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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Gmelin, L.: Die Obere Stadtpfarrkirche zu Ingolstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0086

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und (2 grosse perlen und darunter der heilig Geist in
Gestalt der Tauben, an jeder Seiten 3 grosse perl, darnach
ob unser Frauen Paupt ein schwebende Aron, darin 6 mittl
Saphir und (0 Perl, daneben 2 Engel, die die Aron halten,
und neben jedem Engel 3 perl, und ob jedes Engels Paupt
ein grosser Saphir und unter jedes Engels Fuß auch ein
grosser Saphir. In dem Diameter um unser Frauen
Paupt 5 palais und \2 perl, item neben unser Frauen
Achsel an jeder Seiten ein grosser Saphir, und ob jedem
3 Perl, item an dem Gewächs neben unser Frau von
der Achsel bis herab auf dem Stuel an jeder Seiten 2 palais
und 6 perl und vornen an unser Frauen Mantel am paftl
als ein Gespang ein Rubin palais und (0 perl; item an
unser Frauen Fuß ein eingemachtes Peilthum in Gold und
ein partikul ^ palais und 8 Perl. Daneben an der rechten
Seiten knyet der Aönig von Frankreich und hat ein Aron
auf dem Paupt mit 5 kleinen Smaragden und dazu ein
leeres Gehäuß ob der Stirnen und 2\ kleine Perl, daneben
steht ein Ritter in einem Wappenrock, halt den Schild und
ein verkröntes Aaschget und in derselben Aron 6 kleine
Smaragd, ein leeres Gehäuß und 2^ perl. An der linken
Seiten knyet die Aönigin von Frankreich in ihrem pabit,
hat ein Aron auf dem Paupt, darinnen 6 kleine Smaragden,
und 2\ kleine perl".

„Neben der Aönigin stehet ein Fräulein, halt der Aönigin
Schild, und eine ledige Aron mit \ kleine Smaragden,
leeren Gehäuß und 2\ kleine perl, \ Engel auf dem Fuß,
2 vor unser Frau, einer hinter dem Aönig und der andere
hinter der Aönigin".

„Der Fuß ist silbern und auswendig ganz verguldt und
steht auf 6 Thierlein genannt Tiger."

(Unter „palais" sind vermuthlich Diamanten verstanden,
so daß „Rubin-palais" einen Rosen-Diamanten bedeuten
würde. „Aaschget" ist eine Aopfbedeckung).

Dieses Marienbild wurde auf 50,000 Aronen, der
Stein auf Mariens Brust allein auf (H,000 st. geschätzt;
im Anfang dieses Jahrhunderts 3) wanderte es um die
Summe von 8600 fl. in die Münze nach München. Wahr-
scheinlich waren die kostbaren Steine schon längst durch
böhmische ersetzt oder einfach beseitigt worden, wie ja auch schon
in obiger Urkunde einige leere „Gehäuse" genannt werden.

Ariege zwischen Ludwig dem Gebarteten und seinem Sohn
Ludwig mit dem pöcker ließen den Bau in's Stocken ge-
rathen; die nächstfolgenden Regenten waren nicht geneigt,
ein so kostspieliges Werk zu Ende zu führen, und erst per-
zog Georg —(503) setzte den Bau fort, indem er die
nöthigen Gelder durch eine päpstliche Indult (Loskaufung von:
Fasten) bcizubringen wußte. Die nach seinem Tode wieder
ausgebrochenen Unruhen sistirten den Bau für immer, so daß
weder die Thürme noch das großartig angelegte Portal
vollendet wurden. Im Jahr (5(0 erhielt endlich die Airche
eine Pflasterung und in den folgenden Jahren bis (525
wurden die fpätgothifchen Seitenkapellen zwischen den Strebe-
pfeilern eingebaut.

Als Baumeister wurde peinlich Schnellmüller, ge-
storben (^3(,3) welcher wahrscheinlich den plan zur Airche
entworfen hat, und Aonrad Glätzl genannt, welch' letzterer

-) Nach F. X. Dstermair, Führer durch Ingolstadt.

