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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Kritische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6476#0132

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DIE DEUTSCHE WOHNUNGS-EIN-
RICHTUNG - Von Rud. TRUNK.
— (Fortsetzung). — Auf dem Tisch
des Empfangsraumes darf natürlich das
Photographiealbum mit der vorschrifts-
mässigen roten Plüschdecke nicht fehlen,
die Polstermöbel tragen entweder Kattun-
überzüge oder doch wenigstens gehäkelte
Schoner, die den Besucher wie Warnungs-
tafeln anmuten. Mancher Schwärmer für
Majolikaplatten hat gleich ein ganzes
Dutzend billig erworben, gleichartige
Stücke an die Wand gehängt, ein anderer,
noch im Bann japanischer Kunst, mit einer
Unzahl gleichgeformter Fächer deutscher
Imitation seinen „Salon" verziert. Noch
manche Kuriosität Hesse sich erzählen von
der Art und Weise, wie mancher sonst
zu den Gebildeten zählende seine Wohn-
räume ausstattet, doch mögen die ange-
führten Proben genügen. Auch der uner-
bittlichste Renaissanceschwärmer ist zur
Einsicht gekommen, dass seine gewiss
ehrlich gemeinten Bestrebungen ohne Er-
folg bleiben mussten, weil sie keine der
Bedingungen erfüllten, die man von natio-
naler Kunst verlangt.

So rasch auch der Enthusiasmus für
die decorative Kunst der Japaner ver-
flogen war, eine tiefergehende Bedeutung
für junges, kunstgewerbliches Schaffen
hatte sie doch. Die historischen Stile hatte
man zum Ueberdruss satt, wesshalb es
ausgeschlossen war, weitere Anleihen bei
unserer Väter Werke aufzunehmen; die

Japaner brachten uns eben im rechten
Zeitpunkt durch ihren frischen Naturalis-
mus die Erlösung aus unseren Stilnöten.
Es ist erstaunlich, wie wenig der Japaner
aufwendet — ein Paar Grashalme in an-
mutigem Linienzug, ein Blütenzweig in
einfachster Behandlung, Wasser und Land
durch schlichte Linien und zarte Töne
angedeutet. Die unscheinbarsten Tiere,
ein Paar Käfer, Spinnen u. dergl. in ihrer
interessanten Beschäftigung, Schmetter-
linge etc. bieten die reizendsten Motive;
zwischen dem leichten Geäste ihrer Pflanzen
spielen sich unter den Vertretern der ein-
heimischen Fauna die köstlichsten Scenen
ab. Im Gegensatz hiervon sehen wir wieder
andere Beispiele, blühende Bäume und
Sträucher, Chrysanthemen zur farben-
prächtigsten Wirkung gesteigert — immer
aber ist die Fläche als solche in Form und
Farbe betont. Solche Resultate Hessen sich
nur erzielen durch langes, intensives Natur-
studium, scharfe Beobachtung des ganzen
Entwicklungsganges der Pflanzen und eine
ausgeprägte Begabung für die Flächen-
wirkung — lauter Eigenschaften, die eben
nur den Japanern in so hohem Masse
zu eigen sind.

Wenn sich auch der Sinn im allge-
meinen bald wieder von der japanischen
Kunst abwandte, so hatte sie doch für
uns den grossen Vorteil, uns auf den
richtigen Weg gebracht und die Erkennt-
nis gezeitigt zu haben, dass nur die
Rückkehr zur Natur und ihrem uner-
 
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