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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Bredt, Ernst Wilhelm: Mehr Wahrheit und Persönlichkeit in Jedermanns Heim, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0024

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Januar-Heft.

111 ustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 11.

Mehr Wahrheit uNp Persönlichkeit iN jepermaNNs Heim.

Von Ernst W. Bredt.

II.

(Fortsetzung vonjSeite 7.)

Wir wollen uns jetzt den fremden Zeitgenossen zuwenden.
Drängt sich uns nicht da schon wieder ein Bedenken
auf? Ist nicht gerade manches fremde Vorbild unserer Kultur
und unserer Kunst eher schädlich als nützlich gewesen?
Ganz gewiss! Goethe sagt einmal in seinen Maximen und
Reflexionen: »Chinesische, indische, ägyptische Alterthümer
sind immer nur Kuriositäten: es ist sehr wohl sich und die
Welt damit bekannt zu machen; zu sittlicher und ästhetischer
Bildung aber werden sie'uns wenig fruchten.« Und weshalb?
Weshalb waren fremde Kunstprodukte unserer heimischen
Kunst, unserem Geschmacke so oft schädlich?

Weil wir vergassen, dass, ebenso wie andere Zeiten:
andere Anschauungen, andere Lebensgewohnheiten und mithin
eine andere Kunst bedingten, auch Lebensweise und Anlagen
von Völkern, die unter einem anderen Himmel wohnen, eine
uns fremde Kunst hervorbringen müssen. Das horazische:
»Caelum non animum mutant qui trans mare currunt« muss
uns beim Betrachten fremder Kunstprodukte vor gedanken-
loser Nachahmung warnen, gleichzeitig aber zum Erforschen
des ihnen bestimmt zu Grunde liegenden Wesens anregen.
Am meisten zu solchen Betrachtungen führt uns heute viel-
leicht die japanische Kunst und Kleinkunst. Justus Brinck-
mann darf vielleicht unter den Deutschen als einer der
intimsten Kenner japanischer Kultur und Kunst angesehen
werden. Aber hören wir seine Klage im Vorwort seines
vortrefflichen Werkes*), auf das ich hier mehrmals jzurück-
kommen muss. »Der erfrischende und heilsame Einfluss,
welchen die Kunst Japans auf die technischen und dekora-
tiven Künste des Abendlandes zu üben berufen erscheint,
würde aber ausbleiben, wenn wir den kunstgewerblichen
Raubbau auch auf die japanischen Vorbilder ausdehnten und
Japanisches nur ebenso nachahmten, wie wir uns selber nach-
zuahmen gewöhnt haben. Bei Vorwürfen und Formen, welche
einer uns fremden Kultur entsprungen sind, würde deren
Abnutzung und Verknöcherung nur um so rascher eintreten
und es schliesslich nur eine abgelegte Mode mehr geben.«
Leider ist bis jetzt dieser berechtigten Klage und Verwarnung
nicht gebührend Gehör geschenkt worden weder vonseiten
der Fabrikanten, noch vonseiten des Publikums. Ja,
beruhigend schrieb sogar ein Leipziger Blatt gelegentlich des
Handelsvertrags mit Japan, dass unserem deutschen Porzellan-
Gewerbe eine Zoll-Konzession an Japan nicht das geringste
verschlagen könne, da die Industrie Japans in vielen Stücken
überhaupt nur Liebhabersache sei und unsere heimische
keramische Industrie es zu einer solchen Leistungsfähigkeit
gebracht habe, dass ihr die Konkurrenz in Europa, noch viel
weniger aber die Japans etwas anhaben könnte.

Auf die deutsche Industrie mag die japanische Keramik
— wie das übrige japanische Kunstgewerbe nicht nachtheilig
gewirkt haben, dem Volks-Geschmacke jedoch hat die Ein-
führung japanischer Artikel ganz entschieden nicht nur des-
halb geschadet, weil diese 'Sachen meist nicht aus japanischen
Händen direkt, sondern aus europäischen Exportfabriken
kamen, sondern auch weil ihre sinnlose Anwendung im
deutschen Hause das Gefühl für Harmonie der Farben und
Linien untergraben hat. Wie anders wird aber echte japa-
nische Kunst bei uns wirken können, wenn das Verständniss
für japanische Eigenart und Sitte durch Werke wie das
grundlegende von Brinckmann bei uns Fortschritte gemacht

