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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Otto, Karl Heinrich: Plauderei über eine einfache Wohnungs-Einrichtung, [1]
DOI Artikel:
Böttcher, F.: Marmalith und die Ausschmückung der Wohnung mittels der Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0128

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Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zeile 9?-

Zuni-Hest.

und die Musschmückung dev E

Vvii F. Böttcher.

»elttnultl llüttels der Wlastik.

Ausschmückung der Wohnung mit Figuren und Büsten war schon in
den srühesten Zeiten bei den Griechen und Römern im Gebrauch und

namentlich statteten sie die Frauen- ;
gemächer mit schönen Köpfen aus.

Bei uns hat sich dieser lobenswerthe Gebrauch !
leider noch nicht in dem wünschenswerthen Um-
fang eingeführt, da Marmorfiguren zu theuer :
und Gipsfiguren zu zerbrechlich sind und gar zu
bald schmutzig werden und ein unansehnliches
Aussehen erhalten. Da ist nun vor einiger Zeit j
eine neue Masse, „Marmalith" genannt, er- r
fanden worden, die all dem Gips anhaftenden
Uebelstände beseitigt, in Gsterode am Harz her-
bestellt wird und eine Art Kalksteinguß ist; all i
die Bildwerke, Büsten, Figuren, Gruppen, welche !
aus Marmelith hergestellt werden, sind nicht nur !
von großer Bärte und Widerstandsfähigkeit, son- I
bern lassen sich auch mit „kaltem" Wasser in der
besten und leichtesten Weise reinigen. Dieselben
llaben jenen lichtfrohen, warmen und eigenthüm- ^
lich grauen Farbenton, der an den selten vor- I
kommenden und so sehr geschätzten grauen antiken
Marmor aus den Brüchen bei Karystos erinnert
und der schon von Pausanias lobend, Hervorge-
lloben wurde und bewunderungswürdig ist es, >
wie harmonisch dieser Farbenton zu jeder belie- ^
bigen Farbe der Jimmerausstattung paßt, weich :

Zeichnen sich die Umrisse ab und matt ist der
Lchatten der plastisch hervortretenden Formen, i
der die Muskulatur schön und entsprechend zart i
Zur Geltung bringt.

Die Sockel der Figuren sind marmorirt und ^
ahmen den afrikanischen Marmor in täuschender j
Weise nach, von ihm hebt sich das Bildwerk in !

Prächtiger Weise ab. Das Marmelith ist, was

noch ganz besonders zu bemerken ist, keineswegs c_—.

mit einem Farben- oder gar Lackanstrich versehen, der etwa bleichen oder durch
Abwaschen verschwinden könnte. Zur recht fleißigen Benutzung und Empfehlung
dieser neuen Erfindung dürfte hier an einen Ausspruch des jdrofessor Lembke erinnert
werden, welcher sich in seiner Aesthetik vorfindet; er sagt da, und zwar mit vollstem
Aecht: „daß der Theilnahme des Publikums an der Plastik bedeutend Abbruch
-gethan worden, weil inan zu viel Gipsabgüsse sehe und sich daran gewöhnt habe,

Abbildung Nr. Z5Y.

Moderne Fokvgraftr-Urnrnhmung.

deren Leblosigkeit auf die Plastik überhaupt zu übertragen. Gips hat keine lichtsrohe
Farbe, sein starres weiß umgibt ihn wie eine leblose Schale und entbehrt vor

—i Allem der Wärme. Und nicht allein diese ge-
wissermaßen ideelle Seite ist zu berücksichtigen,
es ist vielmehr für Bildwerke, die zum Schmucke
der wohnräume bestimmt sind, ein Farbenton
erforderlich, der sich sowohl bei Tage, als auch
bei Lampenlicht den sonstigen Farben des Zim-
mers — sei es nun im dunkleren Ton des Re-
naissancestiles oder dem helleren des Rokokostiles
gehalten — geschmackvoll und harmonisch anfügt.
Und endlich soll sich auch ein Bildwerk leicht und
einfach reinigen lassen.

Unter den bis jetzt aus der neuerfundenen
Masse nachgebildeten Figuren finden sich Werke
aus alter wie auch aus neuerer Zeit und seien
hier als Beispiel nur folgende genannt: „der
Apollo von Belvedere, der Hermes des Praxiteles,
die Venus von Milo, die Diana von Versailles,
die Venus von Lanova, die Klythia aus dem
britischen Museum, die Pallas Athene aus
dem Louvre, die Ariadne auf Naxos aus dem
Vatikan, Ariadne von Danneker, alsdann zahl-
reiche Werke von Thorwaldsen, die meisten der
allbekannten und schönen Reliefs und Figuren
u. a. die schönste von allen, der „segnende Lhristus",
ferner Büsten des Kaiser Wilhelm, Goethe,
Schiller, Roch und anderer moderner Werke. Für
die Reliefs wurden besondere Rahmen und für
die Figuren besondere Sockel hergestellt, die ihrem
Zweck vollständig entsprechen.

Da diese Bildwerke, in dieser neuen Masse
hergestellt, in Form und Farbe wohl jedem Ge-
schmack und selbst einen verwöhnten und kritischen
Kunstkenner befriedigen können, auch einen ver-
hältnißmäßig niedrigen Preis haben, sich zur
Aufstellung in jedem Zimmer eignen und ein solches in bester weise, vielleicht
besser als so manches Gemälde, und selbst des Abends und bei jeder Beleuchtung
dekoriren und dann zur vollen Wirkung gelangen, wenn braun oder schwarz gebeizte
gut profilirte Konsole und Säulen mit zur Verwendung kommen, so wird sich dieser
neue plastische Schmuck schnell Bahn brechen und eine dauernde Heimstätte in den
Salons der Reichen wie in den Zimmer weniger bemittelter Kunstfreunde finden.

