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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1910

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Tietze-Conrat, Erica: Johann Martin Fischers Brunnen am Graben und Am Hof in Wien: archivalische Beiträge
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https://doi.org/10.11588/diglit.26208#0040
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BERICHTE

Johann Martin Fischers Brunnen am Graben und Am Hof in Wien
Archivalische Beiträge

Es ist charakteristisch ftir Kunstwerke, die einer
bürgerlichen Gemeinschaft ihre Entstehung ver-
danken, daß der Gesichtspunkt der Ntttzlichkeit eine
bestimmte Rolle mitzuspielen hat; aber es ist
interessant zu sehen, wie sehr daneben auch die
ethische und ästhetische Seite berücksichtigt wurde,
was sich aus den Vorverhandlungen über die Wahl
der Themen und ihre Auffassung ergibt. Einen Ein-
blick in derartige Erwägungen bezüglich der städti-
schen Brunnen arn Graben und Am Hof in Wien
gewähren uns einige Archivalien im aHgemeinen
Archiv des Ministeriums des Innern, die ein inter-
essantes Schlaglicht auf die Art und Weise werfen,
wie die Stadtväter am Anfange des XIX. Jhs. ihre
Aufgabe, die Stadt zu schmticken, auffaßten und
aus welchem Gemische bureaukratischer und künst-
lerischer Forderungen diese Kunstwerke entstanden.
AIs die provisorische Dreifaltigkeitssäule auf
dem Graben 1679 aufgestellt worden war, wollte es
dem gesteigerten religiösen Geftihle der durch die
schreckenvolle Pest geängstigten Bürgerschaft un-
gehörig scheinen, daß die beiden Brunnen zu seiten
des neuen Denkmals heidnische Bilder trugen. Dieser
Mißstimmung gibt ein Brief des Statthalters Grafen
Starhemberg Ausdruck, den dieser von seinem Posten
in der verpesteten Stadt am 26. November 1679 an
den in Prag weilenden Kaiser richtet.
„ . . . Wie Euer Khays. May. ich vorhero Lauter
draurige erinnerung zu thun, bezwungen worden,
also hoffe ich zu dem guettigen Barmherzigen
Gott, ich werde hinfüran, wie auch dißmahl, ie
mehr, undt mehr, erfrewliche gehorsambste nach-
richt geben könen, dahero wtir auch immerforth
umb sovil mehr Ursach der Allerheylligsten Drey-

faltigkeit zudancken. Euer Khays. May. erinern
sich allergnedigst, daß die aufgerichte andechtige
Saulen, auf den Graben, zwischen denen beeden
Brtinnen allda, undt auf einen brunen die Bildnus
Jouis, auf den andern Brun aber, ein andere Stei-
nerne weltliche bildnus stehet, Welches meines
gehorsamen erachtens etwas ungereimts. Dahero
man allerunderthhgst vermaint, an statt den bild-
nus Jouis den Heyl. Josephum, undt an Statt der
andern den Heyl. Leopoldum /: Welche beede ohne
diß Specialpatrone von disem Landt :/ dahin auf-
zurichten . . ."
Dem Briefe sind zwei getuschte Federzeich-
nungeni)(Fig. 33 u. 34) beigelegt, wohl Entwürfe für
die beiden Heiligenfiguren; übiiche Darstellungen,
Leopold mit dem Kirchenmodell und der Fahne,
Josef mit der Lilie und dem brennenden Herzen.
Lateinische Inschriften auf der Fahne und dem
Herzen sind unten neben den Figuren noch einmal
zur besseren Übersicht aufgeschrieben und das Ana-
gramm Leopoldus aus Sole Dupls und Joseph aus
His Ope hervorgehoben. Nach diesen beiden Zeich-
nungen dürften auch Kupferstiche verfertigt und an
den Kaiser eingeschickt worden sein. Denn nachdem
der Kaiser am 7. Dezember die Aufrichtung der
Heiligenhguren an Stelle der „für unanständig er-
achteten haidnische und weltliche Bildnussen an-
gerathener maßen gestattet", bestätigt er in einem
zweiten, an den Statthalter gerichteten Briefe
i) Die Zeichnungen diirften nach der stilistischen Über-
einstimmung mit einem dem Kaiser Leopold gewidmeten
Stiche des hl. Leopold (Kupferstichsammlung der Hof-
bibliothek in Wien) von Joh. Mart. Lerch von diesem
herrühren.
 
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