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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Pariser Diners
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0032

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Januar-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Teile f5.

Laterne im Innern verwandt oder auch das für Damentoiletten »och immer
nicht als vorteilhaft geltende elektrische Licht, das theils am Plafond
angebracht ist, theils sich in allerliebsten kleinen Lämpchen befindet, die zugleich
Tischornamente bilden.

Die Bedienung wird von einem Msatrs ck'üötsl geleitet, der die Speisen
vorschneidet und sie von den Lakaien serviren läßt. Er ist bei größeren Diners
stets im Frack, die Diener in Kniehosen, Strümpfen und Schuhen mit Silber-
schnallen. Gepuderte Haare oder Pcrrücken sind fast ganz aus der Mode
gekommen. Der Dienst ä 1a trauyaiss d. h. die Aufstellung der großen
Fleischmengen, des riesigen Fisches oder der kunstreich aufgebauten ^sxivs
vor dem Zerschneiden gilt ebenfalls für veraltet. Der gewöhnliche Tischwein
vi.ii orciinairs wird in Aaraffen auf den Tisch gesetzt, sodaß jeder Herr eine
vor sich hat und seine Dame bedienen kann, die seinen Weine, die bei
jedem Gange wechseln, werden von dem oder den Naitrss ä'üötsl ange-
kündigt und in die verschiedenen Gläser (gewöhnlich 5 mit dem für
Thampagner) gefüllt.

In weniger großen Speisesälen ist die Einrichtung etwas anders.
Dieselben pflegen nicht so sehr viel länger als breit zu sein, sind ein wenig
dunkel gehalten mit bunten Fensterscheiben und Glasmalereien, zu denen
das deutsche Mittelalter die meisten Motive liefert. Dunkle eichengetäfelte
Wände mit großen Bildern, die Stillleben, Jagden oder Früchte darstellen.

Mn unseren -DUustrai innen.

-FL^Micht die Kleider der Menschen allein sind der Mode unterworfen, auch
ihre Gesichter uud ihre Haltung. Und nicht blos die wirklichen lebenden
Menschen machen solche Modewandlungen durch, — selbst die allegorischen
Gestalten, die der Mensch nach unserem Bilde schafft zeigen sich ihr unterthan.
Da schaut uns mit unschuldig fragendem Blick ein liebes halbwüchsiges
Mädchen an, der schlanke Vberkörxer ist lässig zusammengesunken — um sie
her sproßt uud grünt es; Eiche und Myrthe recken ihre dichtbelaubten Zweige
zum Himmel, aus dem blumigen Grund erhebt sich die kraftvolle Blüthe der
Sonnenblume. — Das „Jungferchen im Grünen" aber, das in all der
Sommerpracht so traumverloren vor sich hinschaut — es ist „die Kunst", wie
uns die Aufschrift aus dem Blatt in ihrer Hand belehrt. Willkommen dem
neuen Titelbilde, mit welchem Meister Gagel unsere Zeitschrift geschmückt
hat! Ls ist eine Schöpfung aus dem vollen, dabei eine ganz moderne
Schöpfung. Freilich, unsere Väter, die an das Pathos des „großen Stils"
gewöhnt waren, die sich unter der Kunst ein königlich schreitendes Weib
vorstellten, wie beispielsweise Haenel sie gebildet, sie würden diese Mädchen-
gestalt kaum als Verkörperung der gelten lassen. Uns scheint das

reizvoll-unbewußte dieses Bildes in glücklicher Weise das anszusprcchen, was

Abbildung Nummer 28H. lvand eines Trink-Zimmers. Entwurf von Karl Pfeiffer.

In solche Speisesäle gehört der runde Tisch, die Büffets für das Geschirr,
der große Glaskasten für das Silber. Das Tafelservice ist dort gewöhnlich
aus englischem Fayence, für das Dessert wird chinesisches Porzellan oder
kleine Teller mit Miniaturwappen oder Monogramme verwendet.

Einer der schönsten Speiscsäle Frankreichs ist der im Schlosse Lhantilly
bei Paris, dem Herzog von Aumale gehörig, der dieses herrliche Besitzthum
den q,o Unsterblichen (er ist Mitglied der Akademie) vermacht hat. Ein
monumentaler Kamin schmückt diesen die gewöhnlichen Dimensionen eines
Speisezimmers weit überschreitenden Saal. Derselbe wird durch enorme
Gasfackcln von je 2S Eentimeter Länge erleuchtet, die ein Sklave — eine
wundervolle Bronze — im Arme trägt. Lin herrliches Bild von Paul Laudry,
feinen Neffen, den Herzog von Ehartres als „Ganlois" in der Mitte von
Galliern und Leiten darstellend, schmückt die eine Wand, die anderen bedecken
Gemälde, die Hirschjagden und ähnliche Vorwürfe behandeln. Das Silber-
geschirr, von welchem gespeist wird, ist von außerordentlicher Pracht, hinter
jedem Stuhle steht ein Lakai.

Silbergeschirr findet überhaupt noch sehr viel Verwendung — bei der
Prinzeß von Sagau wird bei großen Festlichkeiten, bei denen bis zu ;oc>
am Diuer theilnehmen, von vergoldeten Tellern (Vsrnasil) gespeist — doch
hat man auch solches aus kostbarem alten Porzellan mit großen Lhiffern
oder Wappen. —

wir in der Kunst so sehnlich wünschen und doch so oft vermissen. Die
Naivetät, den ungewollten Reiz. Aber wir wollen in das hübsche Bild, das
uns von nun ab allmonatlich auf dem Deckel der Zeitschrift für Innen-
Dekoration begrüßen wird, nichts Hineingeheimnissen: freuen wir uns des
glücklichen Griffes und der gewissenhaften Zeichnung des Meisters, der seine
Phantasie so liebenswürdig mit dem strengen Studium nach dem Leben zu
verschmelzen weiß. Wie reich diese Phantasie ist, zeigen uns zwei Fries-
kompositionen desselben Künstlers (Abbildung Nr. 27H n. 275), denen
als Motive das Wasser und die Jagd zu Grunde gelegt sind. Wo hört
die Natur auf und wo fängt das Grnament au? Wenn wir diese Frage
bei den Schöpfungen unserer modernen Mrnamentisten nur recht oft aufwerfen
könnten! Kann man die schäumende Welle, oder das Waldesdickicht einfacher,
wir möchten sagen in Lapidarschrift ausdrücken, als es hier geschehen ist?
Einerlei ob der Künstler die „dlrrü aiici rvIiits">Kompositionen der Engländer
studirt hat, oder ob er direkt bei den alten Holzschnittdrucken der Japaner in
die Schule gegangen ist, die von den richtig vcrtheilten schwarzen Flecken einen so
wundervollen Gebrauch zu machen verstehen — vor Allem zeigt uns jeder Strich
die Hand des Künstlers, einer originellen, in sich geschlossenen Persönlichkeit.

Ans allen Kompositionen, welche in der vorliegenden Nenjahrsnnmmer
vertreten sind, tritt uns als Grundzug entgegen: das ehrliche Streben, ans
den ausgefahrenen Geleisen der Tradition heranszukommcn — an Stelle
der Anlehnung an tausendfach nachgeahmte Muster jene künstlerische lieber-
 
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