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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Die kommenden Tapeten-Muster
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Leite 80.

Zllustr. kun stgewerbl. Zeitschrift für Z nnen-Dekoration.

Mai-Heft.

ganzer Reinheit und Strenge
und selbstverständlich nur
in den Fabriken mit vor-
nehmer Rundschaft, denn für
die Allgemeinheit hat diese
Richtung noch keinerlei Be-
deutung und wird sie so
leicht — man möchte fast sa-
gen: leider—nicht erhalten.

Wenn aber auch der
„englische Stil", selbst in
seinen für Deutschland mund-
gerechten Nachahmungen, in
der nächsten Saison kein
größeres Publikum finden
dürfte, so wird sich doch
sein Einfluß auf die Be-
handlung unserer Tapeten
überhaupt, besonders in
koloristischer Hinsicht,
als ganz bedeutend
heraus st eilen. Wir sind
überzeugt, daß das echt
künstlerischeprinzip derEng-
länder: hell und doch farbig
zu tönen, frische, nicht stumpfe
Farben, wenn auch harmo-
nisch gestimmte, anzuwenden,
vor Allem aber: einen
Lokalton festzuhalten
— immer mehr und mehr
Nachahmung finden wird,
wie es zum Theil bereits
die letzten deutschen Muster-
karten wesentlich su. günstig)
beeinflußt hat. Das Fest-
halten eines Lokaltons frei-
lich, diese koloristisch wich-
tigste Eigenschaft der eng-
lischen Tapeten, die zur Folge
hat, daß dieselben, sie mögen
noch so interessante Formen
und Farben-Nuancen auf-
weisen, stets in einen vollen
Farbenton ausklingen —
also stets einen tiefen, ge-
sättigten, farbenfreudigen
Hintergrund abgeben — das
ist bisher in unseren Mustern
nur ganz vereinzelt durch-
geführt worden. Die meist-
beliebte Art zu koloriren in
Deutschland basirt geradezu
auf dem entgegengesetzten
Prinzip: der Tapete keine
ausgesprochene Farbe zu
geben, d. h. die Farben mehr
oder weniger harmonisch so
durcheinander zu verarbeiten,
daß sie als Gesammtstim-
mung ein trübes Graubraun
ergeben, wodurch sie aller-
dings zu jedem Mobiliar
passen und also bequem zu
verwenden sind, aber auch


-

Speisr-Zimmer-Dekor in Linkrusta-Watton-Taprtr.

farblos und eintönig wirken.
— Auch die breite, große
Behandlung der englischen
Muster dürfte schon in der
kommenden Nusterkarte ihre
Einwirkung auf die deutsche
Produktion erweisen — zum
Bortheil des guten Ge-
schmacks, wie wir glauben.
Denn leider kann nicht ge-
leugnet werden, daß das
deutsche Publikum im All-
gemeinen Neigung für eine
kleinliche Formengebung
zeigt. Mäßig große Muster,
mit sehr verarbeiteten For-
men, die niedliche, zierliche
Details aufweisen — in der
Hand ganz allerliebst, an
der Wand fast gar nicht
oder unruhig wirkend — das
ist so was der Durchschnitts-
Gebildete bei uns für die
Bekleidung seiner Zimmer-
wände bevorzugt. Und so
lange dieser frauenzimmer-
licheGeschmack derDeutschen
keinen Wandel erleidet, darf
es dem Fabrikanten nicht
verdacht werden, wenn er
mit Zagen an den Erwerb
und die Fabrikation künstle-
rischer Muster geht. Nach
und nach vielleicht, jeden-
falls aber nur sehr langsam,
kann dem Deutschen die
Freude an größeren, dem
Rarakter der Zimmerwand
entsprechenden Wirkungen
beigebracht werden und die
Fabrikanten, die auf eine
derartige allmälige Heran-
bildung des Publikums in
ihren Mustern Rücksicht neh-
men, machen sich verdienter
um den allgemeinen Ge-
schmack als die Stürmer
und Dränger, die ein tief-
eingewurzeltes Vorurtheil
mit Gewalt beseitigen zu
können glauben.

Eine Aufbesserung der
Geschmacksbildung unseres
Publikums würde eine Ver-
edelung der Mode sicher zur
Folge haben. Denn erst
dann, wenn das Publikum
Aunstverständniß zeigt, wird
es den Vorschlägen kunstver-
ständiger Händler,Tapezierer
u.Dekoratöre zugänglich sein,
oder wenn diese drei Rate-
gorien ihm Unkünstlerisches
ausnöthigen wollen, solches
zurückweisen. (Schluß im 2.s°g-n,>
 
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