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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Butz, Georg: Berliner Gobelins, [2]
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Statsmann, Karl: Bruno's Heim, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0065

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Seite ^2.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

deren sich die Pariser Manufaktur im vergangenen Jahrhundert
rühmen kann. 1-68 umours äs8 ckisux und verwandte Darstel-
lungen geben sich in bewundernswerther Farbenschönheit, in einer
Fülle graziöser, göttlich nackter Gestalten, in einer meisterlichen
Verbindung von Parklandschaften,
stolzen Marmorhallen, bläulich schim-
mernden Seeflächen und duftigen
Wolken. Man staunt über Bouchers
sprudelnde Fantasie und über seine
gewaltige Fähigkeit, solche Dithy-
ramben des höchsten Lebensgenusses
zu malen. Man möchte Diderot Recht
geben, der zornentbrannt gegen diese
Runst loszog, und doch vermag man
sich dem Banne dieser wahrhaft glän-
zenden Schöpfungen nicht zu entreißen,
denn sie lassen bei aller Verherrlichung
der höchsten Leichtlebigkeit das Genie
eines Meisters erkennen. Tief gedunkelt,
scheinbar beraubt der ehemaligen
Farbenpracht, waren diese Gobelins
in die Manufaktur eingeliefert worden
und nunmehr hängen sie wieder da,
als seien sie eben erst vom Hautelisse-
Stuhle heruntergekommen.

Zu diesen Arbeiten für die Rrone,
die noch auf Jahre hinaus Beschäf-
tigung gewährt, gesellen sich einige
andere von nicht minderer Bedeutung:
der Staat läßt den großen Troy-
Teppich der Universität Greifswald,
der Prinz-Regent Albrecht eine Folge
großer italienischer Gobelins, der

Gras Münster, deutscher Botschafter in Paris, eine Folge flan-
drischer Gobelins und der Großherzog von Mecklenburg eine An-
zahl französischer Gobelins ausbessern. So entfaltet denn die junge
Berliner Manufaktur in der Perstellung neuer Gobelins und in der
Wiederherstellung alter eine rege Thätigkeit, die zu den besten

Abbildung Nr. qy. Eingang eines Wohnhauses in Philadelphia.

Hoffnungen berechtigt. Weiteren Kreisen von ihren Leistungen
Kenntniß zu geben, ist der Zweck vorstehender Zeilen. Der Gegen-
stand ist wichtig genug, um Beachtung beanspruchen zu können.
Möge die Berliner Werkstatt zur Ehre des deutschen Kunstgewerbes

s weiter und weiter gedeihen. Und zu
diesem Gedeihen gehört, daß ihr Auf-
träge sowohl auf Herstellung neuer,
als auf Ausbesserung alter, werthvoller
Gobelins zufließen. Insbesondere sei
betont, daß es besser und vernünftiger
ist, sich neue Gobelins Herstellen zu
lassen, als aus Auktionen zerlumpte,
alte Gobelins zu hohen Preisen an-
zukaufen. Was an alten Gobelins
in den Handel kommt, ist ja gemeinhin
von sehr untergeordneten: Kunstwerthe,
da sich die wirklich bedeutenden Exem-
plare längst in festen Händen befinden.
Leider macht sich aber auch aus dem
vorliegenden Gebiete der antiquarische
Geschmack in unliebsamer Weise be-
merkbar. „Alt" und „schön" werden
geradezu für identisch gehalten und
mit wahrer Lust werden Antiquitäten
angekauft, die kaum Jemand ansehen
würde, wenn ihnen nicht das Schlag-
wort „alt" Ansehen und Bedeutung
verliehe. Durch diese blinde Bewun-
derung aller Leistungen der Vergangen-
heit, die übrigens auch eine ausge-
breitete Fälschung von Antiquitäten
erzeugt hat, wird dem redlich schaf-
fenden Kunstgewerbe so mancher Ver-
dienst entzogen, welcher dazu beitragen würde, die Schaffenskraft
stets neu zu beleben und das deutsche Kunstgewerbe zu immer
höherer Blüthe zu bringen. Gegen diesen Antiquitäten-Humbug
mit allen Kräften anzukämpfen, ist daher eine Pflicht, deren sich
kein Förderer des modernen Kunstgewerbes entziehen sollte. —

