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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0043

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ganz wesentlich erhöht hat. Dem Verein ist schon Absichten, in der Freiheit und Wahrhaftigkeit der
in den ersten Monaten seines Bestehens die Er- dichterischen Eingebung und in der Abwendung
Werbung von Liebermanns „Waisenmädchen" ge- von allem falschen Schein, auch in den technischen
glückt — eines Werkes, für dessen Verbreitung er Dingen. Zu den Intimen seines Kreises gehörte
neuerdings auch durch Herausgabe einer von Peter der jüngst verstorbene, in Paris gebildete Frank-
Halm meisterhaft radierten Vervielfältigung Sorge furter Otto Scholderer, ein feiner, bescheidener
getragen hat — und durch seine thatkräftige Mann, aus dessen Nachlass die Galerie ein vor-
Unterstützung ist vor wenigen Monaten der An- treffliches Stillleben erworben hat, auch Karl von
kauf eines hervorragenden Bildes von Wilhelm Pidoll, der Schüler von Hans von Marecs, der im
Leibl möglich gewesen, das aus Professor De- vorigen Jahre aus dem Leben schied, hat viel mit
freggers Besitz in den des Instituts übergegangen Thoma verkehrt, und wenigtens die geistige Nähe
ist. Es ist das bekannte Bild, das ein junges Dirndl dieses Zusammenhanges rechtfertigt es, wenn ein
neben einem alten Bauern sitzend darstellt, nahezu ausgezeichnetes Frauenbildnis seiner Hand, das
lebensgrosse Figuren, und gleich den ,,Dorfpoli- Geschenk eines Kunstfreundes, gleich dem Bilde
tikern" in der 2. Hälfte der siebziger Jahre in Schon- Scholdcrcrs in dem für Thoma vorbehaltcnen
dorf am Ammersee entstanden. Leibl ist darin Räume Aufstellung gefunden hat, nicht weit von
noch ganz Kolorist, noch ganz, auch in der weichen, einer duftigen Frühlingslandschaft von Wilhelm
duftisen Behandlung von malerischen Gesichts- Steinhausen, welche ebenfalls als Geschenk in die
punkten bestimmt, und es giebt nicht wenige Sammlung gelangt ist. Auch der Münchener
Kenner, die gerade diese „erste Manier" des Freundeskreis, in dem sich Thoma vor seiner Frank-
Künstlers seiner späteren, mehr auf die Zeich- furter Zeit in einem Austausch künstlerischer An-
nung abzielenden Arbeitsweise vorziehen, als regungen bewegte, bei welchem, wie er selbst sagt,
deren Meisterstück das Bild mit den „Frauen in Nehmen und Geben ein und dasselbe war, auch
der Kirche" gilt. dieser Kreis von Unabhängigen, dessen litterarischcr
Aber unsere Provinzialmuseen sollen nicht allein Wortführer damals Adolf Bayersdorfer gewesen
in der Heranziehung solcher standardworks eine ist, hat natürlich für Frankfurt ein lokales Interesse.
Aufgabe suchen, die eigentlich in weit höherem Schon früher erinnerten an ihn die Werke von
Masse den grösseren öffentlichen Sammlungen der Viktor Müller und Trübner, welche die Sammlung
Hauptstädte zufällt: sie haben daneben eine be- besitzt; hinzugekommen sind dazu in der letzten
sondere, örtliche Mission zu erfüllen in der Pflege Zeit eine grosse Landschaft von Adolf Stabil, dem
des heimatlichen Kunstgebietes, das ihre nächste einst auch in München ansässigen Schweizer Maler,
Umgebung bildet. Und es giebt in Deutschland dessen urwüchsige Naturkraft bald an seinen Lands-
wenig Orte, an denen sich diese Spezialaufgabe dank- mann Böcklin hinstreifr, bald aber auch sich Thoma,
barer gestalten Hesse, als in Frankfurt, wo ein altes dem alemannischen Stammesverwandten, kongenial
Kulturland seit Jahrhunderten einer tüchtigen erweist. Ein frühes Bild von Carl Haider, noch
autochthonen Kunstübung Leben gegeben und unberührt von dem doch oft etwas gar zu stark
noch in jüngster Zeit den reizvollsten und ori- pointierten Archaismus seiner jetzigen Art, eine
gincllsten künstlerischen Bildungen Nahrung und kleine Flachlandschaft von entzückender Qualität
Obdach geboten hat. Seit mehreren Jahren ist des Tons und der Machweise, reiht sich derselben
es möglich gewesen, eine eigene Abteilung der Gruppe an, in der endlich Toni Stadler als ein
Städelschen Sammlung für spezifisch Frankfurtische zwar eigene Wege suchender, aber doch gesinnungs-
Kunst einzurichten; die romantische Schule und verwandter Künstler mit einer „unterfränkischen
die Cronberger Malerkolonie sind darin so gut wie Landschaft" von prächtiger Fernwirkung Pl.it/
lückenlos in allen ihren wichtigen Erscheinungen gefunden hat.

vertreten, und ihnen gesellt sich nun, wieder unter Den letzten Zuwachs bildete ein lebcnsgrosscs

kräftiger Mitwirkung des Museumsvereins, eine Selbstporträt von Hans Thoma, gemalt in dem

neueste Gruppe, „die um Thoma" könnte man sie Jahre, in dem er nach Karlsruhe übersiedelte, und

nennen, hinzu. Hans Thoma gehört uns ja seit zur Erinnerung an seine Frankfurter Schaffens-

einigen Jahren nicht mehr in Person an, aber die periode von Freunden und Verehrern des Künstlers

beste, ertragreichste Zeit seines Schaffens fällt zu- dem Museumsverein gestiftet. Das im Ton diskret

sammen mit den zwanzig Jahren, die er in Frank- behandelte Bild wird auf eigenartige Weise gc-

furt verbracht hat, und eine reiche Aussaat an hoben durch ein darunter angebrachtes flott und

künstlerischer Triebkraft hat er hier zurück- farbig gemaltes Blumenstück von Frau CcllaThoma,

gelassen, keine Schule — bewahre! aber einen der vor nicht langer Zeit verstorbenen Gattin und

Kreis von gleichaltrigen oder jüngeren Künstler- Schülerin des Künstlers, ein Bild, das dieser selbst

persönlichkeiten, die sich mit ihm eins wussten der Sammlung in pietätvollem Andenken HIß*

und wissen in der Summe seiner künstlerischen Geschenk überwiesen hat.

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