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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Kritische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6476#0036

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TZNGLISCHE EINFLÜSSE IN UN-
C SEREM KUNSTGEWERBE.

Spricht man heutzutage das Wort Kunst-
gewerbe aus, so folgt ohne Zweifel
sofort auch das Substantiv «Secession»
und gewöhnlich auch das Adjectiv «eng-
lisch». Es entspricht ja vollständig der
Wahrheit, dass unsere kunstgewerblichen
Erzeugnisse im grossen ganzen nicht mehr
recht oder schlecht nach irgend einer
historischen Formel geschaffen werden,
dass wir die Moden der Gotik, der
Renaissance, der Barocke, des Rococo
und des Empire, d. h. den ganzen
aesthetisch-pädagogischen Recapitulations-
curs überwunden haben und uns jetzt
Mühe geben, ganz selbstständige, von allen
Ueberlieferungen unabhängige Leistungen
unserer modernen Eigenart zu verbreiten.
Noch sind die Gesetze des Zukunftsstiles
lange nicht vollständig erkannt, geschweige
denn codificiert, obwohl bereits einzelne
Principien immer deutlicher aus dem Nebel
hervortreten. Das allen berücksichtigungs-
werten künstlerischen Bestrebungen un-
serer Tage Gemeinsame ist vorläufig
hauptsächlich eine Negation, nämlich die
Negation historischer Reminiscenzen; und
insofern ist das Modewort « Secession »
auch ganz berechtigt. Das revolutionäre
v olksbewusstsein trennt sich — nicht
unähnlich der historisch bekannten, uns
v°n Livius überlieferten Secession auf den
jyons sacer — von der vornehmen, geschicht-
1Icn-traditionellen Gedankenwelt, doch wird
es einem Menenius Agrippa nicht sobald
gelingen, die oppositionellen Jungen und
le,c?nservativen Alten unter einen Hut
u br|ngen. Der Ausgang des Zweikampfes

ist unschwer vorauszusagen, denn das
Hauptargument der Jugend, dass jede
Zeit ihr heiliges Anrecht auf einen
selbstständigen assthetischen Ideenausdruck
besitze, ist eine unfehlbare Waffe. Doch
kluge Kämpfer pflegen sich zu bemühen,
auch dem Gegner möglichst viel abzu-
gucken, und auch in dieser Beziehung
kann man thatsächlich die Beobachtung
machen, dass die tüchtigsten unter den
Führern unserer kunstgewerblichen Be-
wegung keineswegs alle historisch beglau-
bigten Elemente und noch weniger die
auf kunsthistorischem oder ästhetischen
Wege gewonnenen Grundsätze a priori
von sich weisen, sondern sehr geschickt
mit ihren ureigenen, durchaus originellen
Ideen zu vereinigen wissen.

Gewiss gehört dem akanthuslosen
«Stil», den genialen Bestrebungen mutiger
Stürmer und Dränger die nächste Zukunft.
Nur muss man sich vor solchen Schlag-
worten hüten, wenn man nicht Gefahr
laufen will, den natürlichen Verlauf der
Stilbildung nochmals aufzuhalten, wie dies
ja in den ersten Decennien des 19. Jahr-
hunderts bereits der Fall gewesen ist.
Ein derartig falsches Schlagwort ist die
mit dem Begriffe «Secession» so häufig
identificirte Bezeichnung «englischer SM».

Grossbritannien hat uns, deren Ver-
ehrung der «Britannia Agoraia» der jüngst
verstorbene John Ruskin mit Recht ver-
spottet, im Laufe der Zeit manche wert-
vollen Güter bescheert, doch diese lagen ge-
wöhnlich nichtauf dem Gebiete der bildenden
Kunst und des Kunstgewerbes. Im letzten
Saeculum waren es zunächst die grossen
Errungenschaften der Technik, die von
 
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