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Kissling, Hermann
Das Münster in Schwäbisch Gmünd: Studien zur Baugeschichte, Plastik u. Ausstattung — Schwäbisch Gmünd, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.7132#0086
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Die Pfarrkirche im ausgehenden
Mittelalter

1. Zur Architektur

Die Parier hatten eine unvollendete Kirche hinterlassen384. Daran erinnerten die
etwa 2 m langen Stümpfe der Gewölberippen, die den Kapitellen der Pfeiler und
Dienste aufgesetzt und aus den Umfassungs- und Scheidmauern herausragten.
Eine Flachdecke schloß jedoch ab, wo ein Kreuzrippengewölbe eine großartige
obere Abrundung und Uberbrückung der Raumkompartimente versprochen hatte.
Der Anblick der Flachdecke und funktionslosen Rippenstümpfe konnte auf die
Dauer ebenso wenig befriedigen wie die turmbreite Trennung der Hallen des
Chores und des Langhauses. Endlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
muß die Einwölbung und vermutlich auch eine Baukorrektur im Turmbereich ernst-
haft geplant worden sein. Ein Anzeichen dafür vermittelt ein Fastenprivileg vom
19. August 1474, dessen Einnahmen in die Baukasse der Pfarrkirche fließen soll-
ten385. Anstöße für dieses Bauvorhaben werden neben dem Mißbehagen über die
Unfertigkeit des Baues einerseits von den Um- und Neubauten der nächsten und
näheren Umgebung ausgegangen sein386, andererseits von dem damals weithin
zu beobachtenden Anliegen, aufgeschobene Gewölbebauten endlich zu verwirk-
lichen387 (Z3).

In Gmünd konnte die Einwölbung noch in der letzten Phase der Spätgotik durch-
geführt werden. Die Eckdaten dieser Wölbungsarbeiten sind gesichert: Den Anfang
bezeichnete die aufgemalte Jahreszahl 1491 an einer Gewölberippe des Chor-
schlusses388. Und die Jahreszahl 1521, die einem steinernen Schriftband des mitt-
leren Langhausgewölbes nahe der Westwand mitgegeben ist, berichtet vom zeit-
lichen Ende dieser Arbeiten389. Ehe wir auf den Gewölbebau näher eingehen, soll
kurz von Inschriften des Chordachstuhles berichtet werden, weil sie der Zeit des
beginnenden Gewölbebaues entstammen und zugleich ein Licht auf dieses Bauge-
schehen werfen.

Im Chor-Dachstuhl sind vier Hölzer mit einem Kohlestift beschrieben worden,
zwei von ihnen an der südlichen Stuhlwand nahe dem Dacheingang, und zwar an
der ersten Strebe linker Hand und an der Unterseite des Riegels rechter Hand zwi-
schen Pfosten und Strebe 39°. Die dritte und vierte Inschrift findet man an zwei Stre-

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