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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 3.1902-1903

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Zum Kapitel: Veredelung der Handarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.6478#0216

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20Ö

Zum Kapitel: Veredelimg der Handarbeit.

Feld gewinnt. Wie vieles von all den man-
nigfaltigen Formen, von den glänzenden,
bunten, hellen und dunkeln Dingen, von
den oft mit so grosser Mühe ausgetüftelten
Sachen ist Flitter und toter Kram ge-
worden, — und anderes, aus den fernsten
Gegenden und den ältesten Zeiten, aus
Zuständen und Bedürfnissen hervorge-
gangen, die uns fern liegen, leuchtet noch
nach Jahrhunderten als Zeugnis reinen
Formgefühls und edelen Schönheitsemp-
findens. Alles was in seiner Erscheinung
die Sehnsucht der Menschen nach Schön-
heit ahnen lässt, das bleibt leben und zeugt
weiter Schönheitsideen, — alles Wohl-
feile, mechanisch und ohne Aufwand von
Geist hervorgebrachte ist wertlos und
vermehrt nur die schon so grosse Menge
von Plunder, die das tägliche Leben be-
lastet, und dessen Überwindung die Schule,
als Bildungsanstalt, anzubahnen hat. »

« Schönheitssinn und Formensinn
wurden hier stets nebeneinander genannt,
aber der Schönheitssinn ist nur eine Folge,
oder ein Teil, des gebildeten Formensinnes.
Je reiner der Schüler eine Formidee ver-
körpert, je besser es ihm gelingt, die Ge-
stalt des Geschaffenen zweckentsprechend
und sinnreich zu machen, desto mehr be-

friedigt die Erscheinung sein Schönheits-
gefühl. Eine Form, die man als unschön
empfindet, stellt sich stets in erster Linie
als unzweckmässig heraus, als nicht in
allen ihren Teilen von Inhalt erfüllt, es
ist nicht die Form, die der Gegenstand
seinem Wesen nach hätte annehmen
sollen.»

« Diese Idee ist den meisten Menschen
wohl geläufig als Grundlage für das Ur-
teil über die Schönheit der nicht verzierten
Dinge, tritt aber bei der Beurteilung von
Verzierungen seltsamer Weise zurück.
Jedes Ornament aber müsste angelegt
sein, den Formgedanken des Gegen-
standes, den es verziert, reiner zum Aus-
druck zu bringen, ihn nicht zu ver-
schleiern, sondern zu betonen und zu
steigern, — die Schmuckform, die da-
gegen verstösst, wird dem entwickelten
Formgefühl widerspruchsvoll und unschön
vorkommen.»

Die ästhetischen Thesen, die Johanna
Hipp in diesen Forderungen, an die
Pforten unserer Mädchenschulen mutig
anschlägt, schiessen nicht über das Ziel
hinaus; sie sind vollkommen berechtigt und
im Bedürfnis unserer Zeit und im Vorwärts-
streben unserer künstlerischen Bildung be-
 
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