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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Mühlke, C.: Das Kunstgewerbe auf der Schleswig-Hohlsteinischen Gewerbe-Ausstellung zu Kiel
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Schumann, Paul: Die Kunstgewerbliche Ausstellung in Dresden 1896, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0045

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Leite 26.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zanuar-Heft.

blauem Tuch bezogenen Lichenstühlen. ein Nippesschrank eines Tischlers
Koch aus Rellinghusen geben Jeugniß eines ernsten Strebens im Lande,
die alten, einfachen Formen einer guten Handwerkstechnik für die neueren
Zwecke und Bedürfnisse dnrchzubilden und umzuformen. Schnitzer aus kleinen
Städten und Dörfern erweisen durch ihre Arbeite», daß die Runst des Bild'
schnitzens im Lande noch nicht ganz erloschen ist. vielmehr bereits Reime
einer neuen Entwickelung emporsprossen.

Ebenso ist es erfreulich, daß in dem Lande, in welchem alte Rerbschnitz-
arbeiten noch in Menge vorhanden sind, diese Arbeiten des Hausfleißes in
der Jetztzeit wieder zu Ehren kommen. Die Handfertigkeitsschulen zu Husum,
Rendsburg, Wandsbeck. ploen u. a. haben eine reiche Sammlung von
Lampentellern. Rästchen. Spiegeln. Schränken. Bilderrahmen. Holzlöffeln und
anderen Gebrauchsgegenständen ausgestellt. Auch in den neueren Stücken der
Frauenausstellung spielt neben der Brandmalerei der Rerbschnitt eine Haupt-
rolle. Meistens ist allerdings der Rerbschnitt in weicherem Holze ausgeführt,
und sind die Schnittflächen nicht flach genug geneigt. Dadurch verlieren
diese Arbeiten im vergleich zu den besseren Rerbschnittstücken der alten Zeit
viel an Reiz. Dazu kommt, daß vielfach dieselben Muster und dieselben
Schnitte sich immer wiederholen, was darauf schließen läßt, daß diese Muster
zum größten Theil fabrikmäßig hergestellten Musterblättern entnommen sind.
Auch hier kann nur geholfen werden, wenn das geistlose Ropiren von
Schablonen unterbleibt, und der Rerbschnitzer sich bemüht, nach dem vor-
bilde guter alter Stücke selbst frei zu erfinden, außerdem lernt, neben dem
einfachen Rerbschnitt auch die Abarten, wie z. B. den Mandelschnitt zu üben
und sich bestrebt, von geometrischen Mustern zu anderen Mustern, zu vegeta-
bilischem Ranken- und Rosettenwerk überzugehen. Auch viele der ausgestellten
Brandmalereien verrathen durch die Unsicherheit der Ronturen, daß sie das
Werk von Dilettanten sind. Immerhin finden sich in der Frauenausstellung
mehrere Arbeiten, die von größter Sicherheit in der Beherrschung der Technik
Zeugniß geben, und bei denen der feste Strich der Schattirung und Ronturen
an alte Holzschnitte aus Dürer'scher Zeit erinnert.

Die auf den friesischen Inseln vereinzelt auch jetzt noch geübte Runst
des Silberfiligrans ist leider durch neuere Arbeiten aus der Ausstellung nicht
vertreten. Auch an guten Runstschmiedesachen ist mit Ausnahme von schönen
Nachbildungen mittelalterlicher Thürbeschläge eines Flensburger Meisters
und eines Thores von Scheel in Itzehoe wenig Bemerkenswerthes zu
erwähnen. Frische, flott getriebene Arbeiten in Rupfer und Silber hat
Liseleur Huwald ausgestellt.

Die alte Webetechnik friesischer Stuhlkissen wird noch in Langenhorn
in Nordfriesland geübt. Auch neuere Rnüpfarbeiten »ach violer Technik
sind vertreten, vor Allem aber find auf dem Gebiete der Webetechnik die

