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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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T. W. B.: Ein Englischer Musterzeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0048

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Februar-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 29.

Min englische^ "Musterzeichner.

or kurzer Zeit kam uns ein englischer Katalog über
Tapeten und Friese in die Hand. An den Mustern
-rZ frappirte uns besonders die Originalität und wir beglück-
wünschten uns, einen neuen Zeichner entdeckt zu haben. Indessen
damit befanden wir uns im Irrthum: Mr. Arthur Gwatkin, der
Gegenstand unserer Aufmerksamkeit, ist — wie wir bedeutet wurden
— schon seit einer Reihe von Jahren als Zeichner und Kolorist
in die Deffentlichkeit getreten und hat beispielsweise die letzten
fünf Jahren regelmäßig Entwürfe zu Friesen in der Königlichen
Akademie ausgestellt. Es könnte danach verwunderlich erscheinen,
daß wir bisher nichts von Gwatkin gehört und seine Werke nicht
zu Gesicht bekommen hatten. Aber die Erklärung hierfür findet
in der Eigen-
art seiner For-
mengebung,die
ihm zunächst
nur einen klei-
nen Kreis von
Bewunderern
verschaffte, der
aber fort und
fort zuzuneh-
men scheint,
obwohl der
Künstler jede
Reklame ver-
schmäht, bis
auf die einch
denErfolg, den
seine Tapeten

und Friese bei ihrer Anwendung finden. Gwatkin ist eine gute
Illustration des Sprüchwortes: Der Künstler wird geboren, nicht
erzogen, wenn es nach ihm gegangen wäre, würde er Arzt
geworden sein; Umstände verhinderten glücklicherweise die Aus-
führung dieses seines Herzenswunsches.

Wir erfahren, daß Gwatkin keine künstlerische Erziehung
genossen, insofern, als er nie eine Kunstschule besucht und nie
unter einem anderen Meister als dem Meister aller Meister, der
Erfahrung, gearbeitet hat. Als Theilhaber eines Dekorations-
Geschäfts erkannte er, wie schwer es ist, eine Tapete zu erlangen,
deren Muster frei erfunden und nicht kopirt ist. Fast alle soge-
nannten Musterzeichner schufen Muster gleichen Gepräges, d. h.
sie schöpften sämmtlich aus derselben Quelle — der Textilsammlung
des South-Kensington-Museums. Es ist ja allgemein bekannt,
daß, sowie eine Neuerwerbung dort ausgestellt wird, sie, wenn
sie kopirbar ist, einer kleinen Armee von Nachahmern zum Opfer
fällt. Dann geht ein wettjagen an vom Museum zum Fabri-
kanten und — den Letzten holt der Leibhaftige!

Nun ist gegen die verständige Benützung eines guten alten
Motivs nichts einzuwenden. Aber nicht streng genug kann das
mechanische Uebertragen eines Musters auf völlig andere Technik
verurtheilt werden, wer freilich nichts zu erfinden vermag, der

Abbildung Nummer 2y;. Tapeten-Norde

gehe nach South-Kensington oder sonstwohin, wo gute Werke
ausgestellt sind und suche sich da zu inspiriren.

Gwatkin wurde sich der Schwierigkeit, das Richtige für den
rechten Platz zu bekommen, so sehr bewußt, daß er anfing, selbst
Muster zu erfinden. Ohne sich an die alten Stilgesetze zu binden,
ging er einfach der Natur nach und schuf, nur mit der Erfahrung
und der Kenntniß dessen, was noth that, ausgerüstet, eine Anzahl
Tapetenmuster, zunächst mehr in der Absicht, dieselben für seine
eigenen Dekorationszwecke zu benützen. Diese Muster, obwohl
seine Erstlingswerke, haben als höchst wirkungsvolle Wandbeklei-
dungen einen bedeutenden Absatz gesunden.

Noch eine andere Eigenschaft, nicht minder hervorragend wie
ihre Formengebung, zeichnet die Muster Gwatkins aus: das ist
ihr leuchtendes und originelles Kolorit. Biele seiner Kolorits sind

geradezu von
ihm erfunden,
nachgeahmt
seitdem als er-
folgreich , in
Wahrheit aber
von ihm her-
rührend. Und
wie wichtig ist
ein gutes Ko-
lorit, fast wich-
tiger als die
Zeichnung.
Manches gute
Bild, das vor-
trefflich gezeich-

päonien-Fries. von Arthur Gwatkin. findet in-

folge schlechten

Kolorits keinen Anklang. Andererseits, wie oft übersieht man
das Schlechte einer Zeichnung über eine glückliche Farbe. Der
Kolorist, der nach alter Schablone schafft, wird bald monoton
und gerade hier kam Gwatkin sein Freisein von allem Hergebrachten
gut zu statten. Jeder, der mit der Herstellung von Tapeten
betraut ist, weiß, wie leicht man in die alten hergebrachten Kolorits
zu gerathen pflegt und daß es erneuter Anregung bedarf, um
einen frischen Geist in die Sache zu bringen. Das Koloriren so
auszuüben, daß die Fabrik einen wahrhaften Erfolg davon hat,
dazu muß Liner tüchtig dahinter her sein. Nun Gwatkin war
tüchtig dahinter her und verstand seinen Anschauungen Ausdruck
zu geben, freilich nicht immer unter strikter Einhaltung der richtigen
Kolorit-Regeln. Doch wer wird nicht gern einen Mißgriff ver-
geben, der bei guter Absicht begangen worden ist. Gwatkins
Verfahren, seine Friese herzustellen, wirkte damals wie eine Offen-
barung. Er hat eine ganz neue Art der Schablonirung erfunden.
Der Ausdruck Schablonirung kann leicht ein schlechtes Vorurtheil
erwecken: versteht man doch im Allgemeinen eine rein mechanische
Thätigkeit darunter. „Eine Schablone muß ihre ,Verbindungs-
stücke* haben" und so sorgfältig diese angebracht sein mögen, so
treten sie doch leicht störend hervor, oft genug die Zeichnung
beeinträchtigend. Bei Gwatkins Methode ist von Verbindungs-
 
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