Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Giovanni Segantini
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stätte des Schweigens darstellte, begleitet
von seinem Modell und von einem seiner
Söhne und war beim Arbeiten, als ihn ein
Unwohlsein ergriff. Er musste sich in der
einzigen Dachkammer des Hauses nieder-
legen, versuchte noch, sich wieder aufzu-
raffen, liess sich zu seinem Bilde hingeleiten,
kaum hatte er den Pinsel in die Hand ge-
nommen, schlief er ein. Er wurde geweckt,
erkannte die Unmöglichkeit der Arbeit und
erhob sich, um in das Haus zurückzukehren.
Dort sank er auf sein Lager nieder; Aerzte
kamen von Pontresina und St. Moritz, eine
Operation war nicht möglich, weil es nicht
gelang, die Temperatur über vier Grad Wärme
zu bringen, an einen Transport war bei den
Wege- und Witterungsverhältnissen nicht zu
denken, — und so endigte er in der kleinen

Dachkammer, die drei Schritte in der Breite
gross war. „Voglio vedere le mie montagne",
sagte er und liess sich sein Bett an das niedrige
Fenster rücken. Dort lag er, den Blick in die
Bergkette versenkt, die er auf seinem Bilde
hatte vollenden wollen. Am 28. September
1899 verschied er.

Wir aber erinnern uns bei dem Gedanken
von seinem Ende an eine Stelle in seinem
Tagebuch, in der er sagte: „Wer wird je einen
Maler kennen, der das vermöchte, die tiefe
Rätselwelt des Aetherblaus in ihrem Licht-
glanz zu enthüllen", und es gefällt uns, dass
wir diesen Maler mit einer solchen Reinheit
des Wollens und Empfindens, mit einer so
priesterhaften Schönheit der Erscheinung, so
von seiner Welt haben Abschied nehmen sehen,
wie er es that.

C. SEGANTINI, SELBSTBILDNIS (PASTELL)
 
Annotationen