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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 3.1902-1903

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Zum Kapitel: Veredelung der Handarbeit
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Zum Kapitel: Veredelung der Handarbeit.

Vierländische Stickerei. Aus Hipp: Handarbeit der Mädchen.

in der Schule schildert die Verfasserin in
so dunklen Farben, dass wir keinen Augen-
blick darüber im unklaren sein können : die
ganze Arbeit der Reform des Zeichenunter-
richts ist spurlos an dem Handarbeitsun-
terricht vorübergegangen. Zwei verwandte
Fächer, die im innigsten Zusammenhange
zu einander betrieben werden sollten, haben
bisher nichts für einander übrig. Der
törichte Grundsatz findet hier seine Ver-
tretung : « das Zeichnen für die Schule,
die Handarbeit für das Leben!» Wir
waren der Meinung, die neue Art des
Zeichenunterrichts müsse den Sinn für
die Kunst in die breite Masse des Volkes
hinaustragen. Wenn wir nun näher zu-
sehen, finden wir, dass ihr Einfluss nicht
einmal bis zur nächsten Schultüre reicht.
Ein solcher Zustand ist tief zu beklagen.
Es hilft hier auch kein Verschleiern einer
beschämenden Tatsache. Vielleicht, dass
energische Hinweise auf dieses völlige
Verkennen idealer Aufgaben mit der Zeit
Wandel schaffen werden? Vielleicht!

Die Verfasserin führt mit Recht aus :
« Der Zeichenunterricht sucht nach Kräften
die Verzierungsarbeit auszunutzen und
hofft von ihr in hohem Masse Er-

weckung des Gestaltungstriebes, wieviel
energischer könnte der Handarbeitsunter-
richt mit diesem Bildungsmittel wirken!
Denn was im Zeichenunterricht nur auf
dem Papier steht, was dort nur Entwurf
und Vorsatz ist, das übersetzt die Hand-
arbeit in Ausführung und Tat. »

Johanna Hipp hat sich nun die schwere,
aber unendlich dankenswerte Aufgabe
gestellt, Vorschläge zu einem Handin-
Handgehen des Zeichenunterrichts mit dem
Handarbeitsunterricht zu geben, die eine
wertvolle Erweiterung des bisherigen
Lehrplanes bedeuten. Mit Recht fügt sie
ihren Vorschlägen die Bemerkung bei,
dass es nicht nötig sei, dass die Schü-
lerinnen an allerlei schwierigen Techniken
ihre Zeit vergeuden, dass vielmehr zur
Verkörperung der schönsten Formge-
danken die einfachsten Stilarten genügen.
Interessant ist nun, dass die Verfasserin
als vorbildlich japanische und koptische
Stickereien, dann vierländische Kreuz-
sticharbeiten (also Bauernstickereien) an-
führt. Vielleicht wäre überhaupt die ja-
panische Ornamentik eingehender heran-
zuziehen, als dies trotz aller Anerkennung
der japanischen Arbeiten bisher geschehen.
Ein Blick in irgend eine japanische Publi-
kation für den Gebrauch von Handwerkern
sagt uns, welche Fundgrube auch für
unsere Schulen in dieser Ornamentik vor-
handen ist. Wie der Japaner das Motiv des
gewöhnlich kreisförmigen Wappenschildes,
des sog. Mon, immer mehr compliciert
und endlich in Mäander- und Labyrinth-
formen übergehen lässt, wie er Um-
bildungen vollzieht, welche die über-
raschendsten Entwickelungen zu Tage
fördern, wie er eine Blume in ein Tier
und dieses in eine geometrische Figur
übergehen lässt, wie er Muscheln, Blumen
von oben, von unten, von der Seite ge-
sehen, und zwar in ziemlich naturalistischer
Darstellung, dann streng stilisiert, dann
in einer Verschlingung von Litzen wieder-
gibt — all' das ist auch für die Hand-
arbeits-Schule im höchsten Grade instruk-
tiv. Unzähligemale glauben wir eine Kom-
bination schon früher gesehen zu haben und
 
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