3) Dr. 3- Lighart, Geschichte der bildenden Künste in Bayern.

in der Airchenrechnung von (^6 vorkommt, fl Im An-
fang des XVI. Jahrhunderts wirkte hier auch Erhard
peydenreich, der an den Airchenbauten in Amberg, Eichstädt
und Regensburg beschäftigt war; zwischen (5(0—(5(st>
scheint er in Ingolstadt gelebt zu haben. Vermuthlich ist
er identisch mit einem (H36 im Bürgerbuch zu Regensburg
eingetragenen Steinmetzgesellen gleichen Namens, fl

Der Bau, an dessen Westseite zwei einfache aber mächtige
Thürme über Eck gestellt sind, ist eine weiträumige, drei-
schiffige Pallenkirche, deren innere Länge gegen 90 Meter
beträgt und deren Gesammtbreite sich auf etwa 29 Meter
beläuft; auf das Mittelschiff allein kommen etwa (( Meter.

Neun Säulenpaare tragen das Sterngewölbe, dessen
Rippen auf den dünnen, mit einem Aapitäl versehenen
Diensten ruhen, während die Bogen in bekannter, spät-
gothischer Weise direkt aus den Säulen herauswachsen.

Die vier hintern Säulenpaare umschließen den erhöhten
Thor und hier befindet sich das Aleinod der Airche, der
Pochaltar, ein Aunstwerk ersten Ranges, das bedeutendste
Werk und zugleich die letzte Arbeit des Münchener Meisters
Pa ns Müelich; fl er ist eine Stiftung perzog Albrecht's V.:
„dem Allmechtigen Gott zu ewigein lob der pochgelobten
pimel kinigin Maria zu Eer und zier der herlichen kirchcn"
vom Jahr (572. (Taf. 26, 27 und 28).fl

Eine Inschrift auf der Rückseite des Altars nennt
die Meister pans Wisreuter, Aistler und pans Müelich
als Verfertiger; zweifellos sind nicht nur die Malereien meist
von Müelich's pand unter Beihülfe seiner Schüler gefertigt,
sondern auch die Entwürfe zu der Tischlerarbeit. Ueber
die Aosten der Perstellung bringt Westenrieder in seinem
historischen Aalender von (788 die Bemerkung: „N.B. item
der Pr. Mielich eingenommen wegen gemacht herrlicher
Aohrtaffel gen. u. l. Fr. zu Ingolstadt abraitung und ver-
glaichung getroffen mit 2200 Gulden, panns Wißreitter,
Aistler um Arbait zu dieser Aohrtaffel 37 Gulden valthem
Milo Schlosser um arbait dahin 5 Gulden".

Der architektonische Aufbau, die plastische und malerische
Behandlung kennzeichnen so recht des Meisters perrschaft
über alle dekorativen Mittel. Der etwa 6 Meter breite
und 8 Meter hohe Altar besteht aus einem annähernd
quadratischen Paupttheil mit Predella und einem Aufsatz
mit reichgeschnitzter und bemalter Bekrönung. Das auf den
ersten Anblick befremdende Auftreten gothischer, namentlich
auch gekrümmter Fialen, sowie gothischer Pfeilerbildungen
im Sockel (vgl. Tafel 28), erklärt sich am ungezwungensten
durch die Absicht des Renaissance-Meisters, das in der ihm
geläufigen Stilweise gedachte Werk mit den spätgothischen
Formen der Airche in Einklang zu bringen.

Der Altar enthält etwa 90 bildliche Darstellungen.
Bei geschlossenen Flügelpaaren zeigen sich über der Predella,

9 Gerstner a. a. <D.

s) Sighart a. a. D. II. 445.

6) Ich entscheide mich für diese Schreibweise, der am häufigsten
in den bjofzahlamtsrechnungen vorkommenden, nach dem Vorgang von
Max Zimmermann, „lhans Müelich und Herzog Albrecht V. von
Bayern. München 1885". Line Publikation des Alters findet sich
bei Aretin. „Denkmäler des bayr. Fürstenhauses".

9 Aus technischen Rückfichten mußten die Darstellungen auf
den Tafeln 26, 27 und 29 als Spiegelbilder angebracht werden, so
daß die rechte Bildseite in Wirklichkeit die linke ist.
 
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