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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Seder, Anton: Physiognomische Studien von Schauspieler Albert Borée
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0076

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Von Johanna Hipp,

PHYSIOGNOMIE STUPIEN

VON SCHAUSPIELER ALBERT BOREE

Von Prof. ANTON SEDEE.

enn wir die Kunstprodukte auf
niederer Culturstufe stehender Völker be-
trachten, so sehen wir bei Gebilden,
welche die menschliche Gestalt zum Aus-
druck bringen, als ganz besonderes Cha-
rakteristikum einen schablonenhaften,
starren, blöden Zug im Gesicht, der
noch mehr als die übrigen meist unver-
standenen Körperformen, das künstlerische
Können des Bildners dokumentiert.

Aber nicht allein im Bildwerk primi-
tiver Völker, auch bei einem so hochstehen-
den Kulturvolk, wie es die alten Ägypter
waren, bleibt in der Plastik wie in der
Malerei der Gesichtsausdruck ohne Leben,
seelisch tot: geistlos konventionelle Mache,
welche den Beschauer anmutet, als ob
jede Gestalt nach einem obrigkeitlich
bestimmten Schema gemacht wäre und
als ob es dem Künstler überhaupt nie
eingefallen wäre, etwas anderes darzu-
stellen, als eben den immer fügsamen
Staatsbürger männlichen, weiblichen oder
sächlichen Geschlechtes, dem jede seelische
Erregung oder gar Leidenschaft voll-
kommen fremd sein müsse. Ist der darge-
stellte Mensch weiss, gelb, rot oder schwarz,
und sind die uns vorgeführten Götter-
gestalten sogar grün, blau, gold, klein
oder kolossal gross: der Gesichtsausdruck

1 Die diesem Artikel beigegebenen Bilder
wurden von der Verlagsbuchhandlung Julius Hoff-
mann in Stuttgart freundlichst zur Verfügung ge-
stellt.

bleibt immer der gleiche, starr und kalt,
so dass man sich von der ganzen Gesell-
schaft, bei aller Wärme des Klimas, wenn
man sie an Ort und Stelle sieht, ange-
fröstelt fühlt. Man ist froh, ihnen den
Rücken kehren zu dürfen.

In der hellenisch - klassischen Kunst,
welche im Anfang ja auf der ägyptischen
basirt, sehen wir in der ersten archaischen
Periode denselben ausdruckslosen Blick,
die ererbte Schablone, welche sich auch bei
tragischer Handlung, ich erinnere an die Ae-
gineten-Gruppen, durchaus nicht verändert.

Selbst während der sogenannten
Blütezeit der griechischen Kunst, in den
Schöpfungen eines Phidias und Praxiteles,
wird die übernommene Schablone bei-
behalten. Ausser einem Ausdruck unnah-
barer Hoheit, eines vornehmen Lächelns
oder starren Schmerzes ist ganz selten
eine der vielen Leidenschaften, die den
Menschen bewegen, zur Darstellung ge-
bracht. Wird doch auch in der klassischen
Comödie, in den herrlichsten Schöpfungen
eines Sophokles, der Schauspieler ge-
zwungen, durch eine vorgebundene Maske,
von welcher es ein paar verschiedene
Schemas gab, zu sprechen, so dass ein
Minenspiel für ihn ganz nutzlos war. Ein gros-
ses Verständnis für Physiognomik scheint
daher nicht vorhanden gewesen zu sein.

Vielleicht ist das die Ursache, warum
Kunstwerke dieser verhimmelten Kunst
den gewöhnlichen Sterblichen trotz aller
 
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