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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Schumann, Paul: Die Kunstgewerbliche Ausstellung in Dresden 1896, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0294

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Seile 226.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Dezember-!)eft.

^Mie kunstgewerblich^ Musstellung in "Mresden 1696.

von Or. Paul Schumann.

achdem wir die vollständigen Zimmer - Einrichtungen besprochen
haben, sind zunächst einige einzelne Möbelstücke zu erwähnen.
Die zunehmende Theuerung des Grund und Bodens, insbesondere
in Großstädten, bewirkt eine ebenso stetige Verkleinerung der Wohnungen
und damit das Bestreben, Möbel zu schaffen, die wenig Platz wegnehmen.
Hierzu eignen sich besonders Möbel, die nur zu bestimmten Stunden oder
Tagen, nicht aber dauernd gebraucht werden. Das Bett sollte nickt hierzu
gehören: die Gesundheitslehrer predigen mit Recht immer von Neuem, daß
gerade das größte Zimmer zum Schlafen genommen werden sollte. Sie
predigen aber tauben Ghren. Denn das größte Zimmer wird gemeinhin
zum überflüssigsten aller Räume, zum Salon gebraucht. Ebenso sollte man
nach den Lehren der Gesundheit das Bett den größten Theil des Tages
auslüften lassen, wenn man sich nicht
überhaupt an die viel bequemeren
Decken gewöhnen kann. Jndeß auch
davon ist nicht überall die Rede. Im
Gegeutheil, die Betten müssen oft
gleich früh so verhüllt werden, daß
man sie nicht als solche erkennt, weil
der betreffende Schlafraum zugleich als
Wohnraum dienen muß. Für solche
Zwecke sind bekanntlich allerhand Er-
finduugen gemacht worden. Die Bett-
schränke, oder richtiger Schrank-
betten, gehören nicht erst unserer Zeit
an; im Schlosse Moritzburg bei Dresden
steht ein alter Bettschrank aus dem
vorigen Jahrhundert, der offenbar nur
der Freude an der überraschenden Ver-
wandlung eines scheinbaren Schrankes
in ein Bett sein Dasein verdankt, vom
stilistischen Standpunkte ist mit solchen
Schrankbetten wenig anzufangen: ein
Schrank ist doch eben ein Schrank und
ein Bett ist ein Bett; der vernünftige
Mensch bekommt nach kurzer Zeit
einen Ekel an dem Attrapenmöbel,
und unpraktisch sind sie überdies, da
der Mechanismus meist nicht leicht zu
handhaben ist. Da sind die Sofabetten
bei weitem vorzuziehen: stilistisch ist
nichts gegen sie einzuwenden, denn
der Zweck beider ist ähnlich oder gleich,
und dazu sind sie bequemer zu hand-
haben. Das bequemste Bettsofa sahen
wir von Gtto Schubert, Dresden,
ausgestellt; mit drei leichten Hand-
griffen, nämlich durch vorklappen der
Rücklehne und Umklappen der Seiten-
lehnen ist das Sofa in ein Schlaflager
verwandelt; die schwächste Person kann
die Verwandlung vornehmen. Ebenso
praktisch sind die Klappbetten von
Beck L Holz in Dresden. Schondas
frühere Lnsenbach'sche Bett war sehr empfehlenswerth. In zusammen-
geklapptem Zustande glich es etwa einem breiten Bücherregal, das vorn mit
einer strasfgespannten Gardine auf einem Polster versehen ist. Will man
das Bett gebrauchen, so lüftet man die obere Klappe, auf die man übrigens
Gefäße, Bücher usw. stellen kann, ein wenig, klappt die links und rechts an
den äußersten Enden befindlichen ornamentirten Leisten auf und läßt das
Polster herunter, wobei zugleich die beiden Beine, auf denen das Bett steht,
frei werden. Aus dem Raume zwischen Wand und Matratze nimmt man
die Betten hervor. Dieses Ensenbach'sche Bett haben die Herren Beck L Holz
noch dadurch verbessert, daß das Fußende umgeklappt werden kann. Dadurch
wird das Bett in zusammengeklaxptem Zustande noch um ein Dritttheil
kürzer als im Gebrauchszustande. Wo der Raum beschränkt ist, kann dies
von Merth sein, namentlich für die Fremdenzimmer in Privatwohnungen,
für Pensionate, für einräumige Herrenwohnungen usw.

