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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 9/10
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Vermischte Mittheilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0083

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geführten Verhandlungen gelten kannte, auf welche auch viel-
fach zurückgcgriffen wurde, ksr. v. Miller erwähnte am Anfang
seiner mit bestem Erfolg gekrönten Rede die Schwierigkeit,
welche damit verbunden war, alles das aus dem betreffenden
Titel der Vorlage auszumerzen, was nicht zur kunstgewerblichen
Thätigkeit gehörte und fuhr dann fort:

„Ich würde es nicht gewagt haben, nochmals die Interessen
des Kunstgewerbes Ihnen an's kferz zu legen, wenn ich nicht
überall gehört hätte, und mir gerade in der jüngsten Zeit so
oft mitgetheilt worden wäre, man wünsche, das deutsche Kuust-
gewerbe möge gefördert werden. Auch selbst vom Regierungs-
tische aus haben wir bei meiner letzten Rede gehört, daß die
verbündeten Regierungen nichts mehr wünschen, als das deutsche
Kunsthandwerk zu fördern, und dennoch glaube ich Ihnen Nach-
weisen zn können, daß trotz dieser Freundschaft, trotz dieses
Wohlwollens keine Thätigkeit in diesem Zolltarif so sehr be-
nachtheiligt wird, als gerade die Thätigkeit des Aunstgewerbes;
ja ich muß fast glauben, daß bei den löerren die Anschauung,
welche kserr Abgeordneter Sonnemann neulich ausznsprechen
sich bemüßigt fühlte, die Anschauung nämlich, daß das Kunst-
gewerbe durch einen Schutzzoll nicht gefördert werden kann,
eine allgemeine geworden ist, und ich muß hier wiederholt
gegen eine derartige Anschauung protestiren. Der Abgeordnete
Sonnemann sagte neulich selbst, was uns fehlt, ist, daß diese
theuren schönen Arbeiten nicht verkauft werden können, daß sie
keine Käufer finden. Ja, meine Serren, was ist denn unsere
Debatte über den Schutzzoll, über den Schutz der deutschen
Arbeit anders, als möglich zu machen, daß die Arbeiten, die
in Deutschland gemacht werden, auch zu verkaufen sind, daß
sie auch Käufer finden; und ich möchte doch wissen, was es
für ein anderes Mittel gibt, den deutschen Markt der deutschen
Thätigkeit zu wahren, wenn es nicht durch ein solches Schutz-
zollgeseh möglich ist. Erst dann, meine Herren, erst dann wird
der deutsche Markt dieser Thätigkeit zugewendet werden, wenn
durch einen Zoll diejenigen Herren — leider sind das noch so
viele in Deutschland — die da glauben, alles was fremd ist,
fei besser, doch wenigstens mit einem ordentlichen Zoll für
diese Liebhaberei zahlen, Herr Sonnemann hat uns auch an-
dere Dinge gerathen, die die Kunstindustrie fördern könnten;
ich muß ihm allerdings in vielem Recht geben. Er sagte mit
Recht: Frankreich hat Jahrhunderte lang Millionen ausgegeben
zur Förderung der Kunstindustrie, was wir in Deutschland
nicht gethan haben, hat aber vergessen anzufügen, daß dennoch,
trotz dieser Entwickelung, trotz dieser Hilfe des Staats sie doch
nicht verschmäht haben, durch ihre hohen Werthzölle ihre Ar-
beiten zu schützen. Ja, wenn sie irgend eine Thätigkeit fördern
wollen, verbieten sie sogar heute noch durch ihr Prohibitiv-
gesetz das Einführen eines fremden Konkurrenzproduktes, was
sie selber machen können, eine Einrichtung, die bei uns gar
nicht eristirt. Doch neulich war ein kleiner Anstug bei den
Zündhölzchen für solche Vorsicht, wir wollen aber für das
deutsche Kunstgewerbe nicht von Ihnen verlangen, was Sie
nicht geben können, was aber Frankreich seinem Kunstgewerbe
geboten hat; diese vielen Millionen verlange ich nicht vom
hohen Reichstage, aber das, was Sie geben können, den Schutz
vor der großen gewaltigen Konkurrenz des Auslandes, das er-
bitte ich, und das ist gewiß keine unbillige Bitte. Herr
Sonnemann hat uns auch ein anderes Mittel empfohlen, die
Kunstindustrie zu fördern, das ist die Errichtung von Schulen.
Meine Herren, bezüglich der Schulen, meine ich, könnten wir
uns in Deutschland nicht sehr beklagen, Schulen haben wir
gerade genug; mit Hilfe des Gesetzes der Einjährigfreiwilligen
kommt es, daß jetzt fast alle jungen Leute, die nur einiges
Talent haben, nicht in die Werkstätte geschickt werden, sondern
bis zum und ;8. Jahr nicht aus der Schule kommen. Es
ist mir noch kurz vor dem Tode des Architekten Semper von
diesem aus Italien geschrieben worden, dessen Autorität gewiß
auch von Herrn Sonnemann anerkannt werden wird: Diese

