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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Minkus, Fritz: Atelier-Stil, [2]
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Statsmann, Karl: Bruno's Heim, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0024

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Seite sO.

Illustr. kun st ge werbt. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Ianuar-Peft.

Geschichte. Wie die Lebenssitten freier und ungebundener wurden,
so drang auch ein Geist wohlthuender Ungezwungenheit in die
Wohnungen. Die konventionellen Hesseln, in denen die Aufstellung
des Mobiliars so lange Zeit
gelegen hatte,wurdengebrochen,
die Wohnungseinrichtung weist
das Bestreben aus, sich den
persönlichen Neigungen, dem
individuellen Bequemlichkeits-
gefühl des Besitzers anzupassen
und heimelt auf diese Art durch
die entschiedenen Merkmale des
Bewohntseins wohlig an. Wo
es das Bedürfniß und der
Geschmack erforderte, wurden
die einzelnen Möbelstücke auf-
gestellt, kleine Tische der
verschiedensten Formen zu ge-
trennten Gruppen, sogenannten
Etablissements vereinigt, zahl-
reiche Etageren und Posta-
mente trugen in koketter An-
ordnung die verschiedenartigsten
Nippesgegenstände, die ein-
tönigen Flächen der Wand
wurden durch kühne Draperien
angenehm unterbrochen, der
althergebrachte Zimmerepheu
mit seinem öligen, kalten Grün
ward durch die stolze, malerische
Palme verdrängt. So vollzog
sich in überraschend kurzer Zeit
ein vollständiger Umschwung
im Einrichtungssystem. Die
Gründe hierfür waren, abgesehen von einer bedeutenden allgemeinen
Geschmacksbesserung, zweifacher Natur: sie lagen einerseits in den
enormen Fortschritten von Wissenschaft, Technik und Pandel,
welche das Interesse der Zeit naturgemäß den freien Ärmsten

mehr oder weniger ab- und den praktischen Aünsten, dem Aunst-
gewerbe zuwandten, durch welche zahlreiche kunstgewerbliche Pro-
dukte neu erschaffen, verbilligt und importirt wurden, andererseits

in den völlig veränderten Woh-
nungsverhältnissen der großen
Städte. Bisher war es dem
einigermaßen gut situirten
Manne möglich gewesen, sich
ein, wenn auch bescheidenes
paus zum Alleinbewohnen zu
bauen. Der Besitzer hatte völlig
freie pand, seine Räume nach
eigenein Gutdünken und Ge-
schmack, in ihrer Lage und
Größe einzutheilen, und das
paus in seiner Gesammtheit
trug so den Stempel des per-
sönlichen, der der Inneneinrich-
tung mangelte. Der große
Aufschwung der Pauptstädte
und die damit verbundene
Theuerung zwangen die wohl-
habendsten Stände Miethswoh-
nungen zu beziehen. Das
Schablonenhafte dieser letzteren
in Bezug auf Raumeintheilung
und Innen-Architektur machte
den Bewohnern eine möglichst
karakteristische dem persön-
lichen Geschmack entspringende
Einrichtungsweise zum Be-
dürfniß. — Der Deutsche, zu
jener Zeit stark unter franzö-
sischem Einflüsse stehend, hatte
jene bedeutende Aenderung in: Einrichtungsprinzip freudig über-
nommen. Er nahm dem neuen Stil eine gewisse spezifisch fran-
zösische pikanterie, und verband französische Grazie, englische Be-
häbigkeit mit echt deutscher Gemächlichkeit.

Abbildung Nr. 1p Salon-Ansicht aus einer Berliner Villa.

rrmw's "Meim.

jdlauderei über Innen-Dekoration von Aarl Ttatsmann. lFortsetzg. v. s. r.>

om Wohnzimmer aus betreten wir links den Salon,
rechts den in die Ecke gebauten Erker. Ich habe also
keine Zeit, meine Gedanken über Alterthümer fortzu-
spinnen, und das ist gut so. Machen wir uns weiter keine Be-
denken, wenn wir solche aufstellen. Freuen wir uns an allem
Schönen und Interessanten, das für uns Bedeutung hat, zaubern
wir uns Umgebung und Leben mit Bedacht und parmonie so
schön als möglich und geben wir in ihm auch der Erinnerung,
der Fantasie, ein wenig der Mystik Raum, Dingen, die uns zeit-
weilig abzulenken vermögen von der pärte der Gegenwart, geben
wir auch dem Wahne Glauben, es sei in der Vergangenheit
Manches schöner und interessanter gewesen; — thun wir all das
nur unbesorgt! Träume sind ja erlaubt.

Freund Bruno scheint etwas zudringlich zu sein mit seinen
Alterthümern! Nun entdecke ich auch in der Wohnstube, im
Salon, in der Schlafstube und so fort eine Fülle von Altem.
Doch! — Verzeihung, Freund! Deine Siebensachen sind so vor-
trefflich aufgeputzt und harmonisch eingereiht in den Rahmen des
Ganzen, zum Modernen so geeignet beigesellt, daß ich deine Ein-
richtungen mehr und mehr bewundere und schätzen lerne, nicht
minder wie deinen Sinn für Schönheit und Ebenmaß.

Neugierig, wie nun einmal ein Fremder ist, setze ich das
Beschauen und Durchwandern im Pause fort, zu einiger Pein

der Frau pertha, welche in der Aüche mit Weingläsern und

Tellern klirrt. „Diese Männer, diese Pedanten-" (o, ich

höre es wohl, gnädige Frau!!).

Die Behellung der Räume ist eine treffliche. Die großen,
nicht zu häufigen Fenster lassen genug Wandflächen „zum Stellen"
von Mobilien, zum Behängen mit Bildern. Die Tapete des
Wohnzimmers ist eine Stofftapete mit im Ganzen oliver Ton-
wirkung. Die Decke ist mit einfacher Feldertheilung um die
Mittelrosette bemalt. Die schmiedeeiserne Pängelampe in der
Mitte des Zimmers und der große runde Tisch, das Eichenbüffet
besagen, daß die Wohnstube auch als Eßzimmer benützt wird.
Das große, moderne Büffet mit den geschnitzten Grnamentfüllungen
enthält eine stattliche Sammlung der besten Porzellane und Gläser.
Unter den porzellanen finde ich, der Naseweise, dem Bruno Thür
und Thor öffnen muß, ein prächtiges Noyon-Service mit Aorn-
blumenmuster, ein blau-vergoldetes Meißen, ein Fürstenberg mit
Narzissen und Primeln bemalt, ein Meisterstück der Blumenmalerei,
das Meißen und Berlin nicht nachsteht, ein paar steife, stark ver-
goldete und mit portraits bemalte großväterische Tassen, ein
paar chinesische Aannen moderner Fabrikation, mit Ginger be-
malt; eine Parade von japanischen Tellern für europäischen
Gebrauch erstellt, aber mit japanischen Motiven, landschaftlichen
Szenen in bunten Aartuschen.

Den Fußboden bedeckt ein schwerer, gewebter Teppich mit
Flächenornament. Das Mobiliar ist auf das nothwendigste
beschränkt, Bücher, Nippessachen und kleine Bilder sind nirgends
 
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