Auch die innere Ausstattung unserer Betten ist für unser Behagen von
großem Belang: ein angenehmes, weiches und elastisches Lager geben da
die Matratzen von Adolf Helm, Blasewitz, bei denen außer den Sprung-
federn noch Spiralfedern verwendet sind, mittelst deren die Gurte über den
Sprungfedern gespannt gehalten werden. — Manchen Aerger erregt in der

Wirthschaft die Schwere und Unhandlichkeit der großen Matratzen. Wenn
man die Matratze in drei Theile zerlegt, kann sie die Hausfrau ganz leicht
und bequem ohne andere Beihülfe aus dem Bette nehmen und wieder hinein-
legen. Auch lassen sich die einzelnen Stücke gegen einander austauschen, so
daß sich nicht ein Theil stärker als der andere abnützt. Aussteller dieser
praktischen getheilten Matratzen ist Tapezier F. G. Rettig, Dresden.

Praktisch ist ferner ein Patent-Tisch von P. H. Schaarschmidt in
Blasewitz. Dresden, dessen Tischkasten nach allen vier Seiten ausgezogen
werden kann, ein Bücherschrank mit mechanisch verstellbaren Büchertrage-
brettern von Ernst Leuthold, Dresden, zwei Spieltische von Fr. Anger-
mann in Dresden, die, nur durch Aufklappen der Platte, in ein Billard oder
ein Tischkegelspiel verwandelt werden können. Weiter interessirten uns die
selbstthätig sich verstellenden Lhaise-longues von Franz Lurth, Dresden,

und von demselben ein Sitz für einen
Eisenbahnwagen, der feststeht aber
ebenfalls selbstthätig verstellbar ist, so
daß man seinen Sitz oder seine Lage
im Wagen bei langer Fahrt nach
Belieben verändern kann. Dieser Sitz
könnte z. B. auch in einem Erker an-
gebracht werden.

Für ein gemüthliches und gesun-
des Heim ist weiter eine praktische
Einrichtung der Fenster von Werth.
Praktisch erscheinen da zunächst die
Rollladen mit drehbaren Stäben von
L. Wein hold in Dresden; derselbe
stellte zugleich den Zimmer-Ventila-
tionsapparat „Frische Luft" (D. R.-P.
von Gebr. Regner) aus: bei diesem
Apparat werden die oberen Fenster-
flügel durch einen leicht zu bewegenden
Metallstab nach innen geöffnet oder ge-
schlossen. Bei dem Wagnerschen Patent
(ausgestellt von Moritz Seifert,
Fensterrahmenfabrik,Dresden)geschieht
dasselbe durch ein halbes Zahnrad,
das in sinnreicher weise an dem Zug-
apparat angebracht ist. Der Luftrei-
niger von G. Sachse und G.Hoff-
richter, Kunstglaser in Dresden, be-
steht aus drehbaren Glasscheiben an
Metallfedern, die durch einen Zug an
der Leine die Luftlöcher in den festen
Scheiben schließen oder öffnen. Schließ-
lich können auch noch die sehr be-
quem zu handhabenden Rollläden der
Jalousienfabrik L. B. Kluge, Dres-
den, erwähnt werden. Zum Schmucke
der Fenster dient, wie bekannt, die
farbige Kunstverglasung und die Glas-
malerei. sowie das ebenso billige wie
für einen feineren Geschmack unerträg-
liche Surrogat der Diaphanien. Auf
dem Gebiete der Kunstverglasung sehen
wir auf der Dresdener Ausstellung zum ersten Male das amerikanische Gxales-
centglas, welches in hübschen Fensterverglasungen Sachse L Hoffrichter
und Gebr. Liebert verführen. Da wir über dieses neue Glas in einem beson-
deren Aufsatze berichteten, so genüge hier dieser Hinweis. Neben diesen
schimmernden Kunstverglasnngen nehmen sich die aus dem bekannten farbigen
Kathedralglas recht matt aus. Die eigentliche Glasmalerei ist auf der Dresdener
Ausstellung in ansprechender Weise vertreten durch den Glasmaler und Zeichner
Ludwig Godenschweg und Theodor Urban in Dresden, sowie durch
L. L. Türke, kgl. Hofglasmalerei in Zittau. Die letztgenannte Firma hat
ein sehr umfängliches Glasgemälde, darstellend die heil. Georg und Hubertus,
ausgestellt. Nach unserem Empfinden geht indeß hier die Annäherung an
die Gelmalerei zu weit. Man sollte doch nicht außer Augen lassen, daß es
sich bei der Glasmalerei um Flächendekoration handelt, daß also eine starke
Betonung der Tiefenxersxektive unstilistisch ist, umsomehr, als die technischen
Nothbehelfe der Glasmalerei, die Lleiränder usw. hierbei störend wirken,
was bei stilistisch richtigen Glasmalereien keineswegs der Fall ist.

Für den praktischen Gebrauch, wie für die Dekoration unseres Heimes
bietet die Keramik wichtige Hülfsmittel dar; sie ist in imponirender Weise
durch die kgl. Porzellan-Manufaktur in Meißen und durch die weltbekannte
 
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