Zwischen den vorstehenden Zeilen ist vielleicht ein Geheimniß heraus-
zulesen, es ist das Ergebniß des Mithandanlegens und Selbstschaffens,
das Vertrautwerden mit dem, was uns täglich umgeben soll. Das habe
ach so ganz empfunden, und darum sind mir auch die Räume so doppelt
lieb geworden. — Wollen Sie nunmehr mit mir eine Wanderung durch
Mein kleines Reich antreten, bitte, ich werde den Führer spielen, an
einigen erklärenden Worten soll es nicht fehlen. Zede Hausfrau zeigt
Zuerst ihr gutes Zimmer, es ist ihr Stolz — ich will keine Ausnahme
Machen. Unser gutes Zimmer macht keinen vornehmen, aber einen
netten, freundlichen Eindruck, es fluthet Farbe durch den Raum, der
durch zwei nach Norden belegene Fenster mildes Licht erhält. Seine
Nußbaummöbel sind gut gearbeitet, haben schöne Formen, find aber
sonst anspruchslos. Alavier und Bücherschrank fehlen, die Bücherschätze
dirgt ein Vertikow. Die Polstermöbel zeigen orientalische Motive in
liefen satten Farben, vorwiegend blau und roth. Der Teppich ist
orientalisch ornamentirt, seine Farben sind jedoch gedämpft. Den aus-
ziehbaren Tisch deckt eine stahlblaue Decke, der Schmuck des Tisches
besteht nur in einer silbernen Schale auf einem Filetdeckchen. Die Tapete
des Zimmers spielt in einem dunklen grünlichen Braun mit ruhigem
Nluster, und aus diesen Wandflächen hebt sich der Bilderschmuck, be-
stehend in Radierungen und Aquarellen in eichenen, mattgold und
schwarzen Rahmen vortrefflich ab. Farbige Plastik, sowie eine Anzahl
Nippes in Porzellan und Bronze, ferner alte rheinische Steinzeugarbeiten,
als Artige, Becher und Rannen, auch römische Thongesäße auf mit
farbigen Posamenten bespannten Bordbrettern, bilden die ergänzende
Nusschmückung dieses Raumes. Der in diesem Raum befindliche, archi-
tektonisch gegliederte Gsen ist aus schwarzem und vernickeltem Eisen.

Wir betreten nun das eigentliche Wohnzimmer, welches einfenstrig,
ebenfalls nach Norden, und dieselbe Tapete des guten Zimmers hat.

Die Ausstattung ist sehr einfach; es haben Ladenmöbel und einige Erb-
stücke dazu herhalten müssen, und doch liegt auch in ihm etwas, das
zum Bleiben und Ausruhen einladet. Dieses Wohnzimmer ist der
lauschigste Raum unsere? Heims, so echt bürgerlich ist er. Die Wände
tragen wieder manchen interessanten Schmuck an Bildwerk, alten Fayencen,
Artigen und römischen Scherben, auf welchen Dingen das Auge beim
plaudern gern weilt. Ein Bücherbrett birgt die Lieblingsschriftsteller,
eine Reihe Broschüren über^Tagesfragen und ich glaube, ich habe in
diese kleine Bibliothek, die ich ganz besonders für mein liebes Weib
ausgebaut, selbst „Rembrandt als Erzieher" eingeschmuggelt. Ein
Regulator kündet die Zeit und eine Nähmaschine verräth, daß auch in
diesem Raum der „Arbeit" ein Plätzchen überlassen ist. Am Fenster
habe ich für ineine Zwecke ein Arbeitstischchen, welches mit gutem
Schreibgeräth, dem Bilde meiner Frau und einigen eigenartigen Brief-
beschwerern bestellt ist. Unter diesen, Tisch, gegen die Wand lehnend,
stehen große dunkle Mappen, welche mit zeichnerischen Arbeiten gefüllt
sind. — Nun kommen wir in das Heiligthum der jungen Familie: das
Schlafzimmer, ein schöner, großer, lichter und lustiger Raum mit hellerer
Tapete. Schwere, gediegene, eichene Arbeit verrathen die beiden hoch-
häuptigen Lettgestelle und nicht minder die standfesten beiden Schränke
für Aleider und Leinen. Die Wasch-Toilette mit weißem Marmor-
Aufsatz und Spiegel ist mit englischem Steingut-Geschirr ausgestattet.
Stühle und Nachtschränkchen, ebenfalls in Eichen, füllen das Zimmer,
dessen Bodenbelag Linoleum, Stoff-Läufer und farbige Bettvorlagen
bilden. Es fehlt jeder sonstige Wandschmuck, nur ein gestickter Wand-
schirm ist vorhanden und die Gesimse der beiden Schränke sind wieder
mit einer Reihe rheinischer Steinzeug-Scherben geschmückt. Die Stimmung
ist hier fast eine ernste, es klingt alles wie Friede und eine behagliche
Ruhe inacht sich allenthalben bemerkbar. (S-hiutz i», drin,-,, Lo>,n, s^,»?.)
 
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