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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Weber, Georg: Ueber die Dekoration der Wohnräume, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0176

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August-Heft.

Illustr. kuustgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

5eite s37.

am Platze. Diesem Zwecke dient vorzüglich eine Malerei in Holztönen oder stumpfen
Farben, wodurch die Dekoration eines Speisezimmers jenen Grad von Behaglichkeit
gewinnt, der zu dem Genüsse eines familiären Mahles unbedingt nothwendig er-
scheint. Bildliche Darstellungen, welche zu der Verwendung des Raumes in Be-
ziehung gebracht werden können, dürften immerhin dem Wohlbefinden der hier zu
Zeiten versammelten nicht störend sein, nur hüte man sich, Darstellungen welt-
erschütternder Ereignisse oder gar Bilder, auf welchen mehr „ein Schlachten war's,
denn eine Schlacht zu nennen" zur Ausschmückung zu verwenden. Das Einzelne
der Dekoration eines Speisezimmers muß natürlich den Verhältnissen des Hauses
und den Anforderungen der Familie überlassen bleiben, denn es ist nicht zu sagen,
der oder jener Tisch oder Schrank, das Büffet u. s. w. muß da oder dort stehen,
muß, wenn es ein Speisezimmer darstellen soll, absolut untergebracht werden, genug,
wenn es den jeweiligen Bedürfnissen
entspricht und der Behaglichkeit des
Aufenthalts Rechnung trägt, vielfach
wird im kleineren Haushalte das
Bxeisezimmer auch als Wohnzimmer
benutzt, weshalb seine Einrichtung
eine solide und dauerhafte sein muß
und dabei die Möglichkeit bequemer
Handhabung und leichter Reinhaltung
zu berücksichtigen ist.

Die Rüche nimmt unter den
Räumen des Wohnhauses eine nicht
unwichtige Stelle ein. Helle, freund-
liche Bemalung resp. Gesammtdekora-
tion ist hier angemessen. Zn der
Rüche weilt nicht nur das Dienstper-
sonal, auch viele deutsche Frauen halten
es nicht unter ihrer Würde, in der-
selben zu verweilen und zu schaffen,
zusammenzustellen, anzuordnen und
Dasjenige zu bereiten, was später im
Speisezimmer den Magen zu befrie-
digen, den Gaumen zu erfreuen be>
stimmt ist. Soll sich die Hausfrau
aber in der Rüche wohl fühlen, so
gehört dazu eine freundliche Umge-
bung; die Rüche soll vor Allem den
Eindruck vollendetster Sauberkeit und
Ordnung machen. Ein Blick in die
Rüche verräth oft mehr von den
Eigenschaften des Hauses und den
Tugenden, Fehlern und Schwächen der
in ihm waltenden Hausfrau, als ein
Blick in den Salon und die feineren
Zimmer, wo die schaffende Hand der-
selben weniger zum Ausdruck kommen
kann. Zn die Rüche gehören natürlich
keine Polstermöbel und Portieren aus
gewebtem Stoff; was darin ist, sei
gediegen, sauber und blank. Macht
es doch einen prächtigen Eindruck,
wenn an den Wänden die spiegel-
blank geputzten Rüchengeräthe in ge-
schmackvoller Anordnung hängen und
die Stelle des Bildes im Wohnzimmer
zu vertreten haben. Wie wird nun
durch den Maler der Rüche das Ge-
wand gegeben, um das Ganze in
Harmonie zu bringen und freundlich
zu gestalten? So kann z. B. eine
Dekoration mit feinem Strohgelb in
Marmormalerei oder einfach glatte
Wand mit grünlichblauer Einrahmung
— letztere nicht zu breit — mit weißer
Decke zugleich einen warmen und
sauberen Eindruck machen; lackirtes
Naturholz, mit blauen Linien und finnigen Sprüchen geschmückte Möbel und Ge-
räthe dürften das heitere Bild des Raumes vervollständigen. Line andere Aus-
schmückung, die ebenfalls einen sehr sauberen und angenehmen Eindruck macht,
besteht darin, daß der obere Wandtheil grau erhalten, unten mit weißen Majolika-
sliesen belegt, Möbel und Thüren als graues Ahornholz imitirt und mit blauen
Linien staffirt werden. Zn der blauen Farbe liegt ein gewisser Ausdruck der Sauberkeit
und wir finden diese Farbe vorherrschend bei Geräthen und Gefäßen, welche mit
Speisen in Berührung kommen, gern in Anwendung gebracht. So gibt es sicher
noch mancherlei Ausschmückungsmittel für die Rüche, die diesem Raume den Ausdruck
der Freundlichkeit und Reinlichkeit verleihen, ohne ihren Rarakter zu beeinträchtigen.

