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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 5/6
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Hirth, Georg: Ueber Zimmereinrichtung im Renaissancegeschmack
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0045

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Ebenholz mit Elfenbeineinlage, da sind die Uhren, die Aron- und Gandleuchter, der Leuchterweibchen nicht zu
vergessen, da sind Waschvorrichtungen und Schlüsselschränkchen, Gueridons, Bronzen und Venezianische Gläser u. s. w.
Alle diese kleinen Herrlichkeiten können Sie in unseren Museen und in den stilvoll eingerichteten Stuben Ihrer
Freunde viel schöner sehen, als ich sie hier zu schildern vermag.

Nur Eines möchte ich noch hervorheben. Die Renaissance umfaßt die stilvollen Bildungen von nahezu
zwei Jahrhunderten in verschiedenen Ländern und unter verschiedenen Sitten. Es ist ganz natürlich, daß das,
was ich den „Geist" der Renaissance genannt habe, in verschiedenen Perioden auch sehr verschiedenartige Typen
aufweist. Auf diese feineren Unterscheidungen konnte ich mich heute nicht einlassen, aber sie beanspruchen vollste
Beachtung, wenn es sich um praktische Nachbildungen handelt. An Mitteln zum Studium fehlt es nicht. Meine
anspruchslosen Auseinandersetzungen hatten ja auch keinen anderen Zweck, als zum Nachdenken und Studiren
anzuregen.


Nachschrift. Von Freunden ist mir der Einwand gegen die vorstehend abgedruckten Ausführungen
gemacht worden, daß ich darin nicht genügende Rücksicht auf die Verhältnisse und Bedürfnisse des ininder bemit-
telten bürgerlichen chauses genommen habe. Aber wie soll man diesen in einer allgemeinen Darstellung anders
Rechnung tragen, als daß man den Betheiligten den Rath gibt: Fraget bei Allem, was Euch gefällt, nach dem
Preise, seid behutsam und vorsichtig in der Wahl und vertaget lieber die Erfüllung Eurer Wünsche, ehe Ihr
Euer gutes Geld an Dinge ohne rechten Werth hängt! — Den einzig richtigen Weg, wie auch der weniger
Bemittelte in den Besitz einer einigermaßen gediegenen Einrichtung kommen kann, habe ich ja angedeutet: cs
ist die allmälige Anschaffung, welche noch dazu den Vortheil gewährt, daß die Freude am Erwerben und
Gestalten aus Jahre vertheilt und der gute Geschmack gründlich gereift wird, während der Reiche gerade durch
seine größere Rauffähigkeit sehr häusig sich zu planlosen Einrichtungen verleiten läßt und nur zu bald an Ueber-
sättigung leidet. Die Hauptsache ist und bleibt die unermüdlich treue pflege des Ideals, den: auch bei noch
so bescheidenen Mitteln mit der Zeit die Wirklichkeit folgen wird. Ich kenne solche „Idealisten", die es mit
der pälfte des Betrages, den ein normaler Münchener seinem Bierkonsum zu widmen pflegt, schon nach wenigen
Jahren zu einer ganz famosen „deutschen Stube" gebracht haben. Da heißt es freilich sinnen und spähen nach
guten Gelegenheiten und nicht unmuthig werden, wenn nicht gleich Alles nach Wunsche geht. Für die großen
Stücke reiflichste Berathung zwischen Mann und Frau; zu Weihnachten und bei Geburtstagen sind auch gegen-
seitige Ueberraschungen mit kleinen Herrlichkeiten am Platze. Das Nest wird immer wärmer und behaglicher,
und ehe das Dritte oder Vierte das Licht der Welt erblickt, stimmen die ehedem traurigen Wände harmonisch
zusammen — ein Bild der ehelichen Harmonie selber, den Alten zur frohen Erinnerung an glückliches Streben,
den Jungen zur Lehre ffir's Leben!

Aus Hirth's „Formenschatz".
 
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