Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 24.1875

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Miller, Ferdinand von: Aus der Geschichte der Münchener Erzgießerei, [1]: Vortrag gehalten im Kunstgewerbeverein von Inspektor Ferdinand v. Miller
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7030#0009

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeitschrift

deS

Kunst-G

München.

ewerbe-Vereins.

Vierundzwanzigster Jahrgang.

w= t 4' 2. 1875.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Vereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch.
Handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. - 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. Ständige Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Aus der Geschichte

der

Münchener Cr?gießerei.

Vortrag

gehalten im Kunstgewerbeverein
von

Inspektor Ferdinand v. Miller.

Die Kunst Erz zu schmelzen und in Formen zu gießen datirt
meines Erachtens aus früherer Zeit, als man bisher anzunehmen
geneigt ist.

Rhockos und Theodorcs aus Samos sollen im siebenten Jahr«
hundert vor Christus den Erzguß erfunden haben; welche Meister-
schaft aber sich in der Folge die Griechen in der Erzgießkunst er-
rungen haben, welches Bedürfniß für sie diese Kunst gewesen und
welch' großartige Anwendung sie gefunden, bezeugt beispielsweise
Rhodus, wo außer dem ehernen, 70 Ellen hohen Koloß, dem die
griechischen Schiffe unter den Beinen durchsegelten und nach dessen
Zerstörung 900 Kameele zur Fortschaffung des Erzes nöthig waren,
noch über 100 eherne Kolosse errichtet standen.

Alexander der Große setzte sich und seiner getreuen, in der
Schlacht am Granikus gefallenen Schaar, ein Denkmal welches aus
2b ehernen Reitern und neun Fußkämpfern bestand.

Lysippus, der große Gießer jener Zeit soll 610 Erzstatuen ge-
gossen haben (Lübke spricht von 1500 Werken).

Die Römer fanden in der eroberten Etruskerstadt Volsini 2000
Erzstatuen und sie selbst übten diese Kunst mit großem Erfolg.
Eherne Thore, Kolosse, Reiterstatuen in Rom, eine große Sammlung
eherner Kunstwerke in dem Museum zu Neapel sind höchst lehrreiche
Belege aus jener Zeit.

Die christliche Kunst des Mittelalter« wendete die Erzgießkunst
zumeist für Glocken und Taufbecken an, dann mußte jede bedeutende
Kirche ihr ehernes Thor haben; wenn der Christ die Schwelle seines
Tempels betritt, sollen ihm durch die Darstellungen auf diesen Thoren
die göttlichen Wahrheiten seiner Glaubenslehre vor Augen geführt
werden. —

Als Michel Augelo das Thor von Ghiberti an der Tauskapelle
zu Florenz erblickte, rief er aus: „Wahrhaftig, dieß Thor wäre wür-
dig die Pforte des Paradieses zu sein." Nicht minder interessant für
die Gießer sind die Thore in Siena, Loretto re.

Bencvenuto Cellini, der Goldschmied, liebte die Erzgießkunst über
Alles und die Beschreibung des Gusses seiner in der Loggia zu Flo-
renz ausgestellten Perseus-Gruppe ist eine der interessantesten Schil-
derungen des damaligen Kunstlebens.

Aber auch wir in Deutschland und ganz besonders die Bayern
blieben in dieser Kunst nicht zurück. Wer erinnerte sich nicht gerne
an die schönen Brunnen aus Erz in Augsburg, an Peter Vischer's
Sebaldus-Grab in Nürnberg, wer freute sich nicht an dem Werke
des HanS Krumpter von Weilheim in unserer Frauenkirche, der auch
die schönen Löwen an der Residenz gegossen hat; diese Residenz

strotzt von Erzgebilden, die uns beweisen, daß wir einst geschickte
Erzgießer in München gehabt haben.

Es war ja auch der Augsburger Egidius Sesselschrciber in
München ansässig, der viele der Innsbrucker Erzstatuen für deS
Kaisers Grab modellirt und gegossen hatte, ebenso war Martin Frei,
der Gießer des prachtvollen Engels an der Michaelskirche, ein Mün-
chener und Graf Fugger ließ sich die Netirer (Ciseleure) zu seinem
Kirchheimer Erzbrunnen von München kommen.

So heimisch demnach diese Kunst bei uns gewesen, ist sie
dennoch in ganz Deutschland nahezu ganz verloren gegangen; nur
in wenigen Goldschmiedwerkstätten wurde zu Anfang dieses Jahr-
hunderts die Kunst hohl zu gießen als großes Geheimniß bewahrt,
aber selten und nur ganz im Kleinen geübt. —

Napoleon brachte mit seiner ehernen Prachtsäule (am Vendöme-
Platz) wieder Leben unter die Gießer, und wir waren dadurch lange
Zeit von den Parisern abhängig, wenn ein ehernes Denkmal errichtet
werden sollte.

Noch im Jahre 1830 konnte der Pariser Gießer Crozatier den
Mainzern sagen, als er ihnen Thorwaldsens Gutenberg-Statue für
25,000 Franken gegosien, er wolle für seine Arbeit nichts nehmen,
als die Befriedigung, die Deutschen aus ihrer Verlegenheit gerettet
zu haben.

Gar sonderbar war es in Berlin, wo man dem deutschen
Feldherrn Blücher ein Denkmal errichten wollte und sich die Erz-
gießer Lequin und Couv aus Paris hiezu verschrieb.

Welche Summen Geldes sich aber die Franzosen für ihre Ueber-
legenheit bezahlen ließen, können Sie wohl denken und will ich
nur einige Beispiele hievon anführen.

Der Guß jener Blücherstatue kostete 32,000 Thaler und die
beiden Franzosen erhielten dazu lebenslängliche Pensionen.

Der Franzose Falconet forderte und erhielt für die Reiterstatue
Peter des Großen in Petersburg 93,750 Thaler und Saly für das
Friedrichsdenkmal in Kopenhagen die enorme Summe von 700,000
Thalern.

Unter solchen Umständen war es natürlich, daß man die Erz-
gießkunst bei uns wieder einzuführen suchte; hatte man ja die Ueber-
zeugung gewonnen, daß in unserem Klima nur Erz eine Garantie
für ewige Dauer eines Denkmals bietet.

So faßte denn im Jahre 1823 König Mar I. den Entschluß,
aus seinen Privatmitteln eine Erzgießerci zu errichten und sein Hof-
architekt Leo v. Klenze baute diese Anstalt (wahrscheinlich aus Furcht,
die ganze Stadt könnte durch sie in Flammen aufgehen) fern von
allen menschlichen Wohnungen mitten in die Neuhauserfelder hinein,
und ernannte zu deren Vorstand den königlichen Münzgraveur Stigl-
mayr, der erst von Italien zurückgekommen war und schöne Resul-
tate von Erzgußversuchen mitgebracht hatte.

Dem rastlosen Streben, der unerschütterlichen Ausdauer dieses
seltenen Künstlers ist vor Allem die Wiederbelebung der Erzgießkunst
in Bayern zu danken; in ihm muß die Münchener Erzgießerei ihren
Begründer erkennen und seine Lebensgeschichte ist unzertrennlich mit
 
Annotationen