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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 58.1942-1943

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Nachrichten

BERLIN". Die Nationalgal e r i e veranstaltete eine
„Ausstellung ungarischer Malerei der
G e g e n w a r t", die dann von hier nach Dresden, Breslau.
Wien und Graz weiter gewandert ist. Wie es nicht anders
zu erwarten war, ging es in den vielen Sälen recht bunt
und lebhalt zu, und es war offenbar, wie sehr die Malerei
den Nationalcharakter der Ungarn vertritt und wie eng sie
mit Volkskunst verbunden ist. Es gab eine Zeit, im letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts, da war die ungarische Kunst
in München mehr zu Hause als in der Heimat. Neben Ju-
lius Benczür, dessen rauschendes Barock viel Bewunde-
rung erregte, waren noch zwei andere Ungarn, Liezen-
mayer und Alexander Wagner, Professoren an der Mün-
chener Akademie. Aber ein anderes ungarisches Dreige-
stirn leuchtete hier noch viel stärker: Michael Munkäcsy,
Ladislaus Paäl und Paul Szinyei-Merse. Wenn auch die
ersten beiden sich später nach Paris gewendet haben, so
hängt doch die große Zeit ihres Aufstiegs mit München,
und hier mit ihrem Vorbild Wilhelm Leibi zusammen. In
der unseligen Querhalle des Erdgeschosses der National-
galerie hingen verloren und verlassen ein Paar Meister-
werke dieser drei, dazu noch einiges von Ferenczy, Rippl-
Bönai und Meszöly. In den Sälen der Gegenwärtigen hatten
sie aber noch ein gewichtiges Wort mitzureden. Insbeson-
dere Munkäcsy wirkt noch stark weiter, etwa in einer
,.Taufe im Dorf" von Ferenc Gadl oder in Peter Szüles
„Klatschbase" und anderem. Die Komposition ist im all-
gemeinen aber viel freier und lockerer geworden, weil man
den Impressionismus erlebt hat — freilich mehr nur in die-
sem Sinn und in der Anwendung lichterer Farben, wäh-
rend im allgemeinen die Natur dem subjektiven Pathos
und der formalen Steigerung ins Dekorative untergeordnet
bleibt. Das führt zuweilen gar zur Auflösung in viele klei-
nere Einzelflächen des Figuralen, die dann wieder zusam-
mengebaut werden, wie bei Medveczkys „St. Lasdislaus"
oder in den „Schnabelflötern" von Basilides; das streift
schon eng an Volkskunst und deren Mittel, aber man
spürt, daß gerade hier die Quelle neuer Kraft fließt. Man
fühlt sie auch in den heiter-dramatischen Szenen von Aba-
Noväk und in von Istökovits, vor allem aber in den vie-
len Frauen- und Trachtenbildern von Mattioni-Hollös,
Bela Czene, Oszkär Glatz und anderen. Da ist oft nicht
mehr Farbe, sondern Buntheit; doch gerade darin: das
..Bunte" geschmackvoll mit Gegenwart und zugleich mit
uralter Vergangenheit zu durchbluten, hat immer die
Stärke der tief im Volke wurzelnden ungarischen Maler be-
deutet. Daneben pflegen sie auch ausgesprochene Atelier-
kunst, kultiviert und mit etwas „Schlager", wie Istvan Csök.
Akte im Freilicht oder impressionistische Interieurs, wie
Ägost Benkhardt oder Istvän Boldizsär und Reszö Burg-
hardt. — Im ganzen durfte man sich des alten Tempera-
ments und der unversiegbaren Frische erfreuen, die mit
der ungarischen Kunst verbunden bleibt, mit jener durch
den Volkscharakter bedingten Einstellung, die dem Pathe-
tisch-Dekorativen vor dem absolut Malerischen den Vor-
zug gibt.

