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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 4.1888/​95

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2. Heft
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Ueber Expositions=Tabernakel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26639#0020
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Diesen wichtigen (siegenstaiid der kirchlichen Kunst bchandelt, wenii
auch in Kürze, so doch mit iiiaiichen trefflichen Winken der nachfolgende
Artikel des Herrn Pastvr Reiners aus Paris iiu „Auzeiger sür die
katholische Geistlichkeit" 1884 Nr. 18.

Portative Erpssltions-Thronus in dcn Lirchen von Paris.

Das Konzil von Trient, das Cerem. Cpisk., kurz alle liturgischen
Bücher und Rubriken verlaugen die Aufbewahrung der heiligen Eucharistie
an einem (nicht mehrereii) und zwar dem ehrbarereu, hervvrragenden,
erkemibaren, in die Augen fallenden (Konzil 1215) Orte, auf dem
Hoch altare, wemi nicht eiu triftiger Gruud, etwa der Dieust in Dom-
kirchen, eineii eigenen SakramentSaltar erforderlich macht.

Eine der allerschwierigsten, bisher noch nicht befriedigcnd gelöste
Frage bei der Konstruktion eines Tabernakels oder Sakrameutsaltares
ist dic des Thronus bei Ansstellung des Allerheiligsten. Gewöhnlich ist
dieser ExPostüonsthrouuS vom eigeutlichen Tabernakcl verschieden, getrennt
und erhebt sich über demselben. Leider wird, um nicht eine schwindelude
Höhe zu haben, das eigentliche Tabernakel von den meisten Architckteu
zu einem winzig kleinen Kästchen gemacht, das hinter der riesigen Kanon-
tafel gauz versteckt ist, der Expositionsnische aber auf Kosteu des TabcrnakelS
alle Aufmerksamkeit, aller Schmuck nnd alle Zierde gegeben. Jn vielen
Hochbauten der Renaissancealtäre verliert sich das Tabernakel iu dem
massiven Säuleuportal; häufiger aber ist dieses uoch in den gothischeu
Bilderaltären, die zuweilen nllr ein Heiligeugestell zu sein scheinen, der
Fall. Uud doch ist das Tabernakel, „der Aufbewahrungsort des Aller-
„heiligsten, die wahre Buudeslade, der bevorzugte Thron der Gnade, der
„Sitz der uiierschaffenen Weisheit, die Stätte aller Liebesgehcimnisse, das
„Asyl aller Bedrängten, der Sammelplatz aller geistig liebenden Seelen.
„die Vorrathskammer des Volkes Gottes, der Thurm deS starken KönigS,
„das Gezelte, die Wohnnng Gottes unter den Meuschen."

Dem Tabernakel bleibt bei dem Ciboriums- oder Baldachins-AItare
am besten seine Würde gewahrt. Wer ausführlicher sich hierüber be-
lehren will, der lese nur das höchst interessante Werk von Andr.
Schmid, der christlicbe Altar x>. 412, und er wird sehr viel SchöueS
und Trefsliches darin sinden, inSbesondere über das Ciborium als
Sakramentsaltar.

Heutzutage ist die Exposition des Allerheiligsten sehr häufig. Ein
cigencr Thronus ist sür die feierliche Ausstellung schön und schicklich,
da das Tabernakel wvhl für kleiuere Ausstellung, nicht aber bei feierlichen
sich gut eignet. Wie aber diesen Thronus auf dem Altare anbringen,
daß dcm Tabernakcl kein Eintrag geschehe? Auf dem Opfertische ver-
langen zwischen den Leuchterbänken das Tabernakel, das Kruzifix, die
mittlere Kanontafel, ihren Platz in der Mitte des Altares. Die Kanon-
tafcl soll die mit Sinnbilderu dcs heiligen SakramenteS geschmückte
Tabernakelthüre nicht bedecken, ja nicht an dieselbe anlehncn; daS Tabernakcl,
welches nicht auf der Mensa fußen, sondcrn crst auf der ersten Leuchter-
bank sich erheben soll, muß etwas hervvrtreten; das Sanktissimum nehme
nicht dic vom Altarkrcuz okkupirte Stelle ein. Derartige Schwierigkciten
steigen hier anf, daß manche Autoritäten auf diesem Felde an eine Rück-
kehr zu den von der Kirche verbotenen Sakramentshäuschen dachteu.

Ein Mittel zur Ueberwindung von viclen dieser Schwierigkeiten
dürfte aber der Gebrauch von portativen Expositions-Nischen, sog.
Baldachinen sein, die nicht blos für kleinere Gotteshäuser, sonderu für
die größten Dome selbst eine recht praktische Bedeutung haben, eine
gesällige und würdige Zierde sind, dcn liturgischen Vorschrisien ganz
entsprechen, dem Tabernakel seine hvhe Würde auf dem Altare belassen.