Leistungen der erst vor Kurzem in Scherrebeck. nördlich von Tondern. somit
nicht weit von der Landesgrenze errichteten Runstwebeschule. Tisch- und
Truhendecken. Risseubezüge und Wandbehänge nach Art persischer Relims.
jedoch ohne die durchbrochenen Stellen gewebt. Die Farbenskala besteht aus
wenigen ziemlich ungebrochenen leuchtenden Farben, weiß, roth. schwarz,
hellblau, hellbraun und grün. Die einfachen Flächenmuster zeigen entweder
eine geometrische Zeichnung oder stilisirte Pflanzen. Auf einer Decke, die
bezeichnet ist: ..Stille Fahrt", ist eine Landschaft dargestellt. Schiffe ziehen
über das blaue Meer, im Vordergründe erheben stilisirte Wasserpflanzen ihre
Blüthen. Manche der ausgestellten Stücke muthen uns noch etwas fremd-
artig an. Doch für die kurze Zeit der Wirkung der Schule kann man die-
selbe zu solchen Leistungen nur beglückwünschen und derselben gute Erfolge
prophezeien. Namentlich in der Sammlung der Frauenarbeiten findet man
sonst uoch viele Anzeichen, daß gute Hausfleißarbeiten wieder zu Ehren
kommen. So seien nur die Rnüpfarbeiten der Handfertigkeitsschule Plön
aus Hanfzwirn erwähnt. Teppiche nach Smyrner Art geknüpft, ein pracht-
volles in Holbeintechnik gesticktes Tischgedeck, das die Damen Riels ihrer
Majestät der Kaiserin gearbeitet haben. Webereien und Handstickereien nach
alten persischen Mustern, altdeutsche Rothstickereien, Hedeboarbeiten und
Kopien friesischer Muster der Frauengewerbeschule in Kiel und anderer Privat-
handarbeitsschulen. Unter den Frauenarbeiten trifft man auch manches an-
sprechendes Geräthestück, das von kunstverständiger Hand mit Malereien.
Stickereien oder Lederpunzarbeiten geschmückt ist. Ofenschirme. Wandschränkchen.
Truhen u. dergl. Schließlich seien noch die Naturstudien des Malers Martens
aus Kiel Hervorgeboben, welcher stilisirte Blumen. Rosen und Disteln für
Wand- und Decken-Dekorationen in reizvollster Weise entworfen hat.

So muß man denn anerkennen, daß in der Stille des Landes neben
den prunkenden Erzeugnissen einer modernen Maschinentechnik, ein frischer
Zug neuen Lebens im Runstgewerbe der Provinz zu spüren ist. daß neue
Reime einer echten Runst an Orten entstehen, wo in alter Zeit Runstzweige
geblüht haben, die fast vergessen und erstorben schienen. Aber dies sind doch
nur erste neue Triebe, die noch gehegt und gepflegt werden müssen, damit
das Unkraut sie nicht ersticke. Dazu gehört vor Allem, daß die guten Kunst-
gewerbearbeiten, welche selbstverständlich nicht zu denselben Schleuderpreisen
hergestellt werden können, wie die unechten Talmisachen einer Afterkunst, die
mit Maschinen und Surrogaten arbeitet, auch von der Masse wenigstens des
deutschen Mittelstandes gekauft werden. Man spöttelt vielfach über die neue
Mode, nach welcher unsere höheren Töchter nicht allein wie früher in Musik,
sondern jetzt auch als Dilettanten in bildender Runst arbeiten, vielleicht hat ein
solcher Dilettantismus wenigstens den vortheil. daß diese Dilettanten lernen,
den künstlerischen Werth einer guten Handarbeit zu beurtheilen und zu schätzen.

Kunstgewerblich^ Musstellung in ^Mresden 1696.

von Or. Paul Schumann. ^Schluß.)

