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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Waldau, Otto: Die Innen-Dekorationen des Wohnhauses: mit Hinblick auf das englische Familienleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0151

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Seite 124.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitsc

hrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

melnd erscheinen, wenn auch zugegeben werden muss, dass I
daran auch noch andere Faktoren betheiligt sind. Im allge-
meinen sollte an dem Grundsatze festgehalten werden, dass
namentlich bei grösseren Räumen von gemalter Architektur
und Plastik abzusehen ist, dass die Dekoration überhaupt nur

Abbildung Nr. 882. Salamander Asbest-Tapete im Karakter des Tudor-Stils.

die Bestimmung hat, den Raum zu idealisiren, nicht aber ihn
gänzlich vergessen zu machen. Zu den wichtigsten Theilen
der Dekoration, insbesondere der englischen Wohnräume,
gehören die Tapeten. Weil ein Gemach niemals zu hell ist
und man eventuell das Tageslicht durch Läden, einfache und
doppelte Vorhänge mindern kann, so müssen die Tapeten
absolut von heller, nicht von dunkler Farbe sein, damit sie,
statt das Licht zu verschlucken, dasselbe vielmehr zurückzu-
werfen geeignet erscheinen. Ausserdem sind bekannter-
massen die rothen und violetten Farben ganz auszuschliessen,
weil sie der Fleischfarbe höchst ungünstig sind. Die Eng-
länderin, die sich in den meisten Fällen die Tapeten selbst
aussucht, verwirft auch sämmtliche hellen Töne der Schatti-
rungen in Roth und Violett. Nach ihrer Ansicht ist auch
Orange nicht verwendbar, weil durch die grosse Intensität
dieser Farbe das Gesicht zu sehr ermüdet. Unter den vollen
Farben wird jedoch in den englischen Häusern fast nur Gelb
und die hellen Töne von Grün und Blau als vortheilhaft
angewendet. Gelb ist hell glänzend, passt gut zu Mahagoni-
Möbeln, doch wird diese Farbe vermieden, wenn viel Ver-
goldungen im Innern der Räume vorkommen. Hellgrün
zeigt sich sehr vortheilhaft für rosenrothe Hautfarbe, für
Mahagoni-Möbel und auch für Vergoldungen. Hellblau ist
weniger vortheilhaft für blühende Gesichter als Grün, beson-
ders beim Tageslicht, was die englische Hausfrau sehr wohl
weiss — aber für Vergoldungen eignet sich Blau ganz beson-
ders. -— Das helle Blau schadet auch dem Mahagoniholz
nicht, und verbindet sich besser als Grün mit gelben oder
orangefarbigen Hölzern. Sehr gern wendet man in England
die weissen oder weisslichen Tapeten von einem hellen Grau
an, sei es nun Normalgrau oder grünliches, bläuliches oder
gelbliches Grau, glatt oder mit sammtartigen Zeichnungen
von der Farbe des Grundes. Selbstverständlich sucht die
kunstsinnige vornehme Engländerin auch die auszuwählenden
Tapeten in Einklang mit den Gemälden zu bringen, welche
sie darauf hängen will. Gewöhnlich wählt sie dann eine
glatte, deren Farbe den möglichst grossen Kontrast mit den
Farben darbietet, die in den Gemälden vorherrscht, wenn

anders die Tapete nicht von normalgrauer Farbe ist. So
weit die Erfahrung des Schreibers dieser Zeilen reicht, konnte
er den Tapeten des englischen Drawingrooms nur den besten
Geschmack nachrühmen. Da waren solche, welche Zeich-
nungen von hellem Ton darstellen, sei es in neutralem oder
farbigem Grau auf weissem Grund, wobei die Zeichnung in
räumlicher Beziehung dem Grund fast ganz gleichkam. Dann
Zeichnungen von zwei oder mehreren Tönen derselben Schat-
tirung oder einander sehr nahestehender, die nach Massgabe
des Gesetzes über den Kontrast ausgewählt waren. — Was
Tapeten anbelangt, so findet man in England selten das, was
man als stillose Machwerke bezeichnen könnte, wie z. B.
Tapeten mit Landschaften oder sonst bildlichen Darstellungen
— wenn sie etwa Gobelins nachahmen sollen. Immerhin ist
sich die gebildete Engländerin bewusst, dass es Hauptsache
bleibt, dass das Muster einer Tapete mit den Räumen har-
monire und dass es, aus einiger Entfernung gesehen, mit
der Grundfarbe verschmelze.

Vielfach werden auch, besonders in den Wohnhäusern
der Wohlhabenden, Bordüren für einfarbige Tapeten gewählt,
wobei es auf den Geschmack der auswählenden Person noch
mehr ankommt, als wenn es sich darum handelt, Tapeten
ohne Bordüre anzuwenden. Soll diese letztere mit dem
Hauptton der Tapete kontrastiren, so wird gewöhnlich die
Ergänzungsfarbe gewählt, mag nun diese Bordüre Verzie-
rungen, Arabesken, Blumen oder dergleichen darstellen oder
etwa einen Stoff nachahmen. In den meisten Fällen ist in
England der Geschmack der Dame des Hauses mustergültig;
sie wird es vermeiden, allzu starke Kontraste anwenden zu
lassen, und dafür sorgen, dass der allgemeine Ton der Bordüre
den der Tapete nur um wenige Grade übersteige. Sehr
schön wirken in manchem Drawingroom London's doppelte
Bordüren, wobei die innere mit Blumen ausgestattet ist,
während die äussere ganz einfach mit einem viel dunkleren
Ton wirkt und nur eine ganz geringe Breite aufweist. Im
allgemeinen wird bezüglich der Tapeten in England, selbst
bei minder bemittelten Leuten ein grosser Luxus getrieben,

Abbild. Nr. 883. Salamander Asbest-Tapete im Karakter des späten Elisabeth-Stils.

obwohl man anerkennen muss, dass gerade Tapeten mitunter
zu sehr billigen Preisen beschafft werden können. Sehr
häufig sind aber auch Tapeten und Bordüre nicht gerade
kontrastirend, sondern vielmehr im harmonischen Verhältniss,
und dann ist es das Getäfel, welches kontrastirend wirkt.
Da aber letzteres gewöhnlich bereits vorhanden ist, ehe an
 
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