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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Aus dem Strassburger Denkmalarchiv
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0267

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AUS PEM STRASSBURGER PENRMALARCfllV

2um zweitenmal beherbergen die
an sich schon ungemein wirkungsvollen
Räume des alten Bischofsschlosses eine
Ausstellung von Plänen, Aufnahmen und
Zeichnungen elsässischer Baudenkmäler.
Im April 1901 war es ein gesamter
Überblick über die Denkmäler in den
einzelnen Kreisen, die uns der Konser-
vator der historischen Denkmäler bot.
Besonders glänzend war damals der
Stadtkreis Strassburg bedacht. Die rei-
chen Schätze des Frauenhauses waren
den Zwecken der Ausstellung zur Ver-
fügung gestellt: Gipsabgüsse, Original-
Baurisse, Zeichnungen aller Art führten
uns die interessantesten Teile des Strass-
burger Münsters und seine Bildwerke vor
Augen. Es war von unleugbarem Reize,
die Zeichnungen jener Künstler, deren
Namen mit dem Münsterbau so innig
und für alle Zeit verschmolzen sind,
vereint vor Augen zu sehen.

Aber nicht nur in Hinsicht auf die
Baugeschichte, auch bezüglich der Innen-
ausstattung des Münsters war die Aus-
stellung ungemein belehrend. Mit zum
Interessantesten gehörte z. B. die Ori-
ginalzeichnung der Kanzel von Hans
Hammerer, die uns bekanntlich nicht
mehr im ursprünglichen Zustande, son-
dern stark restauriert überliefert ist. Die
Chorgestühlentwürfe führten uns hervor-
ragende kunstgewerbliche Leistungen vor
Augen, und die Münster-Gobelins erin-
nerten uns an die glanzvollen Zeiten der
französischen Teppichwirkerei des 18.
Jahrhunderts.

Sehr dankenswert erschien auch die
Heranziehung der durch ihre wechsel-
vollen Schicksale oft gefährdeten Glas-
gemälde des Münsters, die in künstlerischer
Hinsicht zum Teil ersten Ranges sind.

Die übrigen Säle der Ausstellung
führten uns Zeichnungen und Aufnahmen
— gelegentlich auch Originalausstattungs-
stücke, wie Gobelins und Malereien —
vieler bedeutenden Kirchen, Kapellen und
Burgen des Landes vor. Dank dem ein-
sichtsvollen Entgegenkommen der franzö-
sischen Regierung konnte auch einzelnes
im Original, vieles in guter Kopie dem
Denkmalarchiv des Landes zugeführt wer-
den, was bisher unausgenützt und fast wert-
los im Pariser Archiv schlummerte. Von
grosser Schönheit und Genauigkeit waren
z. B. die aus dem Pariser Archiv stammen-
den Originalzeichnungen der Pfarrkirche

St. Peter und Paul zu Rosheim, die von
Charles Perrin angefertigt sind. Der
monumentalen Grossartigkeit dieses Denk-
mals, an dem der romanische Gewölbe-
bau in der konsequentesten Durchbildung
auftritt, wurden diese prächtigen Auf-
nahmen gerecht, die uns in das System
des inneren Aufbaues wie der interessanten
Facadenarchitektur lehrreiche Blicke ge-
währen.

Das System der Anordnung der Aus-
stellung brachte es aber mit sich, dass
nicht nur der Kirchenbau, sondern auch
der Profanbau eingehende Berücksichtigung
fand. Wir erhielten damit eine interessante
Vorführung der verschiedenartigen Kunst-
denkmäler eines bestimmten Ortes Welch
vielseitiges Studienmaterial bot sich uns
z. B. für Colmar, für Gebweiler oder für
Zabern mit seinen hübschen alten Häusern,
seinem alten bischöflichen und seinem
neuen Schloss ! Wie wertvoll war ferner
Oberehnheim in seinem eigenartigen Denk-
mälerbestande vertreten und wie gross-
artig trat uns das kleine Neuweiler mit
seinen kunstgeschichtlich so bedeutsamen
Kirchen und Kapellen und seinem reichen
Skulpturenschmucke entgegen.

Waren naturgemäss Architektur und
Plastik in vorderster Linie berücksichtigt,
so übte in der Ausstellung doch eine un-
leugbare Anziehungskraft die Darbietung
der Reste fast verblasster gotischer Wand-
malereien aus. Es galt das vor allem für
die hochinteressanten Malereien aus Balzen-
heim, dann für die aus Thann. Und auch
der gotische Teppich mit den Scenen aus
dem Leben der heiligen Odilie (aus St.
Stephan) fesselte durch seine wunderbare
Formen- und Farbengebung.

Bedeutsame neue und alte kunstge-
schichtliche Fragen traten dem Beschauer
der Ausstellung auf Schritt und Tritt ent-
gegen. Wie merkwürdig waren z. B. die
Abgüsse des Frieses an der Chorapsis der
Kirche in Feldbach; wie anregend für die
Forschung die «älteste bekannte Zeichnung
aus dem Elsass», die Stiftungsurkunde des
im ersten Viertel des zwölften Jahrhunderts
von Maursmünster aus gegründeten Toch-
terklosters Sindeisberg; welch interessante
baugeschichtliche Fragen tauchten bei der
Betrachtung der der kleinen Kirche zu
Ottmarsheim gewidmeten Blätter auf,
jener Kirche, die als die Nachahmimg
von Karls des Grossen Palastkapelle zu
Aachen bekannt ist.
 
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