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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 2.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.8035#0044
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lassen, in dem zweiten Theile des lVerkes 52 Linzelberichte, von sach-
kundiger Feder verfaßt, zusammenzustellen und herauszugeben, aus
denen der Leser erst den wirklichen geistigen Gewinn, die fruchttragenden
Anregungen schöxsen kann, die den eigentlichen lVerth der Ausstellung
ausmachen sollen. lhier ist in der That die Summe des jetzigen Standes
des lvcttbewerbs auf den Gebieten der Forst-, Land- und Wasser-
wirthschaft, des Gewerbes, der Jndustrie, des ksandels, des Verkehrs,
dcs Kunsthandwcrks und der Runst gezogen, die das !Verk zu einem
Iahrbuch stempelt, aus dem der fachkundige Leser überall sowohl die
lctzten Lrrungenschaften, die höchste Lntwicklung, als auch die neuesten
Probleme und ungelöste Aufgaben sich hcransholen kann. Dcnn im
vollsten Verständniß der ihnen gcwordeneu Aufgabe haben die meistcn
Bcrichtcrstattcr hier nicht nur das gegeben, was die Ausstellung zeigte,
soudern auch auf die wichtigen Lücken aufmerksam gemacht, die in
den einzelnen Gebieten sichtbar geworden sind. lvenn dabei Linige
mehr das Lrgebniß ihrer Studien in den Vereinigten Ltaaten in den
Vordergrund stellten, Andere mehr die Gesammt-ksöhenlage aller Rultur

betrachteten, so geben grade diese wcchsel-
vollen Bilder einen lhauptreiz des lverkcs
ab, die es vor jener gefährlichen Lin-
tönigkeit geschützt haben, die äußerst leicht
Sammelwerke „vorschriftsmäßiger Art" ost
unverdienter lveise in die Abgründe der
Büchereien vergraben läßt, noch ehe der
rechte Nutzen daraus gezogen war. Fast
ohne Ausnahmc wcht ein srischer Forsch-
ungsgeist durch dio Berichte; sie lesen sich
interessant, anregend und äußerst leicht
saßlich. Ghne Zweifel gewinnt — ganz
abgesehen von dem unermeßlichen Gebiet
der Lbrigen Völker — der Leser daraus
ein schönes Bild von dem, was die
Amerikaner der Vereinigten Staaten heute
leisten und auch — nicht leisten. Denn
wie ihre Fortschritto, ihr Ileberwachscn,
namentlich gegenüber dem alten Luroxa,
oft mit ängstlichem kserzen, jedenfalls stets mit klarem Blicke vor
Augen geführt ist, um zu zeigen, was der junge, uns gefährliche
Riese kann, und noch mehr, was er zu können versxricht: ebenso
sind an einzelnen Ltellen erbarmungslos — vielleicht grade im
Gefühl der schwierigen Vertheidigungsstellung, die wir zn behaupten
haben! — die Schwächen und Fehler ihrer Lrzeugnisso, die Irrwege
ihrer Anschauungen osfen gelegt. lvir verweisen dafür beispielsweise
auf den Bericht über das llunstgewerbe zum ersteren, über die Dampf-
maschinen zum letzteren Punkt. Auch, daß trotz ihrer riesigen Aus-
dehnung die Ausstellung nicht allumfassend für sämmtliche Gebiete
der menschlichen Geistesthätigkeit gewesen, ist aus den Lücken der Berichte
zu lesen. Dagegen muß das Studium von Berichten, wie über das
Berg- und Lsüttenwesen, über die Portland-Lementindustrie, Lber den
Lisenbahnoberbau, über das jdost-, Telegraphen- und Fernsxrechwesen,
über Aeramik, über das Buchgewerbe und vor Allem über die Aus-
stellung der Firma Friedr. Arupp uns Deutsche mit hohem Stolze und
dem Gefühl der Freude erfüllen, wenn wir daraus sehen, welch' hohe
Leistungsfähigkeit und rastloses Streben anch unser volk auf diesen Ge-
bieten zu zeigen vermag.

Ls würde aus dem Rahmcn diesor kurzen Besprechung hcraus-
sallen, wollten wir ins Linzelne den interessanten Berichten näher
treten. lvir müssen dies den Fachzeitschriften überlassen, die in dem
Werk unzweifelhaft sür manche werthvolle Boiträge wichtigen und
bedeutenden Stoss finden werden.

