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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0013

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lange Zeit die einzige nationale in der fran-
zösischen Kunst des i 9. Jahrhunderts gewesen
war, die Schule von ßarbizon würde vielleicht
nicht entstanden sein, sich sicherlich nicht
entwickelt haben, wenn sie nicht bei dem
Engländer Constable die Freiheit der Kunst,
die Liebe zur Natur erblickt hätte, und Rey-
nolds und Gainsborough lernten ihre Kunst
in internationalen Sammlungen, obgleich wir
keine Arbeiten von ihnen kennen, die nicht
im allerhöchsten Maass englisch wären; der
nationale Geist kann in Künstlern nicht unter-
drückt werden.

Darum werden wir getrost von auswärtiger
Kunst reden; natürlich nur das wirklich
Eingreifende und uns vorzüglich Scheinende
berücksichtigen.

Auch die alte Kunst werden wir nicht ab-
seits liegen lassen. Wir wollen keinen Augen-
blick daran denken, uns dieses Schmuckes zu
berauben. Freilich werden wir die alte Kunst
nicht so programmatisch pflegen wie die neue
und die neuere des neunzehnten Jahrhunderts,
indes werden wir Veranlassung finden, uns
ihr hinzugeben, sobald eine fesselnde Aus-
stellung von Bildern alter Meister statt hat,
sobald eine wichtige Erwerbung unserer
Museen erfolgt ist und die Aufmerksamkeit
einem alten Meister zuwendet, oder so oft
wir es als eine Freude empfinden, uns mit be-
wundernswerten Abschnitten der alten Kunst
zu beschäftigen, sei es, um der Kunst unserer
Tage einen Spiegel vorzuhalten, sei es aus
reiner Freude an der Sache.

Wir werden uns auch mit jenen Interessen
befassen, die mit einem demokratisierenden
Zuge unserer Epoche zusammenhängen, von
Gestern auf Heute erstarkt sind und vielleicht
das Morgen beherrschen werden. Es ist be-
kannt, wie die Kunst früher für etwas Aristo-
kratisches galt, das nur den dafür geborenen
Individuen zugänglich wäre und wie man
heutigentages die Kunstnachfrage erweitern
will und sie aus einem Bedürfnis von Einzelnen
zu einem Wunsche von Vielen machen möchte.
Den Erörterungen über dieses Thema, das
von begabten Männern geschaffen worden
ist, werden wir diese Zeitschrift öffnen.

Was wir besonders möchten, wird aber
die Annäherung an die Produktion der Künst-
ler sein.

Ein Abstand hat sich notwendig zwischen
den Anschauungen der Künstler und ihren
Freunden und Bewunderern entwickeln müssen.
Einleuchtender wird das vielleicht, wenn wir
uns gegenwärtig halten, wie ein „Auftrag"
auf Künstler wirkt. Wenn nicht der Ehrgeiz
und andererseits das wirtschaftliche Bedürfnis
Mächte wären, mit denen zu rechnen ist, so
würden moderne Künstler nicht selten Auf-
träge, die man ihnen giebt, zurückweisen, um
nicht in ihrem eigentlichen Leben aufgehalten
zu werden. Der erste moderne Künstler in
diesem Sinne ist Rembrandt. Die Kluft
zwischen alten Künstlern, die noch arbeiteten,
um Aufträge auszuführen, und den modernen
Künstlern, die wesentlich für sich arbeiten,
ist so gross wie der Unterschied zwischen
zwei Professionen. Diese Welt der Künstler
ist geheimnisvoll, auf die ein Auftrag etwa
wirkt wie ein Fremdkörper in einem Organis-
mus. Sie leben für sich, oft unverstanden; sie
leben in ihre Welt eingesponnen und könnten
wie die Frau auf dem Bilde jenes belgischen
Künstlers von sich behaupten: ich verriegle
meine Thür um mich selbst.

Es scheint uns das schönste Bestreben für
eine Zeitschrift für künstlerische Interessen,
von der uns verschlossenen Welt der Künstler,
richtiger von ihren Welten, den Schleier so
weit es angeht zu lüften und die Mitarbeit
der Künstler, dieser elementarsten Erklärer
ihres Wesens, zu erlangen. Wir wissen aller-
dings, dass unsere Künstler das „bilde, Künst-
ler, rede nicht" leicht so verstehen, dass sie
es wörtlich nehmen, wir nehmen dessenun-
geachtet an, dass wir uns der Erklärungen
ihrer Kunst, die die Künstler selbst geben,
zuweilen erfreuen werden.

Und hiermit schliessen wir. Wir hoffen,
dass es uns gelingen möge, in einer gewissen
Weise objektiv zu sein. Wir wollen danach
trachten, so positiv als möglich zu werden,
so wenig als möglich uns von Theorien be-
stimmen lassen, vor Allem versuchen, dem
Schönen zu dienen.
 
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