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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Hagen, Luise: Plauderei über Inschrift und Sinnspruch in der Dekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0228

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Seite (70.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Oktober-Heft.

es wohl möglich, daß ein Mensch ein trotziges Psalmwort, eine
jubelnde Verheißung des Neuen Testamentes aufgreift und für
sich selbst zum Denkmal festnagelt, um die Erinnerung an eine
Wahrheit, die ihm zum eigensten innersten Erlebniß geworden
ist, sich immer frisch im Gedächtniß zu halten. Selten aber wird
sich ein Mensch, der solche Tiefen des Lebens ausgemessen hat,
entschließen, dies sein Bestes dem Alltagsverkehr und der Banalität
des Daseins preiszugeben. Nur etwa im Schlafzimmer oder sonst
einem Raum, der Eigenthum des Einzigen bleibt, ist das Anbringen
einer solchen Inschrift psychologisch glaubhaft und berechtigt.
Das Sprüchwort empfiehlt sich nicht zur Verwendung als Sinn-
spruch, weil es,
gleich dem di-
daktischen Bi-
belspruch, die
Gefahr des
Gleichgültig-
machens in sich
trägt. Es ist
auch seiner Na-
tur nach für die
dekorative Be-
handlung un-
geeignet, denn
alles Lehrhafte
trägt in sich
die Forderung
absolut klarer
Darstellung.
DerSinnspruch
aber, der als
Zierrath in die
Ornamentik
unserer Wände
verarbeitet
werden soll,
muß sich unter
Umständen ge-
fallen lassen,
auf Rosten der
Deutlichkeit
ornamental be-
handelt zu wer-
den. Aus die-
sem Grunde
wird man den
Inhalt der
Sinnsprüchezu-
meist von Dich-
tern entlehnen
müssen, ohne
daß sie deshalb
unbedingt ge-
reimt zu sein brauchen. Die Stoffsammlung des Berliner Runst-
gewerbemuseums bietet eine Reihe vorzüglicher Beispiele davon,
wie man den Text ornamental verschleiern kann, ohne die einzelnen
Buchstaben unkenntlich zu machen. Der Sinnspruch soll suggestiv
wirken; er wird auch seine fesselnde Rraft länger behalten, wenn
er nicht als etwas von der übrigen Dekoration Unabhängiges
ins Auge fällt.

Soll der Sinnspruch mit der Dekoration organisch verbunden
sein, so darf man fordern, daß eine gewisse symbolische Beziehung
zwischen ihm und dem Ornament hergestellt werde, mit welchem
er verflochten wird. Wir haben uns gewöhnt, die Romantik der
Blumensprache zu belächeln und doch kann unsere ganze moderne

Ornamentik nur Leben wieder gewinnen, wenn wir aufhören,
jedes naturalistische Motiv zu verwenden, ohne eine Beziehung
zwischen ihm und seiner Umgebung herzustellen. Was aber haben
Mohnblumen mit irgend einem beliebigen Bibelspruch zu thun?
Sie müssen besonders leicht zu malen sein, denn die Liebhaber-
künstlerinnen bringen sie an, wo sie nur immer können; im
Uebrigen gelten sie als Symbol des Schlafes oder der Flatter-
haftigkeit; sie würden also nur zu einer beschränkten Anzahl von
Bibelsprüchen in Beziehung gebracht werden können.

Es läßt sich darüber streiten, ob der Sinnspruch in jedem
Wohnraum Berechtigung hat. Im Sinne des modernen Empfin-
dens eignet er sich am besten für Hausflur und Eßzimmer. Er
wird sich dem Rarakter der Dekorationen, die wir in diesen
Räumen anzubringen gewohnt sind, am leichtesten anbequemen.
Für Hausflure besonders erscheint auch die Form des Wandbrettes
berechtigt. Allerdings dürfte zumeist die Größe der Buchstaben,
die unsere Liebhaberinnen zu verwenden pflegen, für diesen Zweck
zu klein sein, denn das Wandbrett wird am vortheilhaftesten als
Füllung über einer Thür oder sonst in einer Weise angebracht,
die es eingefügt, anderen Gegenständen angegliedert erscheinen läßt.

Ein hübsches Beispiel von Uebereinstimmung von Text und
Ornament beim Sinnspruch bot unlängst eine englische Zeitschrift
ihren Lesern. Eine gestickte Wand-Dekoration zeigte neben einem
Schiffe und den verschlungenen Zweigen einer Heckenrose folgende
Inschrift:

I'ssl toll, pkLos-atrsr storwy I-SLS

äes-tü g,Ltsr lits äostll Krskckly plsass.

(Nach INühe Rast, nach wilden Stürmen Frieden

Auf Leben Tod ist Glücklichen beschielten.)

Die Buchstaben waren alle von gleicher Höhe und die Vertheilung
des Textes so unregelmäßig, daß in der Entfernung eine rein
ornamentale Wirkung zu Stande kam. Es dürfte nicht Jeder-
manns Ding sein, einen Sinnspruch so ernsten Inhaltes in einem
Gesellschaftsraum anzubringen, an diesem Beispiel aber zeigt sich,
wie sehr der Sinnspruch eine Handhabe bietet, dem Wohnraum
ein individuelles, vom Geiste seines Bewohners beherrschtes
Gepräge zu geben.

Was sich in Bezug auf einfache Inschriften erreichen läßt,
zeigt ein Arzneischränkchen in derselben Zeitschrift. Gerade ein
solches Schränkchen läßt unbedingt die Forderung nach einer
Inhaltsangabe geltend werden. So ist denn die Thür mit allerlei
Rräuterwerk verziert, zwischen welchen ein wunderlicher Rauz
Auslese hält. Oben und unten am Thürrahmen findet sich die
Inschrift: OL suoli äotll tlls ^.potstsoury musts g. ooutootüov
auä ob bis ^vorlrs tzllors is uo su<1 (daraus macht der Apotheker
eine Abkochung und seiner Arbeit ist kein Ende) — offenbar ein
Zitat aus irgend einem alten Buche, das hier eine feine humo-
ristische Wirkung ausübt. Sollten wirklich die deutschen Frauen
und Runsthandwerker nicht Lebenslust genug besitzen, um ähnliche
heitere Wirkungen zu Stande zu bringen? Es wird ja nicht
verlangt, daß z. B. Wäschebänder symbolische Inschriften erhalten.
Für die Bereicherung unseres Familienlebens und zum Vortheil
des deutschen Runstgewerbes wäre es dringend zu wünschen, daß
der Unterschied zwischen Sinnspruch und Inschrift überall fest-
gehalten und daß ihre Behandlung immer eine dekorative, wo-
möglich eine ornamental sinnbildliche sei. —

Das prachtvolle Schwär? des Ebenholzes, welches
wir an Runsttischler-Arbeiten so bewundern, soll in einfachster
Weise dadurch nachgeahmt werden können, daß man die Ober-
fläche des Holzes (zweckmäßig verwendet man Birnbaum,
Pflaumenbaum oder Hainbuche) zunächst mit verdünnter Schwefel-
säure tränkt. Alsdann erhitzt man das Holz bis sich die gewünschte

eiNHeslelll (Mittheilung des jilatentbureau von Gtto Wolf in Dresden.)

Abbildung Nr.

Heizöffnungsgitter im Festsaal. — Geschmied. Bronze.

Entwurf: Baurath Hoffmann. — Ausf.: Schulz L Holdefleiß.
 
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