*) Justus Brinckmann, Kunst und Handwerk in Japan I. Berlin.

haben wird! Was können wir nun vom japanischen Kunst-
gewerbe wesentlich Gutes lernen? Das Nachahmen seiner oft
bizarren Gestaltung ist das, was wir nicht üben sollen. Wohl
aber kann die Art und Weise wie die Japaner schaffen und
das Beobachten ihrer seelischen Eigenschaft und Thätigkeit,
auf welche ihre intime Freude am Schönen zurückzuführen
ist, für uns höchst förderlich wirken. Sauberkeit, Genauigkeit
und Sinn für Zweckmässigkeit spricht aus all ihrem Haus-
geräth. »Dank diesen unvergleichlichen Vorzügen«, sagt
Brinckmann, »ist dem Japaner jene Trennung von Gebrauchs-
und Ziergeräth fern geblieben, welche eins der bedenklichsten
Krankheitssymptome des heutigen abendländischen Kunst-
handwerks ist. Auch da, wo Zweck und Mittel keine
schmückende Zuthat gestatten, verleiht die Gediegenheit der
Ausführung neben vollkommener Zweckangemessenheit jedem
Gefäss oder Geräth bescheidene Reize, welche wir Europäer
den für die Alltagsarbeiten im Haushalte dienenden Gegen-
ständen kaum jemals zu geben beflissen sind, um dafür auf
der anderen Seite desto mehr in völlig zwecklosem Putzwerk
zu vergeuden. Der Japaner beginnt damit, das Nothwendige
gut zu machen und hat seine helle Freude daran, wenn sein
Hausrath nicht nur den nüchternen Zweck genau erfüllt,
sondern zugleich seinem Auge gefällig begegnet. Anderer-
seits haben Ziergegenstände, denen kein vernünftiger Zweck
zu Grunde liegt (wie sie auf dem kunstgewerblichen Markte
des Abendlandes vorherrschen), für sein einfaches Gefühl nur
eine sehr beschränkte Daseinsberechtigung. Der Eimer, in
welchem die Hausfrau das Wasser am Brunnen holt, der
geflochtene Wandkorb, in welchem ein frischer Blüthenzweig
auch die Hütte des Aermsten freundlich schmückt, der aus
Kupfer gehämmerte Kessel zum Sieden des Theewassers,
der Besen zum Fegen der sauber geflochtenen Binsenmatten
erscheinen im Vergleich mit den entsprechenden Gegenständen
unseres Haushaltes an und für sich auch dem Auge des
Europäers nahezu »salonfähig«. So wenig haben uns die
technischen Errungenschaften unseres Jahrhunderts bisher auf
demjenigen Gebiete verwöhnt, auf dem man von ihnen ein
alles Vorangegangene überfliegendes Schaffen hätte erwarten
dürfen. Während bei uns die Unterscheidung des Kunst-
gewerbes als eine besondere Stufe gewerblicher Arbeit — so
wenig sie in der Sache selbst begründet sein mag — den
einmal herrschenden Zuständen entspricht, trifft sie für Japan
nicht zu, wo der geringste Arbeiter nichts schafft, ohne seiner
Hände Werk, selbst in der grössten Beschränkung, mit dem
Vorzug relativer Vollkommenheit, mindestens in technischer
Hinsicht auszustatten.«

Zwar vollzieht sich in Japan der Uebergang von der
Hand- zur Fabrikarbeit in immer schnellerer Weise — doch
bedingt durchaus nicht eine hoch entwickelte Industrie die
strenge Scheidung von Gewerbe und Kunstgewerbe. Jeden-
falls könnte und sollte auch bei uns wie noch bei den Japanern
alten Schlages jene weite Kluft zwischen den sogenannten
hohen und freien Künsten und den als Kunstindustrieen
oder Kunstgewerbe, als Kleinkünste, als dekorative oder als
technische Künste bezeichneten Abarten nicht gähnen, son-
dern von den einfacheren Werken, in welchen sich die
menschliche Kunstthätigkeit in ihren Anfängen bethätigt,
ohne sichtliche Abgrenzung der Weg aufwärts zu den höheren
Gebieten der Kunst führen, wo die Werke der Skulptur und
Malerei sich bald der Baukunst dienend und schmückend
 
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