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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1910

DOI Artikel:
Dvořák, Max: Denkmalkultus und Kunstentwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26208#0008
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MAX Dvo&ÄK DenkmalkuUus und Kunstentwicklung

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schen Erinnerung als Wahrzeichen der Vergangenheit
der ewigen Stadt verehrt hätte. Sie waren die memo-
rabilia urbis Romae, und Pilger und Touristen kamen
aus der ganzen Weit, sie zu sehen und zu bewundern,
wie man heute die Sixtinische Kapelle zu sehen und
zu bewundern kommt. Daß diese Queile der Erhaitung
der Denkmaizeugnisse der Vergangenheit auch heute
noch nicht versiegte, beweisen am deutlichsten die
verschiedenen Museen, die zur Erinnerung an wichtige
historische Ereignisse oder bedeutende Persönlich-
keiten und zur Aufbewahrung von Objekten, die mit
diesen Ereignissen oder Persöniichkeiten irgendwie
zusammenhängen, geschatfen werden.
Daran schließt sich aber auch eine der wich-
tigsten Quellen des Denkmalkuites an: die patrio-
tische Begeisterung, die sich an Kunstwerken ver-
gangener Generationen erfreut und auf sie auch dort
stoiz ist, wo sich keine Reminiszenzen an bestimmte
historische Ereignisse an sie knüpfen. Dies war ein
Moment, weiches bereits im kiassischen Altertum eine
große Roile spielte, wie sich leicht durch literarische
Belege wie auch durch die zahlreichen religiös und
als Träger historischer Erinnerungen irrelevanten
und doch von späteren Generatiouen hochgeschätzten
Kunstwerke beweisen läßt.
Eine überaus große Bedeutung gewann dieses
Motiv des Denkmalkultes in der Renaissance, wo es
aiien anderen gegenüber weit in den Vordergrund
trat. In den großen Handeisemporien des Südens und
des Nordwestens von Europa übernahm die Ftihrung
eine GeseHschaft, deren Mitgiieder keine weit zurtick-
reichendenStammbäume, aiteBurgen, Famiiienrechte
und f'amiiientraditionen besaßen und die deshaib
das, was ihnen an persöniichen Pietätswerten fehlte,
durch die Vergangenheit der Kommune, der sie ange-
hörten, ersetzt haben. Und zu dieser kommunalen
Vergangenheit begann man auch alles zu rechnen,
was man an Denkmalen des alten Kunstbetriebes in
der Gemeinde besaß. An den feudaien Höfen war
der Ktinstler ein Handwerker, den man zur Diener-
schaft zähite und dessen Werke man nach dem mate-
riellen Werte und nach der Arbeitsieistung zu be-
werten gewohnt war, doch die großen Bankiers und
Woilfabrikanten, ein Jodocus Vydt in Brtigge oder
ein Cosimo Medici in Fiorenz waren zunftmäßig den
Künstlern gieichgestelit, und da die individuelle Be-
deutung der Künstier auch sonst im Wachsen be-
griffen war und Nachrichten klassischer Autoren tiber
die antike Wertschätzung des Kunstschaffens neu
beachtet wurden, gewannen großeKünstler und Kunst-
werke ftir das ötfentliche Leben eine ganz neue Be-
deutung. Ihre Verehrung gehörte nun zu den PHichten,
ihre Geschichte zu den Ruhmestiteln der Stadt, und

um dieser Geschichte auch entsprechend einen mög-
iichst alten und ruhmreichen Ursprung zu geben,
dehnte man sie in Italien bis auf die Kunst des
klassischen Altertums aus, von der in der Renaissance
nicht nur (was schon oft früher geschah) die Künstler
lernten, sondern auf die auch alle Gebildeten mit
patriotischem Stolze zurtickzublicken begannen.
Der EinHuß dieser Wandlung auf das allgemeine
Verhältnis zum alten Kunstbesitze war ein sehr großer.
Es wurden von jener Zeit an zahlreiche Ktinstler-
biographien und kunsttopographische Werke verfaßt,
die dadurch, daß sie Werke berühmter Künstler lite-
rarisch Hxierten, unendlich viel zu deren Erhaltung
beigetragen haben. Es entwickelte sich aber auch eine
wahre Adoration der Kunstwerke selbst, und zwar
sowohl der Schöpfungen der Gegenwart und der
unmittelbar vorangehenden Perioden, soweit man sie
mit der Gegenwart in Beziehung bringen konnte, als
auch der Denkmale der antiken Kunst.
Verschiedene Tatsachen belehren uns darüber,
wievieldieserpatriotischeDenkmalkuItus zum Schutze
der im öffentlichen Besitze befindlichen Kunstwerke
beigetragen hat. Aus dokumentarischen und chroni-
kalischen Nachrichten wissen wir z. B., daß im XV.
und XVI. Jh. zahlreiche ausländische Künstler, Fran-
zosen, Niederländer und Deutsche, in Italien gearbeitet
haben. Während sich uns die Werke der gleichzeitigen
italienischen Meister, die von Vasari und anderen
Kunstschriftsteilern zum Ruhme der Vaterstadt ver-
zeichnet und beschrieben wurden, fast lückenlos er-
halten haben, gingen die Arbeiten der ausländischen
Künstler zumgrößtenTeilverloren. Oder ein anderes
Beispiel. In Frankreich und in Deutschland blühte
das Künstlerleben im XV. Jh. nicht minder wie in
Italien, da jedoch die auf den Anschauungen der
italienischen Renaissance beruhende Wertschätzung
des neuen und alten Kunstbesitzes in Deutschland
undFrankreich erst später eine allgemeineVerbreitung
fand, hat sich uns von dem einstigen Reichtum der
deutschen und französischen Quattrocentokunst nur
ein geringer Überrest erhalten.
Doch nach und nach hat sich ein ähnliches Ver-
hältnis zurKunst, wie es sich in Florenz und Venedig,
in Brügge und Gent entwickelte, überall verbreitet
undwurde nacli jenen Richtungen hin weitergebildet,
nach welchen sich das soziale Leben weiterzubilden
begann. So wurde der kommunale Kunstpatriotismus
der Renaissance nach und nach in einen staatlichen
und nationalen verwandelt, wodurch naturgemäß auch
clie Grenzen des zu schützenden Kunstbesitzes ver-
schoben wurden. Besonders am Anfang des XIX. Jhs.
stand dieser patriotische Gesichtspunkt in allen Äuße-
rungen und Diskussionen über die Wertschätzung und
 
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