Jn Frankrcich, besonders aber in der Hauptstadt Paris, finden sich
in atle» Kircheu sast ausnahmlos diese „portativen Expositionen" odcr
Baldachine. Die Hochaltäre sind durchgängig romanische, zuweilen auch,
wie in St. Augustin, Ciboriumsaltäre, wo das Tabernakel eine hervor-
ragende Stclle einnimmt. Wenn auch diescr die Aufmerksamkeit des
frommen Beters gleich beim Eintritte ins GotteShaus auf sich ziehende
„Thurm dcs starken Königs" übcrall auf der Mensa selbst fußt, nirgends
durch ein Konvpäum, nach römischer Vorschrift sich alS Tabernakel
kundgibt, so ist er doch schön geziert, fast allemal in vcrgoldeter Bronce,
mit einem Kreuzabschlusse gekrönt. Au hvhen Festtagcn, am Anbetnngs-
tage, beim 40stündigcn Gebete, ersetzt die portative Expositionsnische dcn
Kreuzabschluß. Bei kleineren Altären ist der Kreuzabschluß so cingerichtet,
daß hervorstehende Zapfen zum Hineinsetzen, zur Befestigung der Expositions-
nische dienen. so daß der Küster oder Geistliche den aus Holz skulptirten
oder auf GyPS vergoldeten leichten Thronus vhne Anstreugung vvr dem
Gottcsdicnste aufstellen und nachher wieder wegnehmen kann. Jn der


Kirche St. Sulpice hat mau einen aus vier Palmbäumen geformten,
kolossalen Thronns, dcr allgemein Gefallen findet, meinem unmaßgeblichen
Geschmacke aber, als zu sehr die Natur sklavisch nachahmend, nicht sehr
zusagt. Ein kleiner Rundgang an den Schaufenstern dcr zahllosen Läden
mit solchen Nischen und Kirchenornamentcn, dic bekanntlich um St.
Sulpice sich befinden, ließen mich recht niedliche Thronus mit fünf
Säulcn, aus Holz geschnitzt und vergoldet, 1,35 M. hoch, von 110
bis 150 Frs. sehen. Daneben sind auch Renaissaiicetaberiiakcl ü la.
Doum XIV. mit sinnloseii Schnörkelverzierungen, die 1500 — 2000 Frs.
kosteu. Jn Deutschland wird man solche tragbare Thronuö viel schöner
und wohl billiger als in Paris sinden, zumal am Rhein (Köln) und
iu Tyrol die Holzskulptur in schöuster Blüthe steht.

Möge der für die Zierde des Hauses Gottes besorgte Priester,
wenn er einen ncucn Altar auschafsen muß, auch diese tragbaren Thronus
in Betracht ziehen. Dadurch wird das Tabernakel selbst größer, schöner,
den liturgischen Erfordernissen entsprechend gemacht werden können.

Für kleinere Kirchen empfehle ich den betreffenden Psarrern sich
andere Mufter iu Augeuschein zu nehmen, selbst etwaige Verbesserungen
und Abänderungen vornehmeu zu lasseu, da Versuche allmälig zur
Persektiou führen. Wer in der llmgegend von Trier ist, möge nach
Echternach eine kleiue Reise machen, um den für die dortige niedliche
Kapelle im vergangenen Sommer errichteten Hochaltar aus Holz mit
Tragthronus sich anzuseheu. Für einen Sakramentsaltar sagen mir
die Statuen des Altares zwar nicht zu; aber die Expositionsuische,
die in Nanzyg angeiertigt wurde, ist recht hübsch. — Man unterlasse
es aber nicht, den Ciboriumsalter iu der Echternacher Basilika sich
anzusehen, man wird für svlche Altarbauten, die sich trefflichst sür
Sakramentsaltäre eignen und in romanischem wie gothischcm Stylc
ausgeführt werden könncn, begeistert sein. Das Tabernakel, nur ein
Vcrsuch, kann ich gar nicht zur Nachahmung empfchlen.

Auch jenen Herren Confratres, die einen sog. Renaissancealtar mit
einem großen Bilde im Hintergrunde habeu, wo das Tabernakel srei,
isolirt steht, aber mit einer Dreh- oder Walzmaschine oder mit Schub-
brettchen versehen ist, rathe ich die Herstellung eineS sicheren, solidcn
Tabernakels an, da daSselbe nur wenig kosten wird uud der übrige Theil
des Altares belbehalten wcrden kann.
 
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