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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1880

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Friedrich, Carl: Geschichte der Elfenbeinschnitzerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7024#0081

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Geschichte der Elfenbeinschnitzerei.

Alle Rechte Vorbehalten.

von Larl Friedrich.

Wenn ich hicmit versuche, den geehrten Lesern dieser
Zeitschrift die Geschichte der Elfenbeinschnitzerei vor Augen
zu führen, muß ich gleich von vorneherein bemerken, daß
die Lösung dieser Aufgabe keine leichte ist. Es fehlen hiezu
uämlich die nöthigen Vorarbeiten, obgleich im Laufe der
letzten Jahrzehnte mancherlei Denkmäler aus diesem Gebiete,
namentlich solche der frühchristlichen und romanischen Epoche,
veröffentlicht wurden. Diese in einer Menge von Fach-
blättern und zum Theil auch in größeren wissenschaftlichen
Werken zerstreuten Publikationen aber, so trefflich einzelne
in ihrer Art sind, ermangeln einer zusammenfassenden lieber
sicht, und der seit nahezu zwanzig Zähren angekündigte
„Thesaurus der Elfenbeinschnitzkunst des Mittel-
alters" von Prof, vr Ernst aus'm weerth in Bonn
ist bis zur Stunde noch nicht erschienen. Seine endliche
Herausgabe wäre um so wünschenswerther, als der ge-
nannte Gelehrte durch seine ausgedehnten Denntniffe, wie
kaum ein zweiter, dein Stoffe, zumal in der Einschränkung
auf das Mittelalter, gewachsen wäre. Ein anderes um
fangreiches Werk, der dreibändige »Thesaurus veterum
diptychorum« von Gori und Passeri, ist, abgesehen
von den künstlerisch höchst ungenügenden Abbildungen, auf
eine bestimmte Gattung von Monumenten eingeengt und
daher keineswegs in: Stande, die empfindliche Lücke in der
Geschichte der technischen Dünste auszufüllen. Ueberhaupt
harrt die letztere bis jetzt noch immer auf einen genialen
Bearbeiter, der, wie auf dem Gebiete der großen Dunst
Darl Schn aase, Wilhelm Lübke und Andere, viel-
seitiges Wissen mit philosophisch geläuterter Auffassung und
glänzender Diktion verbände, besonders in Deutschland. Denn
die »Histoire des arts industriels« von Zules
Labarte fand meines Wissens bei uns bisher keinen
llebersetzer, Viollet-le-Duc mit seinem victionnaire
raisonne du mobilier frangais diesseits der Vogesen
keinen Nachahmer und das vielversprechende Lieferungswerk
von vr. Bruno Bücher „Die technischen fünfte"
betitelt, gerieth leider schon nach dem ersten Bande wieder
in's Stocken, wahrscheinlich der großen Schwierigkeiten wegen,
die sich seiner Fortführung entgegensetzten und die selbst ver-
einte Dräfte nur mit Mühe, wenn überhaupt jetzt schon,
zu überwinden vermögen. Es bleibt somit für die Dunst-

wissenschaft der Zukunft als eine der ersten und dringendsten
Arbeiten die Darstellung der „Geschichte der Dlein-
künste" um so mehr, als gerade in unserer Zeit ein so
mächtiges Bedürfniß darnach erwacht ist. Um aber eine
zusammcnfaffende Darstellung sämmtlicher Dleinkünste zu er-
möglichen, muß zuvor jedes Gebiet einzeln und nach allen
Seiten hin erschöpfend behandelt werden. Erst wenn diese
Aufgabe befriedigend gelöst, wenn die Geschichte jedes ein-
zelnen Faches hinlänglich erforscht und bekannt ist, läßt sich
eine Gesammtdarstellung mit Aussicht auf Erfolg in An-
griff nehinen, erst dann lassen sich aus den fertigen Resul-
taten die ästhetischen Gesetze ziehen, die erst in diesein Falle
eine bindende Draft erlangen.

Gerade in dieser letzteren Beziehung aber ist die
Geschichte der Elfenbeinschnitzkunst am weitesten zurück-
geblieben; denn selbst das in der Dunstwissenschaft aller
Nationen sonst einzig dastehende Werk des unlängst ver-
storbenen großen Architekten Gottfried Semper, „Der
Stil in den technischen und tektonischen Dünsten",
gedenkt des Elfenbeins kaum nebenbei. Und doch ist dieser
kostbare Stoff einer der beliebtesten alter und neuer Zeit,
ein Stoff, der nicht blos von jeher in der Dleinkunst eine
hervorragende Rolle gespielt, der selbst mit den höchsten
Dunstleistungen, welche die Welt je gesehen hat, mit den
plastischen Meisterschöpfungen der phidias'schen Zeit nämlich
in unzertrennlicher Verbindung steht. Auch später noch, wie
sich zeigen wird, besonders in frühchristlicher und romanischer
Periode, sind es nicht selten die kleinen Gebilde in Elfen-
bein, welche uns den Maßstab zur Beurtheilung des pla-
stischen Dunstvermögens jener Epochen überhaupt an die
pand geben. Daher ist jede „Geschichte der bildenden
Dünste" gezwungen, die Elfenbeinreliefs wenigstens theil
weife in den Dreis ihrer Betrachtung zu ziehen. Wenn
dies gleichwohl bisher keine Monographie des Elfenbeins
veranlaßt hat, so liegt der Grund hievon, wie ich glaube,
darin, daß die Plastik sich überhaupt weniger der Gunst der
Gelehrten erfreut als das leichter verständliche Gebiet der
Malerei. Es ist demnach gewiß an der Zeit, dein in Rede
stehenden Stoffe die längst verdiente Aufmerksamkeit endlich
zuzuwenden, und wenn auch nicht mit einem Schlage das
bisher versäumte nachzuholen, so wenigstens die Anregung

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