In unsrer, vielleicht etwas ausstellungsmüden Zeit stehen manche
Rreise bereits auf dem Standxunkt, einem solchen Jahrmarkt des
ksandcls uud Wandels jeglichen Werth abzusprecheu und nicht mehr
mitthun zu wollen. Die Thatsache der immersort sich erneucrnden
Ausstellungen — Deutschland allein sieht in diesem Jahre wieder nicht
weniger als drei! — straft ihre Anschauungen Lügen. Aus dem vor-
liegenden Werke können sie aber auch erkennen lernen, worin selbst
noch heute der tiefere, ideale, wahre Werth einer Ausstellung beruht.
Was jedem, durch Uebung auch noch so fest gesattelten Besucher ent-

4;. Aus dem Reichstagshaus.
Geschmiedetes Gitterchen.

gehen, was beim Drängen und Treiben der Tagesmenge ihm nicht
zum Bewußtsein kommen mag, hier drängt es stch ihm unwiderleglich
auf: Die Lebenskraft jeder Weltausstellung beruht darin, daß der Aus-
steller sclbst am meisten aus ihr lernt. Nicht der unmittelbare Nutzen,
den er durch die Probe auf die Raufkrast der Besucher ziehen möchte,
nicht das Anknüpfen „neuer Verbindungen" sondern die Lrkenntniß
seiner Ulängel, das vergleichen des tüchtigeren Wettbewerbers, die Wege,
die sich seincm eigenen Fortschritt dadurch bieten: dies Allcs trägt die
Gewähr in sich, daß das Zeitalter der Ausstellungen noch uicht so bald
zu Lnde sein dürfte. Diesen Nutzen in die weitesten Rreise zu tragen,
bleibt das große Verdienst eines solchen Werkes, wie es der Reichs-
kommissär herausgegcben hat.

Weitab von der ^altung und Tonart der von manchen Ausstellungen
her bekannten, sogenannten „officiellen" Ausstellungswerken, welche mehr
für Selbstverherrlichungszwecke des Ausstellungskomites und zur Reklame
einzelner gut vorgemerkten Aussteller geschrieben zu sein scheinen, hält
sich das Werk in Jnhalt wie Lorm in dem Rahmen gediegener, um-
fassender Sachkunde und kenntnißreicher, wie vorurtheilsloser Aritik,
die es zu einem unversälschten Markstein des bisher Lrreichten und
zu einer sichern Grundlage für weitere Fortschritte stempeln. Wclch'
Riesenschritt die gesammte Lcistungssähigkeit Deutschlands seit dem
schlimmen Reuleaux'schcn worte „billig und schlecht" gemacht hat,
geht allein schon aus dem dickleibigen Umsange des Werkes hervor.
Ulehr wie das zeigen dies aber zwei Stellen des Berichtes, die wir
anzuführen nicht unterlassen können. Sie lauten: „Besonders beredten
Ausdruck fand bei der Lröffnung wie im weiteren Verlaus der Aus-
stellung die von den deutschen Ausstellern und in nicht mindergehendem
Grade in den deutsch-amerikanischen Areisen empfundene Freude darüber,
daß die Betheiliguug von allcrhöchster Stelle aus eine so nachdrückliche
und das deutsche Auftreten maaßgebend bestimmende Förderung er-
fahren hatte", — und:

„Ls ist ein entschiedener und unbestrittener Lrsolg, welchen der
deutsche Gewerbesteiß auf der Lhicagoer Ausstellung errungen hat.
Nköge er dazu beitragen, die verkehrsbeziehungen zwischen Deutschland
und den vereinigten Staaten zu festigen und zu beleben und dem
deutschen Ansfuhrhandel neue Absatzgebiete zu erschließen".

Indem wir uns diesem wunsche von kserzen anschließen, können
wir den bedeutenden „amtlichen Bericht" allen Industriellen und Ge-
werbetreibenden aufs Wärmste empfehlen. Lr sollte als wichtiges und
unentbehrliches lfand- und Nachschlagebuch in keiner Bücherei eines
großen Ltablissements, einer Fachschule, einer gewerblichen Sammelstelle,
einer Gemeinde fehlen, da er eine fast unübersehbare Fülle des Stoffes
bequem und klar gegliedert in sich birgt, zum Lernen, zum Versuchen,
zum Bessermachen I Id.

Briefkasten.

Mehrere Vereinsmitglieder. Die Frage des Aatalogs der Vereins-
bibliothek wurde kürzlich dahin beantwortet, daß derselbe neu gedruckt
werde; voraussichtlich wird es sich daun wohl einrichten lassen, daß
den Mitglicdern die Lrwerbung eines Aatalogs ermöglicht werde. —
Das Ausleihen der werke an vereinsmitglieder ist in Berathung ge-
zogen worden; die Lösung dieser Frage in bejahendem Sinne ist wegen
der dafür nothwendigen Bürgschaft erschwert. Indessen ist sür aus-
gedehntere Benutzung der Bibliothek (s. Vereinschronik) Sorge getragen
worden. — Größere Besuche von Werkstätten lassen sich nur schwer
aussühren, da dieselben stets Störungon in den Betrieben nach sich
ziehen; der letzte derartige Besuch fand am ;s. Februar ds. )s. bei
L. A. Riedinger in Augsburg statt. Denselben noch rechtzeitig in der
Zeitschrist anzuzeigen war leider uumöglich, da er erst kurz zuvor an-
beraumt werden konnte. _

Ülittheilungen iiber Alles, was auf kunitgewerblichem
Gebiete vorgeht, werden von der „kunstgewerblichen Rund-
schau" dankbar entgegengenommen; über die ksonorar-Be-
dingungen ertheilt die Redaktion Auskunft.


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