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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 6.1895

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Schliepmann, Hans: Deutsche Meister des Kunstgewerbes, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6759#0174

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Leite s30.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

August-Heft.

läge II geben gute Beispiele der Behandlung der Wand als einer
einzigen unbegrenzten Fläche, die ihr Ende nur scheinbar zufällig
findet; nur sind, um auch hier den technischen Ursprung der
Tapeten deutlich mitsprechen zu lassen, die einzelnen für sich
gearbeiteten Bahnen und Stücke deutlich als solche gekennzeichnet.
Bei der Tapete für den Reichstag in Abbildung Nr. s82 ist gar
die allmähliche Abtönung des Grundtones auf den besonderen
Wunsch Wallots auf den einzelnen Bahnen verschieden erfolgt,
so daß Helles und Dunkles oft zusammenstößt, wodurch die Ge-
sammtwirkung etwas Belebtes, etwas Schillerndes erhält. Weiter
gibt Abbildung Nr. s77 einen Hllafond mit deutlicher Trennung
seiner Bestandtheile durch breite Näthe, Abbildung Nr. s73 am
selben Gegenstand die
Durchführung eines zen-
tralen Musters bei voller
Berücksichtigung der
Kassettirungin derKom-
position. Zn den Abbil-
dungen Nr. l7s u. Bei-
lage I, die einen Haupt-
raum in der kgl. baye-
rischen Gesandtschaft zu
Berlin, wohl einen der
schönsten Znnenräume,
die in letzter Zeit dekorirt
sind, darstellen, sieht man
dis volle Anbequemung
an das architektonische
Gerüst der Wände. Die
Tapeten werden hier
auf den breiten Wand-
flächen zu weiteren Rah-
men um den feststehen-
den, werthvollen, alten
Bilderschmuck, zu aus-
drucksvollen Gesims-
stücken über den Thüren.

Auf Abbildung Nr. s83
endlich erhältdieTapete
über dem hohen Getäfel
den Karakter des Frieses,
dessen Ornamentation
dementsprechend eine
seitliche Entwickelung
genommen hat.

Nächst diesen grö-
ßeren Arbeiten findet
das Leder seine reichste
Verwendung im kleine-
ren Hausrath und jenen
mannigfachen kleinen
Bedürfnissen, die erst ein
gesteigertes Kultur- und Luxusleben erzeugt. Die Abbildung Nr. s88
gibt hier eine kleine, wenn auch lückenhafte Auswahl. Am wich-
tigsten unter ihnen erscheint der Bucheinband. Die moderne Spezialität
ist hier das Album und die Adresse, die man zu schmücken sich schon
recht lange für gebunden gehalten hat, wenn auch hier meist der
Wille gut, die Thal aber schwach war. Hulbe hat auch hier im
Anschluß an alte Vorbilder die würdige Form zu finden gewußt.
Seine Adressen sind oft seine besten Leistungen und haben sich
daher eine große Beliebtheit zu erwerben gewußt, so daß in
Deutschland kaum ein wichtiger Gedenktag vorübergeht, für den
er nicht zu thun bekäme. Diese Adressen haben aber auch oft genug
seinen Namen und seine Werke dem Auslande bekannt gemacht.

Für die Dekoration der Flächen aller dieser Gegenstände nimmt

Hulbe nun mit Hinzufügung seines Eigenen das Gute, wo er es
findet; er hat sich an keinen einzelnen Stil gebunden, und so schließ-
lich den ganzen künstlerischen Entwickelungsgang unseres Jahr-
hunderts, den Klassizismus allein ausgenommen, in seinen Arbeiten
durchgemacht resp. nachgeholt. Die ernste Gothik, die formenschöne
Renaissance, das wuchtige Barock und das leichte Rokoko haben
bei ihm Verwendung gefunden und jedes an der richtigen Stelle
seinen Platz erhalten. Das Hamburger Museum für Kunst und
Gewerbe, mit dem Hulbe erfreulicher Weise immer in Berührung
geblieben ist, war ihm hierfür und ist ihm noch heute eine unerschöpf-
liche Fundgrube. Aus dem Reichthum der Gegenstände und dem
Schatze der Ornamentstiche nimmt er einen großen Theil seiner

Anregungen. Die alten
Lederarbeiten konnten
ihm hierfür natürlich
Anfangs das Meiste
bieten. Aber auch die
Dekorationsweise der
Gegenstände aus ande-
rem Material wußte er
sich dienstbar zu machen.
Gelegentlich finden sich
deutlich erkennbare Zmi-
tationen der Kerb-
schnitzereien, der alten
lokalen Kunst in Ham-
burgs weiterer Umge-
bung, mehrfach auch,
namentlich für die Ta-
peten die Uebertragung
der Stoffmuster, die sich
hierfür als besonders
geeignet erwiesen haben,
in jüngster Zeit die
Nachahmung der fran-
zösischen plaquetten und
Medaillen, für die Ham-
burg ja die wichtigste
und wohl auch zugleich
zeitlich erste Sammel-
stelle geworden ist.

Die Benutzung dieser
Motive geschieht in der
Regel in freierer und er-
weiterter Form. Aus
Abbildg. Nr. s7H findet
man eine gothische
Truhe, die sich in ihrer
strengen, herben Stilisi-
rung enger als gewöhn-
lich an bestimmte alte
Vorbilder anlehnt, auf
Abbildung Nr. s75 eine solche mit einem flandrischen Füllungs-
ornament, das direkt einem alten Vorbild entnommen sein dürfte.
Die Wand-Tapete der Wohnstube auf Abbildung Nr. s86 geht
unmittelbar auf das Granatapfelmotiv der alten Gewebe in seiner
schräg aufsteigenden Form zurück, wie es vor Allem in Flandern
im s5. Jahrhundert üblich gewesen zu sein scheint, die Tapete
für den Reichstag, Abbildung Nr. s82, zeigt das Spitzovale
bildende Bandgeschlängel des s6. Jahrhunderts, in das an die
Stelle einer Vase oder dergl. der Reichsadler gesetzt ist. Sonst
aber wird man oft genug mehr von Ornamenten im Sinne
dieses oder jenes Stiles, als von den Ornamenten in diesem Stile
selber sprechen müssen. Hulbe kann hierin für Viele ein Vorbild
vorstellen, wie man den alten Stilarten gegenüber sich zu verhalten
 
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