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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Eine moderne Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.6476#0059

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eine mqperNe kuNsTqeWerbesctIule

Von Prof. Dr. LEITSCHUH

(FORTSETZUNG)

Es ist also ein unmittelbares Studium
der Naturerscheinungen zu verschiedenen
Zeiten von den Meistern angestrebt
worden. Und die Geschichte zeigt ferner,
dass immer einer Zeit bewundernder Nach-
ahmung älterer Kunstwerke eine Periode
frischer Naturbegeisterung folgte.

Freilich, das gewählte Beispiel betrifft
nur die Malerei, wenn schon auch die
dekorative Malerei. Und man hat von
sonst sehr objektiver Seite die Frage auf-
geworfen, ob im Kunstgewerbe, wo die
Bezwingung des Rohstoffs zur Kunstform
geradezu die Hauptaufgabe bildet, eine
Ueberwindung der sich darbietenden
Schwierigkeiten möglich ist; ob es nur
ein Zufall, dass die Zeitgenossen des
Velasquez und Rembrandt im Kunstge-
werbe hauptsächlich bei den Renaissance-
formen verblieben sind, anstatt auch hier
auf die « Natur » zu greifen.

Die Strassburger Schule hat nun, wie
gesagt, gewiss niemals vergessen, dass
das Kunstgewerbe zunächst an den Zweck
und das zur Erfüllung desselben benutzte
Material anknüpfen muss. Die Schule ist
niemals willkürlich Naturgebilden nachge-
jagt, sondern hat vielmehr die Schaffung
zweckwidriger und zweckloser Dinge
ebenso energisch bekämpft wie sie in allen
ihren Abteilungen dem Material immer
blos solche Aufgaben stellte, denen das-

selbe seinem ganzen Charakter nach
gewachsen war. Sie hat immer den
Grundsatz vertreten, dass nicht die Ver-
zierung, sondern die Gestaltung das
nothvvendigste Erforderniss bei Hervor-
bringung von Gebrauchsgegenständen ist;
sie vergass nicht, dass die Natur kein
Blatt geschaffen hat, um sich darauf zu
setzen oder es als Löffel zu gebrauchen,
keine Blume, um daraus Thee oder Kaffee
zu trinken, dass die Natur also nicht aus-
schliesslich in ihrer Form einfach copirt
werden darf, um aus anderem Material
mit anderer Bestimmung Gegenstände
darnach zu bilden, dass aber, weil die
Geräthe für ihre Gestalt aus der Natur
gerne Analogien entnehmen, eine künst-
lerische Verwerthung dieser Thatsache
stattfinden kann, wobei die Formen von
der Zweckbestimmung, von dem Material
und von der Technik vorgeschrieben
werden. Die Natur selbst weist also un-
zweifelhaft auf eine Verwerthung ihrer
Formen hin. Wenn aber die Zeitgenossen
des Velasquez und Rembrandt die lebendig
organisch erscheinenden Formen nur im
Kunstgewerbe nicht kannten, soll das für
unsere moderne Zeit wirklich ein Grund
sein, darauf zu verzichten?

Dürfen wir überhaupt sagen : «Die
Normalform der todten Materie ist die
krystallinische.» Zeigt uns nicht ein unbe-
 
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