben Kolbes Jüng-
lingsgestalten, die nicht prahlerisch
„wollen", sondern einfach „sind", jene
Muskelmänner der Symptomplastik, in
der viele Anfänger sich nicht genug
tun können. Wenn unser deutscher
Sport vor solchen Auswüchsen bewahrt
geblieben ist, so war es — unsere Nach-
fahren werden dies noch mehr als wir
in Kolbes Kunst erkennen — seinen Ge-
stalten zu verdanken, und sie werden
wissen, was Kunst in der Erweckung
körperlichen und seelischen Taktgefühls
vermocht hat. Was wir, ohne stets tiefer
darüber nachzudenken, der griechischen
Foto Schicartzkopff, Berlin Plastik nachrühmen, das wird man in
Georg Kolbe. Der Wächter. 1937 Gegenwart und später in naher Vergan-

genheit in Kolbes Werken fühlen und be-
glückt sein, nämlich, daß sie geschaffen
einer Zeit künstlerischen Sturms und Drangs. Die wurden ■—■ nicht als formale Nachahmungen, denn
Kunst wollte wieder ganz auf ihren eigenen Füßen davon ist ja auch nicht im entferntesten die Rede —
stehen, und so begann der von Max Klinger vertre- sondern aus gleichem Geist. Dieser Zug lebensan-
tene subjektive Idealismus, weil er zu viel literarische schaulicher Veredelung geht ausnahmslos durch alle
Beimischung hatte, zu verblassen. Adolf Hildebrand Gestalten, die Georg Kolbe jemals gebildet hat; ihre
suchte mit optisch-realistischen Mitteln, in Anleh- körperliche Form sagt ebensoviel wie ihre Gebärden,
nung an die Antike, eine neue technische Grundlage und was sie aussagen ist: reine Menschlichkeit.

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