Das Damen zimmer ist ein Raum, in dem sich schon eine reichere, ja
üppigere Dekoration anwenden läßt. Der Zdeenkreis einer Dame ist in der Regel
ein anderer als der eines Mannes. Soll die Frau heiteren Gemüthes bleiben, so
gehört ihr auch ein heiteres Zimmer, ein Aufenthaltsraum, in dem sie sich wohl
fühlt, der luftig, hell und der Sonne den Eintritt läßt, um Blumen, Vögel und

Goldfische zu pflegen. Zum gewöhnlich farbigen Putz der Damen darf man auch
entsprechend dekoriren, keck und fantasievoll der heiteren Seite des Lebens die volle
Beachtung widmend. Blumen und luftige Amoretten mögen den Raum schmücken,
wo Damen weilen, wo sie sich heiteren Sinn erhalten können, um die Sorgen des
Mannes zu verscheuchen. Und der Stil, in dem solche Dekorationen sollen aus-
geführt werden? Es ist nicht zu leugnen, daß eine geschickt und mit Fantasie aus-
geführte Dekoration im gegenwärtig sehr beliebten Rokokostil mit all den Runst-
griffen, die sich insbesondere der Maler dabei erlauben darf, für eine Dame etwas
sehr Bestechendes hat. Farbig verzierte Thüren, in zartesten Tönen gemalt, Möbel
in gleicher Lackirung und Vergoldung, duftige Deckenbilder, elegante Linien, pikante
und bizarre Formen bilden dessen Eigenthümlichkeit. Indessen soll damit nicht
gesagt sein, daß mit einer im Renaissancestil gehaltenen Dekoration nichts Aehn-

liches erreicht werden kann; auch hier
ist der Fantasie der weiteste Spielraum
geboten, um die kühnsten wünsche
befriedigen zu können.

Zm Zi innrer für Rinder
vermeide man ebenfalls Alles, was
das Gemüth des Rindes verdüstern
könnte; heiter sei des Rindes ganze
Umgebung, luftig und hell sein Auf-
enthalt, und dein Sonnenstrahl, in
dem es sich ja am Besten entwickelt,
nach Möglichkeit zugänglich. — Man
richte das Rinderzimmer nicht so ein,
daß das Rind alle Augenblicke eine
Zurechtweisung zu erwarten hat, daß
es vielmehr sich frei und ungezwungen
in ihm bewegen kann, was darin
an Möbeln und sonstiger Ausstattung
vorhanden ist, sei einfach, jedoch ge-
schmackvoll und kräftig, um den Blick
an das Schöne zu gewöhnen, ohne
in einer übertriebenen Behutsamkeit
und Vorsicht des Gebrauchs dasselbe
als etwas Fremdes, Apartes betrachten
zu lernen. Das Zimmer sei dem Rinde
ein lieber Aufenthalt, und sehr leicht
lassen sich auch erziehliche Zwecke mit
der farbigen Ausschmückung verbin-
den, wenn letztere z.B. naturgeschicht-
liche Bilder, Szenen aus Märchen
oder Zugendspielen in geeigneter
Weise zu verwenden versteht.

Das Wohnzimmer soll nach
des Tages Mühe und Sorgen oder
an den Tagen, wo Religion und Sitte
das Ruhen von der Arbeit vorschrei-
ben, den vereinigungsxunkt der ganzen
Familie bilden. Zn diesem Raum gibt
es kein Vorrecht des Einzelnen, an ihm
haben alle Familienglieder gleichen
Antheil, und hier kann Zeder sich für
neue Arbeit und neue Ziele zu stärken
suchen. Unter allseitigem Gedanken-
austausch und gegenseitiger Anregung
sehnt man sich nach genossener Ruhe
zu neuer Thätigkeit, um neu belebt
in den Tagesberuf wieder eintreten
zu können. Wie dekorirt man nun
ein solches Zimmer? Die Antwort
ist nicht schwer. Lin solcher Raum
soll gemüthlich und freundlich, aber
nicht düster und feierlich erscheinen,
nicht zu grell in den Farben und nicht
unruhig in seiner sonstigen Aus-
schmückung sein. Dieses Ziel ist durch
die heutige Art der Renaissance un-
schwer zu erreichen, denn man hat hier, wie im Speisezimmer, die Holztöne zur
Verfügung, welche sich so leicht den Farben der Webstoffe stets harmonisch anschließen
lassen. Eine hohe Vertäfelung nimmt die Möbel, welche nicht zum Sitzen dienen,
in sich auf, und vereinigt diese Theile nebst den Thüren zu einem abgerundeten
Ganzen. Die Decken dürfen nicht zu dunkel gehalten sein, denn eine dunkle Decke
wirkt drückend auf unser Gemüth. Rein Auge kann auf die Dauer den Dreiklang
der Farben: Roth, Blau und Gelb entbehren, und so muß auch ein Wohn-
zimmer, in dem man doch länger mit Behagen verweilen will, in nicht zu ein-
seitigen Tönen ausgeführt werden. Eine rein blaue, gelbe oder rothe Wand wirkt
schließlich für das Auge immer ermüdend und abstoßend; qm ehesten ist noch eine
solche im stumpfen Grün zu ertragen, in welchem die oben erwähnten drei Farben
enthalten sind. — Da der Sinn für Farben verschieden ausgebildet ist, würden
bestimmte Vorschriften für manches Auge nicht zu ertragen sein und wird eine rich-
tige Malerei immer diejenige sein, welche dem Einzelnen wohlthuendes Empfinden
bereitet. — (N. d. Mittheilungen des Gewerbe-Museums zu Bremen.) — (Schluß folgt.)
 
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