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Zu Gmünds Geschichte und Kunst

Gmünd nieder, mehr als in vergleichbaren Städten,
geizt der Magistrat doch nicht im Zuweisen der Areale,
die Bevölkerung nicht mit Zustimmung. Dominikane-
rinnen siedelten schon vor 1246 extra muros (anfäng-
lich nach der Augustinerregel), dann die Bettelorden
innerhalb der Stadtmauer, so die Franziskaner Mitte 13.
Jahrhundert, Augustiner 1284, Dominikaner 1294. Spä-
ter, 1445, gesellte sich noch ein Beginenhaus hinzu, die
Keimzelle des Franziskanerinnenklosters, 1644 noch
die Kapuziner.
Der um 1315/20 begonnene Neubau der großen Pfarr-
kirche darf als die zuversichtliche Aktivität eines wohl-
habenden, gefestigten und auch zahlenmäßig zuneh-
menden Gemeinwesens ausgelegt werden. Hier hatte
das mittelalterliche Gmünd seinen Zenit erreicht, viel-
leicht schon überschritten. Vermutlich übernahm sich
die Stadt mit diesem Großbau. Zwar vermochten die
nach den Pestjahren 1348/50 fließenden Opfer und Stif-
tungen den Chorbau 1351 noch in Gang, jedoch nicht
mehr zu Ende zu bringen. Ab 1377 blieb der Bau not-
dürftig eingedeckt liegen, bis er endlich 1410 zu einem
vorläufigen Abschluß gebracht und geweiht werden
konnte. Gmünd leistet sich aber im 14. Jahrhundert wei-
tere Bauten: Vor 1345 die große Kapelle St. Leonhard,
1356 die Dominikaner einen neuen Chor (DomAnni 1‘,
32‘), dann in der zweiten Jahrhunderthälfte einen weite-
ren Mauerring, von dem 1378 schon wesentliche Teile
existiert haben müssen. Das Budget der Stadt schmälern
auch hohe Ehrengaben. Gmünd dediziert 1355 als eine
der 22 schwäbischen Reichsstädte Karl IV. zur Kaiser-
krönung in Rom 337 1/2 Goldgulden, 1365 zu dessen
Krönung zum König von Burgund einen vermutlich
ähnlich hohen Betrag (UAG 266, 350).
Daß die Parler-Bauhütte 1377 die Pfarrkirche verlassen
hat, demonstriert am auffälligsten die Überforderung
der Kommune, die Erschöpfung ihrer finanziellen Mit-
tel. Das ist aktenkundig. Am 23. April 1374 bekennen
Bürgermeister, Rat und Zunftmeister öffentlich, daß wir
mit ainander gerett von der grossen schuld wegen, da
unser stat ingevallen ist [die unsere Stadt heimsucht]
und och von des buwes wegen [gemeint ist sicher der
neue Bering], den wir alle tag tuen an unsrer stat . . .
(UAG 414). Gmünd bezahlte in dieser Zeit (und ferner-
hin) 270 lb h Reichssteuer, ebensoviel wie schon im
Jahr 1269, als es darin Colmar gleichgestellt, aber hö-
her als Esslingen und Schwäbisch Hall eingeschätzt
wurde. Jetzt aber hatten die genannten Reichsstädte die
Remstalstadt schon weit überflügelt, waren ihr wirt-
schaftlich hoch überlegen. 1414 zahlte Hall schon den
dreifachen Betrag Gmünds. Dessen Stagnation erklären

wir nicht nur mit dem hausgemachten Problem der for-
cierten Bautätigkeit. Anderes kam hinzu, was die
Gmünder nicht in der Hand hatten, so die abnehmende
Attraktivität ihrer Stadt als Handels- und Geleitsort im
West-Ost-Verkehr, die negative Wechselwirkung des
Aufschwunges im Nord-Süd-Handel. Der Ausbau der
Geislinger Steige tat ein übriges. Ulm blühte auf. Für
ein Gmünder Gefährt war aber die Fahrt dorthin nur
mehrspännig über den Albanstieg der Bargauer Steige
zu bewältigen. Und hier in Gmünd kam es nie, auch
nicht unter den Aspekten dieser neuen Verkehrssitua-
tion, zur Ausbildung eines Nord-Süd-Weges, zu einem
überlokalen Verkehrsknotenpunkt. Vor den denkbaren
Verbindungsorten Schwäbisch Hall im Norden und den
Filstalstädten Göppingen und Geislingen im Süden
bauen sich natürliche Hindernisse mit siedlungsarmen
Landstrichen auf, dort der Schwäbische Wald, hier die
Alb mit ihren Vorbergen.
Das 13. und frühe 14. Jahrhundert kann man die hohe
Zeit Gmünds nennen, nicht mehr die nachfolgenden
100 Jahre. Nichts läßt auch darauf schließen, man habe
alle Kräfte mobilisiert, alle Anstrengungen unternom-
men, die Stadt zum Blühen zu bringen1. Als 1442 die
Sensenschmiede, die Vertreter des größten städtischen
Gewerbes, eine Überproduktion befürchten, wählen sie
den bequemsten Weg, den Preisverfall zu verhindern:
sie einigen sich auf ein jährliches Schmiedeverbot vom
25. Juli bis 29. September2. Daß Gmünder Großkauf-
leute, wie die Funk und Flad, denen schon die Zunft-
meister im Rat nicht gepaßt haben werden, daraufhin
Gmünd verlassen haben, wundert nicht.
Gmünds Ansehen schwindet. Am 26. Mai 1445 be-
schweren sich Bürgermeister und Rat in Ulm, daß die
Stadt im städtischen Vereinigungsbrief und andern
briefen nach den stellen nicht ordentlich geschriben
und gesatzt worden seyn und och noch werden, als wir
und unser statt vom alters under den Stetten syen her-
kommen und danne billich were (UAG A 15). Am 8.
Juni die im damaligen Schriftverkehr brutale Replik: Ir
standent nit an den enden, do ir stan sullent! Eine De-
mütigung zumindest des Magistrats, vier Jahre später
der ganzen Stadt. Gemeint ist der Ausfall der Gmünder
1 Diese Zeichen der Erlahmung und Erstarrung, die im späten 14.
Jahrhundert sich bemerkbar machen und weit bis ins nächste Jahr-
hundert hinein anhalten, sind landesweit zu beobachten. „Die Bevöl-
kerungskurve schlug um, es häuften sich Anzeichen einer Krise oder
Stillstand im Wachstum vieler Städte. Starke soziale Spannungen, so-
gar Depressionen sind die Folgen“. (C. Haase, V, 423).
2 1534 beschließen sie aus dem gleichen Grund das Feiern vom 15.
Juni bis 10. August.

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