Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

DOI Artikel:
Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [14]
DOI Artikel:
Pasqué, Ernst: Die Gobelin-Manufaktur zu Paris, [5]: zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0166

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 17.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

5eite 141.

Nie EoöeUn^Manufaktuv M dams.

Zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung.

Von Ernst Pasqu6.

(Schluß.)

M^ährend der französischen Revolution lagen die Arbeiten der Gobelin-
Manufaktur so gut wie völlig darnieder; wie die Sansculotten
des Jahres 1793 mit den Gobelins verfuhren, haben wir schon ange-
deutet. Doch unter dem Kaiserreiche erstand die Manufaktur zu neuer
Blüthe; denn Napoleon I. brauchte ihre Kunstprodukte zur Verherrlichung
seiner Thaten und seiner Person. Die letzten Ar-
beiten vom Jahre 1814: „Empfang der Königin
Luise in Tilsit", „Zurückgabe der Waffen an den
Herrscher von Alexandria", „Audienz des persischen
Gesandten durch Napoleon", blieben unvollendet,
und heute noch sind diese drei Fragmente in dem
Gobelin-Museum ausgestellt. Unter Ludwig XVIII.
wurde 1825 die Teppich-Manufaktur der Savonnerie,
von welcher später noch die Rede sein wird, mit
den Gobelins vereinigt; desgleichen unter Napo-
leon III. die Teppich-Manufaktur von Beauvais;
ihre schlimmsten Tage aber, ja fast ihren Unter-
gang, erlebten die Gobelins unter der wahnsinnigen
Herrschaft der Kommune; denn am 25. Mai 1871,
als die Kommunards sich vor den Versailler Truppen
von den Buttes aux Cailles, vor der Barriere
d'Jtalie gelegen, znrückziehen mußten, setzten sie die
Gobelin-Manufaktur in Brand. Glücklicher Weise
war durch Beamte und Arbeiter des Etablissements
ein großer Theil der werthvollen Tapeten rechtzeitig geborgen worden,
doch zerstörte das Feuer der Petroleurs noch eine bedeutende Menge
derselben. Nach dem amtlichen Berichte verbrannten achtzig laufende
Meter Gebäude, darunter die dem Publikum geöffnete Gallerte, ein
Atelier mit sechs Webstühlen, drei Säle, angefüllt mit Spulen, welche
mit gefärbter Wolle und Seide umwickelt waren, die Schule der Tapeten-
wirkerei, ein Maleratelier und ein großer Theil des Magazins, welches
letztere Gipsabgüsse für den Zeichenunterricht enthielt. Den Hauptver-
lust aber bildeten siebenzig große Tapeten, darunter eine ganze Reihe
aus der Geschichte Napoleons I., unersetzliche Kunstschätze, die bis dahin

eine Zierde der Gallerte gewesen waren und die Bewunderung jedes
Beschauers erregt hatten.

Noch heute leidet die Manufaktur unter den Folgen dieses schweren
Schicksalsschlages; denn wenn in ihr gegenwärtig auch noch über hun-
dert Arbeiter und Künstler beschäftigt sein mögen, ihre Glanzperiode
ist dahin.

Es bliebe uns nun noch übrig, einige Worte über die Art und
Weise der Herstellung der Tapeten zu sagen, obgleich diese wohl mehr
oder minder bekannt sein dürste. Also in Kürze Folgendes: Bei den
Hauteliffe- (hochschäftigen) Tapeten ist die Kette eine vertikale, bei den
Basselisse- (tiefschäftigen) Tapeten eine horizontale, doch wird heute bei
der Tapetenwirkerei und Teppichweberei fast nur
noch in Hauteliffe gearbeitet. Bei ersterer sitzt der
Arbeiter hinter der Kette; er hat das Fenster vor
sich und das Gemälde, welches er kopirt, neben sich
(bei der Teppichweberei ist das Umgekehrte der
Fall; er sitzt vor seiner Arbeit, hat das Licht
hinter sich und sein Modell fast über sich). Ver-
mittelst Pauspapier überträgt er das Gemälde,
einen Theil desselben nach dem andern, auf seine
Kette, und dann umfährt er mit schwarzer Kreide,
die an ihrem Ende nicht zngespitzt, sondern leicht
ausgekehlt ist, jeden Faden an der Stelle, wo sich
die Zeichnung befindet, welche somit ganz genau
auf beiden Seiten der Kette zu sehen ist. Nun
muß er sich die ihm nöthigen, einarmig geformten,
mit Wolle und Seide in tausendfachen Farben-
Nuanzen umwickelten Spulen (heute hat jede Farbe
24 Schattirungen) hervorsuchen und ordnen, und
erst dann beginnt seine eigentliche Arbeit, die er
ebenso selbständig fort- und zu Ende führt, wie er sie begonnen. Immer
ist er dabei genöthigt, vor seine, Tapete hinzutreten, Wirkung und Fort-
gang seiner Arbeit zu prüfen, zu bessern oder gar zu vernichten und
wieder von Neuem zu beginnen, ein schweres Stück Arbeit, bei dem ein
geübter und fleißiger Arbeiter im Durchschnitte pro Tag nur 34 (Zain
fertig zu stellen vermag; welchen Aufwand an Zeit dies für eine größere
Tapete erfordert, an der jedoch gewöhnlich mehrere Arbeiter beschäftigt
sind, ist hiernach wohl annähernd zu bemessen, wie auch der Werth,
den sie repräsentirt, dadurch in ein Helles Licht tritt.

