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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Poellnitz, Hans von: Modern - Englisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0221

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Seite 186.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Heft.

MoperN. Engliscö.

Von Hans

Foellni tz.

Die rasche Verbreitung des modernen »englischen« Stils,
wie er oft genannt wird, macht jetzt so viel von sich reden.

Abbildung Nummer 966.

Erker - Parthie eines Speise-Zimmers
Entwurf Architekt Philipp Petry, Köln a. Rh.

Wie kommt das nüchterne England zu einer tonangebenden
Stellung im Kunstgewerbe? Hat eine Zeitschrift wie das
»Studio« wirklich die Nation hinter sich, oder nur eine ver-
einzelte Künstlergruppe ? Wo merkt man in London etwas
von den Modernen? Nirgends sieht man sich so beständig
iimgeben von Plakaten wie dort, aber die modernen sind
darunter herzlich spärlich vertreten. Von Architektur kann
man in London eigentlich überhaupt nicht reden, denn schon
die unmoderne sucht man oft vergeblich. Wie kommt also
England dazu, die Anregungen zu dieser kunstgewerblichen
Revolution zu geben, die sich bis auf den Kontinent erstreckt.

Gehen wir der Bewegung auf den Grund, so finden wir,
dass der erste Anstoss zur Umkehr durch das Eindringen
des englischen Mobiliars gegeben wurde. Wir waren der
ewig wechselnden historischen Stile müde bis zum Ueber-
druss, als die unendlich einfachen englischen Waaren auf
unserem Markte erschienen und den Platz glänzend behaupten
konnten, all den reich ornamentirten stilvollen Arbeiten des
Inlandes zum Trotz. Diese merkwürdige Erscheinung gab
zu denken und öffnete uns die Augen über den Unsinn der
Stil-Imitirung und über die Bedeutung der unbeachtet gelas-
senen Gesetze der Aesthetik; kurzum, es wurde jene ganze
grosse Umwälzung im Kunstgewerbe hervorgerufen. Epoche-
machend war in dieser Beziehung auch das englische Backstein-

landhaus, das mit seinem stets äusserst geschickten Aufbau,
der malerischen Gruppirung der Nebenflügel um einen domi-
nirenden Kern und den lebendigen Farbenzusammenstellungen
von Backstein, Putz und Holzwerk einen so intimen Reiz
durch die einfachsten Mittel erzielt. Es ist also Englands
Verdienst, die Nothwendigkeit von
Wahrheit in Material und Konstruktion
bewiesen zu haben; es ist sein Ver-
dienst, der Welt gezeigt zu haben,
welche Wirkung zu erreichen ist auch
unter Verzichtleistung auf jedes Orna-
ment, wenn man nur die nothwendigen
Gesetze der Aesthetik beachtet und die
einfachsten Mittel, vor allen Dingen die
Farbenwirkung, zu verwerthen versteht.

Obgleich wir hier den Anfang der
neuen Bewegung zu suchen haben, ist
das alles für England nichts speziell
Modernes. Wenn wir die Entwickelung
dieses »Stils« verfolgen, entdecken wir,
dass er weiter nichts als eine Ausbil-
dung der Zimmer-Einrichtungen vom
Anfange dieses Jahrhunderts ist. Da-
durch, dass man ziemlich unberührt
blieb von all den Stilmoden des Kon-
tinents, wurde man in die Lage gesetzt,
den vorhandenen Karakter, das ge-
wonnene Schema, mit grosser Sorgfalt,
wenn auch äusserst einseitig, äusserst
nüchtern und allzu konsequent, so doch
zu hoher Vollendung und entschiedenem
Reiz auszubilden. Modern ist dieses
Mobiliar nur durch die Negation alles
dessen, was der Theorie des modernen
Kunstgewerbes widerspricht, nicht durch
positives Bethätigen jener Ideen, da
weder eine künstlerische symbolische
Aussprache der Konstruktion, noch ein
modernes Ornament üblich ist.

Aehnlich steht es mit den Back-
steinvillen. In England nennt man
ihre Bauart oft »the imitation«; und in der That muss man
diesen modernen Stil zum grossen Theil als Nachahmung
betrachten. Die Backstein bauten vom Schloss in Windsor
und viele alte Häuschen in den kleineren Städten sind tüchtig
ausgebeutet worden. Dass man es hier nicht mit eigentlich
modernen Ideen zu thun hat, ist daraus zu ersehen, dass bei
all diesen Villen noch jetzt die engen Treppen, die niedrigen
dumpfen Zimmerchen und selbst die unsinnigen Schiebe-
fenster ausgeführt werden, im Hange am Alten.

Noch klarer sehen wir, wenn wir damit die englischen
Hausteinbauten vergleichen. Diese können eigentlich durch-
weg ihren gothischen Karakter nicht verleugnen und sind
oft durch nichts unterschieden von ihren mittelalterlichen Vor-
bildern. England hat mir nie den Sinn für Wahrheit ver-
loren, und es hat das grosse Glück gehabt, dass seine Alt-
vorderen schon im Tudorstil viele jetzt zeitgemässe Ansprüche
befriedigten, und dass sie so vielfach aus Nüchternheit auf
Verwendung von Ornamenten verzichteten, wozu wir uns
durch soziale Umwälzungen meist jetzt gezwungen sehen.
Wo aber nicht jedwede Stilform gänzlichst vermieden ist,
sehen wir die gothischen Formen verwandt. Es beweist dies
wiederum, dass von einem allgemeinen theoretisch modernen
Stile gar nicht die Rede sein kann.

Wenn wir gar einen Blick auf das englische Geschäfts-

modernem Karakter.
 
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