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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Witting, Felix: Zum Problem der Innen-Beleuchtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0204

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November-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 171.

Ist dem so? Ein Beispiel e contrario. Ich bin in der Zwangs-
lage, intensiv geistig arbeiten zu müssen, während in meiner
Umgebung andauernd Klavier gespielt wird. Es ist möglich,
mich so zu concentriren, dass ich keinen Ton mehr zu hören
wähne. Das Geräusch wird von meinem Auffassungsvermögen
nicht mehr appercipirt. Ist dasselbe nun aber aus meinem
gesammten Erfahrungsleben eliminirt? Nein, ein physio-
logisches Erlebniss bleibt es trotzdem, die Saiten der Volute
der Gehörschnecke müssen
erbarmungslos mitschwin-
gen. Wir spüren diesen An-
griff auf unsere Physis auch
deutlich: die intensive Con-
centrirtheit bestraft sich mit
stärkerer Abspannung.

Die Thatsache aber, dass
eine physiologische Thätig-
keit unserer Sinne stattfindet,
auch wenn wir scheinbar
ganz abgewandt sind, sollte
zu denken geben. Wir kön-
nen daraus die Möglichkeit,
ja die Pflicht entnehmen, in
diesem Sinne eine Gestaltung
unserer Umgebung vorzu-
nehmen. Wir kämen dann
dahin, ästhetischen Genuss
nicht für eine Art Luxus zu
halten, sondern für eine
sanitäre Nothwendigkeit.

In unserem Falle hier
käme es darauf an, Mittel
und Wege für die Erzielung
von geeigneten optischen
Wirkungen zu finden, vor
allem die Belichtung unserer
vier Wände einigermassen
in der Gewalt zu haben. Der
Sinn dafür braucht nur ge-
weckt zu werden. Wer ein-
mal sein Augenmerk auf
Art und Wechsel der Be-
leuchtung richtete, weiss,
welch mächtiger Faktor sie
ist. Und auf seinen Wan-
derungen durch die Natur
hat wohl Jeder — sei es
unbewusst oder bewusst —
sich dem Lichtzauber eines
niedrigen unter tiefhängen-
den Tannenzweigen hinfüh-
renden Ganges oder dem
befreienden Eindruck einer
Waldeslichtung hingegeben.
In solchen Naturerlebnissen
steckt ein Kapital, das gerade

für unsere Zeit künstlerisch verwerthet werden sollte. —
Für eine stimmungsvolle Ausgestaltung aber der Belich-
tung unserer Räume wird noch sehr wenig oder gar nichts
gethan. Die Gardinen, vom Tapezierer fest aufgehängt, gar
in ewig sich gleichbleibende Falten gezwängt, erleiden nur
ungern eine Veränderung ihrer Lage. Jalousien und Fenster-
läden existiren freilich, sind aber vor allem dem Zweckbegriff
unterstellt und werden nur als Sicherheitsmittel gegen Diebe
wie gegen den Sonnenschein aufgefasst. Sie sperren die

Oeffnung gegen beide ganz ab. Auch die Stabjalousien
erlauben keine Nuancirung des Lichtes. Wer hielte den
schnellen Wechsel von Licht- und Schattenstreifen auf die Dauer
aus? Es ist, als ob die Augen mit Nadeln gestochen würden.

Und doch könnte gerade in der richtigen Verwerthung
der Fensterladen der Wandel geschaffen werden, den wir
erstreben. Es käme darauf an, die Fensterladen nicht aus
einem Stück zu arbeiten, sondern in mehrere Theile zu zer-

Abbildung Nummer 942. Gothische Halle im Glaspalast München
Architekten: Professor K. Hocheder, M. Littmann und P. Pfann, München.

legen, welche unabhängig von einander sich bewegen lassen.
Schon die Laden in den Wohnräumen der Niederländer des
16. und 17. Jahrhunderts, d. h. der Zeit, welche uns momentan
am nächsten steht, hatten eine derartige Einrichtung. Sie
bestanden aus vier beliebig zu öffnenden Kompartimenten,
welche in sich noch einmal theilbar waren. Ueber die Wir-
kung, welche mit diesem Mittel hervorgerufen werden kann,
vermögen uns die Interieurs eines Picter de Hooch zu erzählen,
deren Hauptreiz eben auf so geschaffenen Lichtnuancirungen
 
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