Schulmeister in Deutschland verderben uns noch das ganze
deutsche Handwerk; wir haben eine Masse Leute erhalten, die
unendlich viel wissen, aber wir bekommen keine Arbeiter, die
was können. Und in der That, meine Herren, das Kunst-
gewerbe läßt sich in der Schule nicht lernen, das lernt man
nur in der Werkstätte; da wo man sich vom frühen Morgen
bis in die späte Nacht plagen muß, kann man lernen, was
das Kunstgewerbe fordert; in der Schule, in die man manchmal
um ;o Uhr kömmt und die man um \2 Uhr wieder verläßt, um
etwa Nachniittags noch ein paar Stündchen zu arbeiten, da bil-
den Sie keine Arbeiter für das Kunstgewerbe "

Nachdem Hr. v. Miller diesen Gedanken noch weiter ent-
wickelt und den Ziffern, welche ihr. Sonnemann in der Debatte
über feine Holzwaaren zur Begründung seiner Ansicht, daß die
Franzosen auf einen Schutzzoll für ihre Kunstindustrie nicht sehr
viel halten, angegeben hatte, andere Ziffern aus dem tarif
general entgegengesetzt hatte, schloß er mit folgenden Worten:
„Ich empfehle Ihnen diesen unseren Antrag im Interesse des
deutschen Kunstgewerbes, damit das wahr werde, was hier in
diesen Tagen so oft gesagt wird, daß man in Deutschland die
Bestrebungen des Kunsthandwerks fördern will."

Herr Sonnemann erklärt, daß er mit vielem, was Hr. v.
Miller gesagt habe, vollständig einverstanden sei. „Ich gehe
vielleicht in meinen Anschauungen darin noch etwas weiter als
er, indem ich meine, daß im Kunstgewerbe die Zukunft unserer
Industrie überhaupt liegt, wir können, wie in der neuesten
Zeit die Verhältnisse sich gestaltet haben, in vielen Industrieen
nicht mit jenen Ländern konkurriren, welche einen jungfräulichen
Boden, welche die Rohprodukte zu so außerordentlich billigen
Preisen zur Verfügung haben. Dagegen müssen wir unsere
ganze Aufmerksamkeit auf diejenigen Industrieen richten, in
welchen Deutschland aus den Schultern des sechszehnten Jahr-
hunderts steht, in welchen es auf eine große Vergangenheit
zurückblicken kann. In der Kunstindustrie sehen wir die Denk-
nräler und Werke unserer großen Vorfahren um uns; ihre
Leistungen dienen uns zur Belehrung, Hier können die trans-
atlantischen Länder nicht mit uns konkurrireu. Ich bin über-
zeugt, diese Richtung wird die Industrie in Zukunft einschlagen
müssen, wenn sie gedeihen will. In dieser Beziehung ist
Herr v. Miller gewiß vollständig mit mir einverstanden."
Der Redner bricht hierauf für die Fachschulen, für die einzelnen
Kunstgewerbe, wie sie Gesterreich hat, eine Lanze, indem er her-
vorhebt, daß in solchen Fachschulen nicht blos theoretischer Unter-
richt ertheilt wird, sondern daß dort die Kunstgewerbe praktisch
gelehrt werden. Der Zifferangabe aus dem tarik general in der
Rede des Herrn v. Miller setzte Herr Sonnemann die Behaupt-
ung entgegen, seit dem Abschluß der Handelsverträge existire für
alle Lulturstaaten, welche in der Kunstindustrie etwas leisten
können, nicht mehr der tarik general, sondern der französische
Eonventionaltarif. Herr Reichensperger (Krefeld) bekämpft die
Anschauungen Sonnemann's über Museen und Schulen, „Herr
Sonnemann hat aus die Schulen hingewiesen; durch Schulen
müßte der Fortschritt endlich erzwungen werden. Als heute der
Abgeordnete v. Miller ihm den Ausspruch des Architekten Semper
entgegenhielt, hat Herr Sonnemann die Schulen im allgenieinen
Sinne des Wortes in Fachschulen verwandelt. Meine Herren,
ich glaube, auch mit seinen Fachschulen wird er nicht weit kommen,
es bleibt bei demjenigen, was der Herr Abgeordnete v. Miller
gesagt hat: das Kunstgcwcrbe kann wahrhaft gedeihlich nur aus
der Werkstätte, aus strenger, harter Arbeit erwachsen, wie sie
vormals in den Werkstätten fast ausschließlich geübt wurde."
Herr Reichensperger bekämpfte auch deßwegen Herrn Sonnemann,
weil dieser seine Hoffnung ans das Wiederaufblühen der Re-
naissance setzt, wodurch er uns auf das Ausland verweise.

„Das vorigemal haben wir von Herrn Sonnemann gehört,
wie er seine Hoffnung auf die Renaissance setze, die eben
aufzublühen beginne. Nun, meine Herren, schon das wort
„Renaissance", was eigentlich rinascimento heißen müßte, da die
 
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