wmw's

Plauderei über Innen-Dekoration y^n Aarl Statsmann. ,Schluß von s. 3s.i

Ischen und Abeckungen, Treppchen und Estraden, Holz-
werk an Panneelen, Decken, geschnitzte Pfosten — all
das zeigt, daß die Wohnung mit Lust und Liebe
ersonnen ist. An Stelle der sonst üblichen weißen Häkelarbeiten,
bemerkt man auf Tischen, Divans und Betten vielfach Sammte
mit Stickereien, auch orientalische Stoffe. An geeigneten Stellen
sind farbige Glasfenster verwendet mit ornamentalen: und figür-
lichem Schmucke, Symbolen und Sprüchen, welche zum Eigen-
thümer Bezug haben.

Bruno ist ebensowenig als Hertha einziger Nutznießer seines
Heims. Er freut sich vielmehr, wenn dasselbe auch Andere
erfreut, und so hat es nicht allein todten Selbstzweck. Mit Vor-
liebe versammelt Bruno seine wenigen Freunde zu gemüthlichen
musikalischen Abenden oder Tischstunden, und da kommt die
Traulichkeit seines Heims so recht zur Geltung. Da thut der
Hausherr seine Truhen und Schränke, die reiche Bibliothek, die
Kupferstichsammlung, auf, da thut er auch sein Herz auf und
erzählt von seinen Meerfahrten und seinen indischen Kostbarkeiten.

Und Frau Hertha? Sie nimmt den innigsten Antheil an
dem Wirken ihres Gemahls, sie sucht ihm seine Schätze zu
erhalten, lebt und strebt mit ihm in allem Schönen und bereitet
Bruno einen geeigneten Boden für seine Arbeiten. Ihre eigenen

Arbeiten haben in der Person des Gemahls und seiner, ihrer Rinder
den rechten Mittelpunkt und erhalten dadurch Weihe und Rraft.

Bruno's Bureau befindet sich in einer am Iurabache ge-
legenen Fabrik, deren Theilhaber er ist, am anderen Ende des Dorfes.

So weit sollte man's bringen, dachte ich bei mir, als ich
nach Schließen der Eingangspforte des Gartens das trauliche
Anwesen verließ und einen letzten Blick nach dem thurmgeschmückten,
einfachen Hause warf, daß man solch ein selbsterdachtes Heim
sein eigen nennt, das man mit seiner Hände und seines Geistes
Arbeit verdient, in das man nach des Tages Mühen zur Er-
holung einkehrt, ein Heim, das ferne liegt vom Markte des
Lebens, unter friedlichen Menschen, in blumigem Thale, nicht zu
ferne einer großen Stadt, und in welchem die Angehörigen gesund
und kräftig erwachsen, genährt von herrlichster Luft, erzogen in
der das Herz erfrischenden und das Gemüth bildenden Umgebung.

Wie viele unter uns könnten doch bei behaglicher, einfacher
Einrichtung ihres Lebens und Heims, wenn sie auch weniger
begütert sind, in der Ländlichkeit vor oder nahe der Stadt sich
ansiedeln. Ein kleines, bescheidenes Gütchen wäre Manchem
unschwer erschwinglich, wenn er es über sich brächte, bescheiden
für sich zu leben, entbunden gesellschaftlicher Ansprüche und
Verpflichtungen.

Aber hierzu fehlt oft das Talent — nein das Genie. Wie
sagt doch Rosegger?

„Die einfachsten Dinge fallen dem Talente nicht ein, bloß
dem Genie!"
 
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