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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 6.1905-1906

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Ein Ruhepunkt in der Entwicklung der modernen angewandten Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6481#0064
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Ein Ruhepunkt in der Entwicklung der modernen angewandten Kunst.

Arbeil aus der Modellier-Abieilunp der
Sirassburger Kunsijjewerbeschule. n n

Die Sache ist aber wirklich höchst
einfach. Die Extravaganzen hochfliegen-
der Innenkünstlerlaunen haben gründlich
Fiasko gemacht; die finanzielle Bedrängnis
wird überall unumwunden zugestanden.
Man hält nun Einkehr bei sich selbst und
findet, daß man weitaus zugkräftiger bei
einigen bescheidenen Zugeständnissen an
die praktischen Erfordernisse und an den
deutschen Charakter wirken könnte. Fast
auf der ganzen Linie ertönte das Kom-
mando: Halt!

Begriff und Wesen der modernen an-
gewandten Kunst hat durch die Ausstellung
eine nicht unwesentliche Modifikation er-

fahren. Es klingt beinahe durch
alle Räume das Streben, bei Leibe
nicht aufzuregen, vielmehr den
Besucher in die Zeiten der Groß-
eltern und Urgroßeltern zurück
zu versetzen und uns damit die
saubere Behaglichkeit und stille
Zufriedenheit, die wir so lange
entbehren mußten — nicht ohne
einen Anflug von sentimentaler
Rührung — wieder zu schenken.

Peter Birkenholz, der nach
Darmstadt Berufene, hat ein
Bibliothekzimmer, ausgeführt von
der Firma Ballin in München, aus-
gestellt, das uns völlig mit Jugend-
erinnerungen erfüllt. Nur Groß-
väterchen fehlt in diesem an-
heimelnden Räume mit seinem
einfachen Mobiliar in hellgelbem
Kirschbaumholz. Biedermeiermä-
ßig, mit schmalen, senkrechten
Leisten, ist die Wandtäfelung-
gegliedert, altmodisch sind die
Bücherschränke, in den zu allem
Überfluß alte Einbände aufgestellt
sind, und die zwei Ledersessel —
nichts stört die Stimmung, die in
Gedanken an längst entschwun-
dene Tage ausklingt. Höchstens
drängt sich nachträglich noch die
kritische Frage auf: wozu war der
mühsame Umweg über Darmstadt
und Wien nötig — beim Großvater
fand ich ja diese Vorbilder mindes-
tens so «knapp u. sachlich» wie hier. Aber
schon das Nebenzimmer bringt uns auf
andere Gedanken: ein Speisezimmer von
P. L. Troost. Es ist in indischem Eben-
holz ausgeführt, die Wandtäfelung ist weiß
lackiert. Der ganze Raum, auf violett
gestimmt und von dieser Farbe durch-
flutet, strebt in erster Linie koloristische
Wirkung- an. Die Möbel sind wie erstarrt,
die grünledernen Stühle zeigen hohe, un-
gewöhnlich steife Lehnen, ganz orientalisch
berührt das in gelbem Metall festlich
glänzende Büffet. Es ist schwer, diesem
eleganten Raum, dem ein harmonischer
Zug nicht abzusprechen ist, die richtige
 
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