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Zeichen- und
Symbolcharakter
der Türe

1978 baut sich ein Gmünder ein Haus auf einer der Höhen über der alten
Stadt, ein Haus mit flachem Dach und freiem Blick zum Albtrauf. Ein
gelungenes Werk und hier eigentlich nicht zur Rede stehend, hätte nicht
die Tür dieses Bungalows Erstaunen, ja Verblüffung ausgelöst. Eine
offensichtlich ältere Tür hat wieder Verwendung gefunden, ein Unzeit-
gemäßes ist einer zeitgemäßen Architektur integriert. Der Bauherr hat
eine Tür des Jugendstiles (1905) seines abgebrochenen Elternhauses
wiederverwendet mit der Erklärung, dies sei für ihn ein ästhetischer
Gegenstand und dazuhin eine greifbare Erinnerung an seine Kindheit.
Nehmen wir die letzte Bemerkung auf. Eine Tür kann demnach mehr
sein als ein Gegenstand des reinen Zweckes, nämlich Bedeutungsträger.
Sinnsprüche erinnern daran: Er fällt mit der Tür ins Haus, man setzt ihm
einen Stuhl vor die Tür, vor der eigenen Tür kehren usf. bis hin zu
Goebbels mephistophelischer Drohung, im Fall einer Niederlage wür-
den er und seine Genossen die Tür hinter sich zuschlagen.
Die Tür hat in diesen Wortbildern die Funktion, eine Grenze zwischen
ungleichen Bereichen aufzuzeigen, die mit geschützt und ungeschützt,
geborgen und unwirtlich, innen und außen umschrieben werden kön-
nen. Die Bibel beschwört mit dem Bild der Tür extreme Grenzsituatio-
nen, ausgedrückt in der „Tür des Himmels" (Ps. 78, 23) und der
„Grabes Tür" (Matth. 27, 60), gipfelnd in dem Christuswort: „Ich bin
die Tür; wer durch mich hineingeht, der wird selig werden" (Joh. 10, 9).

Heute noch wird in Schwäbisch Gmünd am Dreikönigstag der Tür
besondere Aufmerksamkeit zuteil, dort, wo der Hausvater oder die
Sternsinger das C + M + B samt Jahreszahl auf den Türsturz kreiden:
Der Abwehrsegen der Heiligen Drei Könige soll nach altem Brauch an
der Schwelle Ungutes von Haus und Hof fernhalten. Hier wird han-
delnd fortgesetzt, was in der Reichsstadtzeit das Vorrecht der Kapuziner
war. „Sie kamen am hl. Dreikönigstag in die Häuser der Bürger und
weihten daselbst alle Gelasse. Man zündete dabei ein Ficht an, nahm
Weihwasser und einen Gluthafen und ging so im ganzen Haus herum.
An die Tür schrieb der Kapuziner mit geweihter Kreide die bekannten
Zeichen C + M + B und die Jahreszahl".4

An den Eingangstüren städtischer Gebäude waren (und sind) nicht nur
die Zeichen der Obrigkeit, sondern auch administrative Anordnungen
und Bestimmungen ablesbar und sogar greifbar angebracht. So die
Maßangaben. Noch um 1900 war auf einem Eisenstab, eingelassen neben
der Eingangstür der Grät, das alte Ellenmaß eingetragen.5 Und auch
daran sei erinnert, wie beliebt weil praktisch die Holztüren für
Anschläge waren (und leider bis heute sind). Sie haben in dieser Eigen-
schaft als Nachrichtenträger eine lange Tradition. Man denke an die Tür
der Wittenberger Schloßkirche, das „Schwarze Brett" der dortigen
 
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