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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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10. Heft
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Die zweite Generalsammlung des christlichen Kunstvereins für Deutschland am 15., 16, und 17., September 1857 in Regensburg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0175

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52

DiezweitcGeneralriersammlungdeschrist-
lichen Kunstvereins für Deutschland

cml 15., 16. und 17. September 1857 in Regens-
bnrg.

II.

8. Kirchenmufik.

Die Kirchenmusik ist einer der Hauptgegen-
stände, auf die sich dte Thätigkeit und Für-
sorge des christlichen Kunstveretus ausdehnt.
Wie es sich für eiuen katholischen Verein, der
kirchlichen Zwecken seiue Kräfte leiht, nicht
anders geziemt, so arbeiten sich allmälig aüs
dem Wirrwarr verschiedener Meinungen und
Tendenzen auch im Schooße des christlichen
Kunstvereins immer schärfer diejenigen Ge-
sichtspunkte heraus, welche von der kirchlichcn
Auktoritätschon längst vorgczeichnet sind. Wir
werden nicht irren, wenn wir die Hoffnung
ausfprechen, daß bei jeder wiederkehrenden
Generalversammlung die drei derPflege allein
würdigen Gesangarten: Choral, Palästrinen-
sischeWeise und Volkskirchenlied die Aufmerk-
samkeit immer entschiedener auf sich lenken
werden, und wir können der weitern Hoffnung
Ausdruck geben, daß dieß geschehen werde in
der AuSdehnung, welche die kirchlichen Vor-
schriften gestalten, oder in der Beschränknng,
welche sie auferlegen. Hiernach ist der grego-
rianische Choral die einzige von der Kirche
selbst für liturgischen Gebrauch, oder
genaner gesagt, fürdas kirchlicheOffi-
zium angeordnete Gesangweisc, und das
gilt nicht blos für das im Antiphonarium und
dem Graduale umgränzte Offizium, sondern
noch anf einige andere liturgische Verrichtnn-
gen, wie z. B. theophorische Prozessionen,
Benediktionen mit dem Allerheiligsten. Der
Gebrauch des Volksliedes für alle diese Offi-
zien ist nur m den Fällen der äußersten Noth
gestattet.

Nicht blos die Materie, sondern auch die
Form des kirchlichen Offiziums ist Gegenstand
kirchlichen Gebotcs, wie kirchlichen Gehorsams.
Unstreitig aber fällt sür Gesänge nicht blos

die lateinische Kirchensprache, sondern auch der
Gesang im engern Sinne unter den Begriff
der Form der Liturgie. Wenn dieser Wahr-
heit nicht mehr die verdiente allseitige Aner-
kennung zu Theil wtrd, so kommt dieser Miß-
stand von dem Untergang des alten »Chores"
her, welcher seine Stellung neben dem Altare
im Unterchor hatte und aus lauter Clerikern
bestand. Mit der lokalen Trennung hat sich
der jetzige Singchor auch geistig von dem Al-
tare und dem Offizium emanzipirt, und nicht
selten ist die Ueberzeugung, daß Musik und
Singpersonal blos unter dem Chor-Musik-
direktor stehe, der seinerseits Niemand mehr
nber sich als Herrn erkennt. Aber eine Be-
dingnng stellen wir bei der Rückkehr zu dieser
kirchlichen Form des Gesangs beim Offi-
zium. Man kann leider nicht behaupten, daß
die Gegenwart in der Ausführung und dem
Vortrag solcher Gesänge schon Meister sev;
woher sollte auch, bei dem gänzlichen Verlust
aller Tradition herüber, diese Meisterschaft so
plötzlich erwachsen? Nichts aber ist betrüben-
der und schrecklicher, als ein schlecht ausge-
sührter Choralgesang, schrecklich, weil dadurch
seine schönsten Reize zerstört, und betrübend,
weil die Znhörer verleitet werden, zu glauben,
daß eine solche Barbarei das höchste von der
Kirche angestrebte Ziel kirchlichen Gesanges
sey. Falsche Freunde des Chorals können so
seine größten Feinde nnd die Quelle werdcn,
aus der einer fortwährendenPropaganda gegen
ihn immer neue Nahrung zufließt. Wir fügen
den andern Theil dieser Vedingung bei: man
singc den Choral wie er ist, d. h. diatonisch.
Die Semitonisten berauben den Choral seiner
acht wesentlich vcrschiedenen Tonarten, drän-
gen ihn auf eine oder zwei Tonarten zurück,
machen ihn so einförmiger und bringen uns
wieder in die Gefahr, daß der Einfluß der
Tonkünstler und ihres wechlelnden Geschmacks
dem so erzeugten Mangel zu Hülfe komme.
Wohin werden wir dann gelangen, wenn wir
im Semitonium schon beim ersten Anfang
wieder den Keim der Zerstörung legen? Schon
auf derWiener Versammlung des katholischen
 
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