wir weiter Umschau, was die Dresdener Ausstellung auf dem
Gebiete der Innen-Dekoration Beachtenswerthes bietet, so kommen
etwa noch Uhren und Erzeugnisse der Runstschlosserei in Betracht.
Thür- und Fenstervorhänge. Dekorationsstoffe und Teppiche sind, da sie nicht
handwerksmäßig hergestellt werden, überhaupt nicht selbstständig ausgestellt.
Hausuhren waren früher wohl mehr als jetzt in Gebrauch; wer erinnert sich
nicht aus seiner Rinderzeit mit Vergnügen an die hohe Standuhr, die bei den
Großeltern in der Wohnstube so gemüthlich ihr Tick-Tack machte. Das lange
Pendel hatte es so gar nicht eilig, uns den Gang der Zeit hörbar zu machen,
und der langsame tiefe Schlag der Glocke klang so ruhig und friedlich wie
die liebevollen Worte eines alten Freundes. Diese gemüthlichen Hausuhren,
die lange Zeit durch die raumsparenden Regulatoren verdrängt waren, haben
sich in den beiden letzten Jahrzehnten erfreulicher Weise wieder mehr und
mehr eingebürgert und tragen nicht wenig dazu bei. unsere Wohnung zu
einem Heim zu machen. Die von Robert Pleißner. Dresden, ausge-
stellten Hausuhren sind Glanzstücke ihrer Art. ganz besonders die von diesem
gelieferte Uhr. welche vom Architekten Haller in Hamburg für den Hauptsaal
des neuen Hamburger Rathhauses entworfen und in Dresden ausgeführt
worden ist. Die Uhr zeichnet sich durch ihre geschmackvolle äußere und
innere Anordnung aus; das Werk mit Schnecke und Rette schlägt die vier
viertel abwechselnd mit acht Glocken und fünf Gongtonfedern. Weiter sind
noch zwei sauber ausgeführte und gefällige Hausuhren ausgestellt, welche
nach jedem Vollschlag einen Lhoral spielen (das Spielwerk kann natürlich
auch abgestellt werden). Eine ähnliche recht ansprechende Hausuhr hat
Otto Schubert. Dresden, nach eigenem Entwurf ausgeführt und aus-
gestellt. (Manchen Leser wird es interessiren. zu wissen, daß man eine
hübsche, einfache Hausuhr bei pleißner schon für qe Mk. kaufen kann.)

Aus dem Gebiete der Runstschlosserei endlich ist mancherlei Gutes
zu verzeichnen. Die Kunstschmiede-Arbeiten sind für die Maschine nicht
erreichbar, denn sie werden durch Schmieden mit der Hand und in Gesenken
durch Treiben hergestellt, wobei das Hauptwerkzeug der Hammer ist. Somit ist

die Runstschlosserei wesentlich Handarbeit und das kommt namentlich ihrer künst-
lerischen Durchbildung zu Gute. Jeder Kunstschlosser, welcher guten Geschmack
und die technische Fertigkeit besitzt, kann auch ohne großes Kapital auf
dem Gebiele der Runstschlosserei Tüchtiges leisten und mit jedem Großbetrieb
in aussichtsoollen Wettbewerb treten. Die Runstschlosserei gehört aus diesen
Ursachen zu den wenigen handwerksmäßigen Betrieben, die in entschiedenem
Aufschwungs begriffen sind. Nöthig ist dabei nun einerseits, daß auch im
Publikum die Lust an künstlerisch durchgeführten Schmiedearbeiten wieder
oder noch mehr wachse. Denn leider ist. wie bekannt, in dem halben Jahr-
hundert. während dessen Runst und Handwerk getrennte Wege gingen, der
Geschmack des Publikums bedenklich gesunken. so daß man jetzt gemeinhin
billige, rein praktische Geräthe aus Eisen kauft, ohne auf den Reiz künstle-
rischer Ausführung zu achten. Nöthig wird aber andererseits auch sein, daß
die Kunstschlosser in der Freude an der steigenden technischen Fähigkeit nicht
in Künsteleien verfallen. Das geschieht leider nicht selten. So sieht man
z. B. Lampen. Leuchter. Tintenlöscher und andere Gegenstände, die sich nicht
bequem anfassen lassen oder bei denen Glas und Eisen nicht in organische
Verbindung und Harmonie gebracht sind. Ein Spiegel, über den eine Draht-
spinne ein Drahtnetz gesponnen hat. und ein Schlüsselaufhänger mit der
gleichen wunderlichen Dekoration find schlechtweg Verirrungen. Wer wird
denn Freude an häuslichem Geräthe haben, das mit Spinngeweben über-
zogen ist? Erfreuliche Werke der Runstschlosserei sind dagegen z. B. ein
großer Kronleuchter für elektrisches Licht von Böhme <k Hennen. Dresden,
ein paar blanker Leuchter guter Form und ein zierliches Schreibzeug in
Schwarzeisen von Th. Rellermann. ein paar schmiedeeiserner Uhren
nach Entwürfen des Architekten E. Fleischer und des Prof. Naumann von
H. Damme und eine hübsche Haustafel von L. Bergmann. Stattliche

erwähnt. Entwurf, Zeichnung und Farbenzusammenstellung dazu stammen von dem Architekten
für Zimmer-Einrichtungen Herrn Josef Feiler, s. Zt. in Dresden, Fürstenstraße, dessen Name
von der genannten Firma nicht angegeben war. —
 
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