Der höchste Gehalt, den ein solcher Künstler bezieht, übersteigt

Abbildung Nr. 78. Blumentisch.

Ausführung in schwarzem oder dunklem Nußbaumholz
mit gemalten Porzellan-Platten.

gepreßt, oder aber auch von der Hand getrieben und geschnitzt ist.
Diese Technik ist seit etwa 15 Jahren wieder ins Leben zurückgerufen
und erfreut sich eines Zuspruchs und einer Beliebtheit, wie kaum jemals
vorher. Dabei wird heute mit derselben weiter gegangen wie im
16. und 17. Jahrhundert. Man bemalt und vergoldet die getriebenen
Theile, welche oft vollkommen plastisch herausgearbeitet sind. Allerdings
beschränkt man sich nicht darauf, daß man diese Lederschnitzereien für
Sitz und Lehne des Speisezimmerstuhles verwendet, es werden vielmehr
alle möglichen und unmöglichen Gegenstände aus diesem Leder hergestellt,
ja sogar Plafondfüllungen und Kaminschlote, ganz abgesehen von den
manchmal ganz vorzüglich in der Wirkung durchgeführten Wandtapeten.

Die Wände des Speisezimmers werden bei diesen kostbaren Aus-
stattungen selten tapezirt; wo dies der Fall ist, nimmt man eine Stoff-
Nachahmung, oft mit verdürartigem Muster oder Ledertapeten. Ge-
wöhnlich wird das Speisezimmer über der Vertäfelung mit wirklichem
Stoff bespannt, und eignen sich dazu dunkle Stoffe mit blumigem oder
mit Früchten durchwobenem Dessin. Oft werden auch Plüsche und ein-
farbige Tuche, manchmal mit detachirten Ornamenten, verwendet, nicht
selten auch Gobelins. Bei Anwendung der Letzteren, für welche unend-
lich mannichfache Nachbildungen existiren, kommt es auch wohl vor,
daß die Vertäfelung nur die Höhe von 80 ein bis zu 1 m hat. Gobelin-
stickereien repräsentiren wohl den vornehmsten Wandbezug; die stimmungs-
vollen Töne dieser Stickereien, die prächtigen Farben und die stilvollen
Zeichnungen dieser Fabrikate sind durch nichts zu ersetzen. Oft werden
zu solchen Wandbekleidungen alte Gobelins verwendet; man stößt dabei
aber insofern auf Schwierigkeiten, als man selten die passenden Größen
in zusammengehörenden Dessins findet. Die modernen Gobelin-Manu-
fakturen liefern dagegen ganz vorzügliche Fabrikate; zumeist bestehen

dieselben in möglichst genauen Kopien guter alter Gobelins, und kann man
dieselben kaum von den alten unterscheiden. Oft aber auch reproduziren
sie Bilder moderner Meister, welche sich für die Gobelinstickerei insofern
weniger eignen, weil letztere keine Bilder sein und nicht als solche wirken
sollen. Die Gobelins sollen vielmehr den Stoffkarakter nicht verleugnen,
sie sind in gewisser Beziehung Flächendekorationen. Man findet deshalb
die sogenannten flämischen Verdüre-Gobelins, d. h. solche, welche land-
schaftliche Zeichnung mit wenig figürlicher Staffage zeigen, mit großer
Vorliebe verwendet. Zu bemerken ist hier noch, daß die eigenthümlichen
Farben dieser Gobelins zum Theil nicht von allem Anfänge so beab-
sichtigt waren. Eine gewisse stilisirte Farbengebung war wohl nöthig,
ein großer Theil der Töne ist aber mit der Zeit verschossen, ohne daß
dieselben dadurch an Stimmung verloren hätten. Von vielen Seiten
werden diese verschossenen Farben sogar bevorzugt und das wohl sehr oft
nicht mit Unrecht, da dieselben einen ganz eigenthümlichen Reiz zeigen.
Vielleicht hat auch das Sammeln von Alterthümern den Sinn für diese
verschossenen Farben unterstützt. Gewiß ist das die allgemeine Geschmacks-
richtung nicht nur in Gobelins, sondern auch in anderen modernen
Stoffen, bei denen man diese Farben sucht und bevorzugt. Und warum
sollten wir vom Zufall nicht auch lernen können? Wenn wir sehen,
daß die von der Zeit gebleichten Farben uns stimmungsvoller erscheinen
wie die härteren ungebrochenen Töne, welche ursprünglich beabsichtigt
waren, warum sollten wir dieselben nicht acceptiren und nachahmen?
Ob diese Ansichten für die Zukunft dieselben bleiben werden, wissen wir
nicht, wir sind in der Jetztzeit gewohnt, von einem Extrem ins andere
zu fallen. _ (Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen