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Lebenshaltungskosten

V orbemerkungen
Die folgenden Auflistungen wolle man als Kontext der
Handwerker-Lohntaxen verstehen. Ihre Vergleiche las-
sen Aussagen über verfügbare Einnahmen und Unter-
haltskosten zu. Dies waren vor allem die Ausgaben für
Nahrungsmittel, Wohnen und Kleidung. Ein kurzes Fa-
zit voraus: Die Kaufkraft des Budgets, das einer Hand-
werkerfamilie zur Verfügung stand, war gering. Der
Kauf der Lebensmittel verschlang am meisten, vor al-
lem Fleisch war teuer, auch Getränke. Die ungelernten
Arbeiter lebten hart am Existenzminimum. Aber auch
die Handwerker, die den Mittelstand repräsentierten,
brachten es nicht oft zu Wohlstand. Dabei waren die
Ansprüche bescheiden, mußten bescheiden sein. Man
weiß, nicht mit der Hände Arbeit, sondern im Handel
wurden damals Vermögen gemacht - und mit Heiraten
und Erbschaften. Man wußte aber auch sein Salär auf-
zubessern. Kaum ein Haus, das nicht seinen Kraut- oder
Sehorganen hatte. Schweine und Geflügel wurden ge-
halten. Manche Handwerker waren im heutigen
Sprachgebrauch Nebenerwerbslandwirt. Es gab auch
Mehrfachverdienste in einer Familie. Die Frauen trugen
ihren Teil dazu bei.
Bei den Konsumgütern unterliegen vor allem die Le-
bensmittelpreise starken Schwankungen, beeinflußt von
Ernten und städtischer Vorrats wirtschaft, von gutem
und schlechtem Geld und von politischen Konstellatio-
nen. Chronisten, immer schon Auge und Ohr auf das
Außergewöhnliche gerichtet, hielten deshalb Extrem-
werte für besonders beachtens- und schreibenswert, lie-
ßen die Nachwelt wissen, daß 1580 10 Eier 1 h, 1622 1
Ei 4 kr (22 1/2 h) kosteten. Das sei bei den Wertan-
gaben mit bedacht.
Quellenmangel verwehrt uns, das Einkommen einer
Gmünder Handwerkerfamilie mit ihren Gesamtaus-
gaben zu vergleichen. In der Annahme, in Gmünd sei
diese Relation nicht wesentlich anders gewesen als da-
mals weithin in Süddeutschland, läßt sich mit Vorbehalt
sagen? Mindestens 70 % der Ausgaben eines Haushaltes
betrugen die Ernährungskosten. Anteilig davon werden

die pflanzlichen Produkte (Brot, Getreide, Hülsen-
früchte) mit 50 %, die tierischen (Fleisch, Schmalz
usw.) mit 15 % geschätzt (nach B. Roeck und U. Dir-
lemeier).
Konkretisieren wir die verhältnismäßig hohen Nah-
rungskosten an einigen Gmünder Fällen: 1549 verzeh-
ren 2 Stättmeister bei einem Besuch in Lorch für 3 Ort
6 h (ca. 16 kr), damals 2 Taglöhne eines Zimmergesel-
len. Beim Aufmachen der Sonnenuhr in Heubach 1659
verzehrt Kirchenmeister Friedrich Vogt zw Mittag und
nachts für 45 kr (ein Maurer arbeitete dafür 2 Tage).
Nicht genug damit. Nach verfertigter Arbeit hat H.
Pfarrer mit Ihme Kirchenmaister in einem Trunckh ver-
zehrt 27 kr (insgesamt 3 Maß Wein, also jeder 2,7 1.
Ritt Vogt danach noch „verkehrstüchtig“ heim nach
Gmünd?). 1668 hält sich der Augsburger Maler
Schmittner, ein wichtiger Mann bei der Gestaltung des
Münster-Hochaltares, zweimal in Gmünd auf. Einmal
werden seine 34 Mahlzeiten mit 10 fl (je 17,6 kr), das
andermal 27 Mahlzeiten mit 7 fl 12 kr (je 16 kr) ver-
rechnet.
So konnte und durfte nicht jeder leben. 1480 äußert sich
der Igginger Pfarrer zur Finanzierung seines Haushal-
tes. Die Verpflegung seines Gehilfen erfordere pro Jahr
16 fl rh (pro Tag 2,6 kr), die seiner Magd 11 fl rh (pro
Tag 1,8 kr). 1653 wird die Pflege eines Findelkindes
mit 15 kr pro Woche veranschlagt. 1661 hat ein We-
bergeselle für einen Tag Speise, Brot und Schlafgeld in
der Goldenen Kanne 6 kr zu entrichten.
Schließlich noch eine spätere aufschlußreiche Abrech-
nung (nach A. Deibele, GHB11 6/1965): Sie bezieht
sich auf den Kirchenmeister Sebastian Vogt, der 1686
mit Gesellen und Lehrbub das Kirchhofportal in Alf-
dorf erstellt. An Wochenlöhnen werden Vogt 1 fl 30 kr
(pro Tag 18 kr), den Gesellen 45 kr (pro Tag 9 kr) dem
Lehrbub 24 kr (pro Tag 4,8 kr) gegeben. Die Verpfle-
gungskosten übernimmt die Kirche. Der Meister speist
an der Tafel der Ortsherrschaft vom Holtz. Dafür wer-
den täglich 10 kr eingesetzt, für die am Gesindetisch
verköstigten Gesellen und den Lehrbub täglich 5 kr.

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