Fast in unmittelbarem Anschluß an die ungarische wurde
eine „Ausstellung Kroatischer Kunst", jedoch in
der „Pr e u ß is c h e n Akademie der Künste", eröff-
net und erweckte ergänzend und in mancher Hinsicht gegen-
sätzlich größtes Interesse. Die kroatische Kunst war hier
sehr wenig bekannt und noch niemals geschlossen auf-

getreten, von dem Bildhauer Ivan Mestrovic abgesehen.
Als Ahnherrn der heutigen Maler darf man den 1922 ver-
storbenen Vlaho Bukovac betrachten, der bei Cahanel stu-
diert und dann in der Heimat großen Einfluß ausgeübt hat.
Man sah hier von ihm ein sehr delikat gemaltes Porträt eines
Herrn in grauer Jacke vor weißem Hintergrund. Um ihn
sammelten sich die Jungen, die sich nach Anschluß an die
Kunstströmungen der Gegenwart sehnten. Einige von ihnen
wurden Schüler von Habermann in München und zogen
dann weiter nach Paris. Zu ihnen gehörte Josip Racic.
der schon mit 23 Jahren starb und von dem hier ein sehr
feines Porträt einer Dame in Schwarz zu sehen war. Ferner
Miroslaw Kraljevic, der auch nur das Alter von 28 Jahren
erreichte, dessen mehr dekorativ aufgefaßtes Selbstporträt
in Ganzfigur mit Schäferhund ausgestellt war. Und endlich
Vladimir Becic, dessen großes Talent sich in Landschaften
und Porträts bekundet. Diese drei Künstler trugen neben
anderen die große Welle des Impressionismus in die Heimat,
die noch jetzt sich in ihr badet. Hier drängt sich ein Ver-
gleich mit den Ungarn auf, deren Kunst ebenso wie die der
Kroaten offenbar tief im Volke wurzelt. Mit der ungarischen
Volkskunst hat sich der Impressionismus nicht gut vertragen
und recht wenig Spuren hinterlassen: die kroatische ist
jedoch leidenschaftlich von ihm erfüllt, und es wirken hier
Bilder und Plastik betont malerisch und die Komposition
oft geringachtend, während gerade diese von den Ungarn
so sehr betont wird, daß sie in dekorativer Eigenwirkung
das Malerische oft weniger bewertet erscheinen läßt. Der
Boden Kroatiens ist mit vielartigen Kulturen, den römischen,
byzantinischen und illyrischen, in tausend Jahren so durch-
pflügt, daß er ungewöhnlich aufnahmefähig erscheint:
aber eine malerische Begabung, wie sie liier in den Werken
von Kirin, Crncic und besonders von Seferov und Uzelac sich
bekundet, läßt sich nicht aufpfropfen, sie muß angeboren
sein. Ebenso steht offenbar die plastische Überlieferung mit
der Volkskraft in tiefster Beziehung, die sich besonders in
den vielen typisch kroatischen Männerköpfen ausspricht.
Da seien Auguslincic, Jean-Ivanovic und Krsinic genannt.
Interessant, aber unserer Vorstellung fremd ist ein Goethe-
kopf von Mestrovic mit fliehender Stirn und aufgeworfener
Unterlippe, fast ein Besessener. Schön seine Evangelisten-
gestalten in barock aufgelöster Form, und im Gegensatz
dazu streng lineare Flachreliefs in Holz religiösen Inhalts.
Merkwürdig die überaus gedrungenen Frauengestalten von
Krsinic und anderen; hat man sich so den bäuerlichen Typ
vorzustellen, oder liegen hier monumentale Absichten
zugrunde? Diese erste Begegnung mit der kroatischen Kunst
war überaus interessant! Fritz Heilung

MÜNCHEN. In der Staatlichen Graphischen
Sammlung waren neuere Arbeiten, Zeichnungen,
Aquarelle, Temperastudien von Adolf J u t z ausgestellt,
die meistens in den letzten Jahren 1939 bis 1942 entstanden
sind. Gleichmäßig zeichnen sie sich durch die überlegene
Meisterlichkeit der Ausführung und die stilhafte Verdich-
tung der formalen Anschauung aus. Die Technik des
Zeichnens und der Tönung selber ist zum stilbildenden
Mittel geworden, durch das die Natureindrücke sich ver-
wandeln zu bildhaften Formen, die das Wesen der darge-
stellten Dinge künstlerisch erfassen und gestalten. In Hol-
land, im Osten (Riga oder Pleskau), in den Allgäuer Bergen

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