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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Schulze-Köln, Otto: Zu unseren modernen Restaurations-Räumen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0174

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Seite 144.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

September-Heft.

ZU UNSEREN /AOPERNEN RESTAURATIONS-RÄUMEN.

Unserer Programm-Erfüllung gemäss, konnten wir nicht
länger jene grosse Gruppe von aufs prächtigste aus-
gestatteten Räumen übergehen, die so ganz in dem Vorder-
grunde unseres öffentlichen Lebens stehen. Trotz (!) unseres
Wahlspruches: »Mein Heim — mein Stolz« haben wir es
doch nicht verhindern können — obgleich das eigentliche
Familienleben sich
mehr denn je nach
innen vertieft —
dass ein Bierpalast
nach dem andern
aus der Erde wächst,
und um das Gleich-
gewicht zu halten,
sich manches grosse
Cafe dazu gesellt.
Wir brauchen hier-
bei nicht nur an
die grossen Städte
wie Berlin, Mün-
chen , Hamburg,
Dresden, Frank-
furt a.M., Köln u. a.
zu denken, selbst
die kleinste Stadt
hat ihr feines Cafe
und mindestens ein
Hotel - Restaurant
ersten Ranges. Dass
sich nun ein grosser
Theil des öffent-
lichen Lebens in die-
sen Erfrischungs-
und Vergnügungs-
Einrichtungen ab-
spielt, ist ganz folge-
richtig , denn das
Bedürfniss dafür ist
vorhanden bez w.hat
dieses Bedürfniss
aus dem lebendig
pulsirenden Leben
heraus jene in erster
Linie diesem an-
gehörende Einrich-
tungen gefordert
und begünstigt. Es
ist klar, dass ein
Getränk, das fast
zu einem Volksnah-
rungs - Mittel ge-
worden ist und das

so ziemlich ohne Folgen en masse genossen werden kann,
andere Räumlichkeiten fordert für den Ausschank und die
Geniessung an Ort und Stelle als Schnaps oder Wein, bei
denen sich ein reichlicher Genuss durch Kostspieligkeit oder
aus heikleren Gründen von selbst verbietet. So haben wir
auch keinen Grund, über unsere modernen Restaurations-
Räume ungehalten zu sein, denn sie sind nicht nur von
hoher wirthschaftlicher Bedeutung, sondern auch allgemein
bildend und erziehend für die Ansprüche unseres eigentlichen
Volkslebens, das in den ihm zugewiesenen Miethskasernen

Abbildung Nummer 911. Lichtkrone »Rose« im Bremer Rathskeller.
Entwurf Oskar Dedreux, Augsburg; Modell A. Vogel, Berlin; Ausführung L. A. Riedinger, Augsburg.

nimmermehr Genüge finden kann. Man wolle hieran keinen
Anstoss nehmen, denn es wird mir niemand behaupten
wollen, dass in München, wo doch die Frau den regsten
Antheil am sogenannten »Bierleben« hat — die Frau, auch
die gebildete, theilt dort häufig den Frühschoppen des
Mannes — das Familienleben ein weniger gemüthvolles und

intimes sei als etwa
in einer norddeut-
schen Stadt. Auch
in sozialer Bezieh-
ung ist gerade das
Münchener Bier-
leben von bestem
Einfluss auf das

Nebeneinander-
leben der verschie-
denen Klassen ge-
worden. Und wie
ungemein bildend
sind gerade in
künstlerischer Hin-
sicht die modernen
Bierpaläste gewor-
den, die von ersten
Architekten und
Künstlern gebaut
und geschmückt
sind, und so auch
dem weniger Be-
mittelten die Freude
an schönen Innen-
Dekorationen ge-
währen. — Unser

September - Heft
wird überwiegend
Münchener Restau-

rations - Räume
bringen mit einem
Aufsatz aus der
Feder eines mit den
dortigen Bierver-
hältnissen vertrau-
ten Mitarbeiters.
Zu allererst werden
natürlich diese Dar-
bietungen unseren
Architekten und
Kunstgewerbetrei-
benden nützen,denn
die Anforderun-
gen, die an solche
Räume gestellt

werden müssen, heischen naturgemäss vollstes Vertrautsein mit
den bereits bestehenden Einrichtungen dieser Art. Dass natür-
lich auch Klagen laut werden über das Verschwinden so
manchen alten, gemüthlichen Kneipraumes — ich erinnere nur
an das »alte Hof bräuhaus» — nimmt nicht wunder. Aber bei
vorzüglichem Stoff lebt man sich auch leicht in den neuen
prunkvollen Räumen ein, die uns das Geniessen in so appetit-
licher und auch erfreuender Form gewähren. Ich glaube
nämlich, dass die Popularität des bekannten Liedes »Die alten
Deutschen usw.« noch immer zunehmen wird. o. Sch.—K.
 
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