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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Hannover, Emil: Die Sammlung Hirschsprung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0225

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Gegend zu überschauen — dem deshalb auch
gewöhnlich das für das Auge Ungreifbare in
der Natur verloren ging. — Hier ist Kyhn,
der keine Spezialität innerhalb der dänischen
Natur kannte, sondern sie überall, wo sie ihm
begegnete, mit derselben bezaubernd frischen
Verliebtheit malte. Und hier ist endlich
Rump, in dessen schönem Frühjahrsbilde
man in der neugeborenen Luft und im Duft
des blühenden Waldbodens schwelgt.

Auf die fetten Jahre, die mit diesen Künst-
lern in den Fünfzigern und zum Teil noch in
den Sechzigern für unsere Kunst gekommen
waren, folgten ungefähr seit 1870 magere
Jahre. Die Männer, welche die grossen
Siege errungen, indem sie das Land für die
Kunst erobert hatten, ruhten auf ihren Lor-
beeren, wenn sie nicht schon in ihren Gräbern
ruhten. Die Begeisterung erkaltete; die Ge-
wohnheit trat an die Stelle der Wärme im
Verhältnis zur Natur; die Schlaffheit, die so
tief im dänischen Charakter liegt, machte sich
in der dänischen Kunst geltend; die Kunst
wurde eine gemächliche Arbeit, eine Haus-
industrie. Wir bekamen es 1873 in Wien,
aber schonungsloser 1878 in Paris zu hören,
dass wir in Dänemark nicht malen könnten.
Ungeheure Fortschritte waren ja gerade in der
Zeit unseres Stillstandes in Frankreich gemacht
worden. Einerseits hatte man unter der Losung
Realismus die Ansprüche an sachliche Stoff-
wiedergabe höher geschraubt, andererseits
war es das malerisch Flüchtige, das Farben-
phänomen, das die französischen Maler be-
strebt waren, auf der Leinwand zu befestigen,
ohne ihm das Leben zu nehmen. Beide Ver-
fahren erforderten eine Tüchtigkeit, von der
man sich in Dänemark nichts hatte träumen
lassen. Nun endlich wurde es den Dänen
klar, dass in Frankreich eine wahre und echte
Malkunst entstanden sei, die auf das Kolorit
Gewicht legte, während man sich in Däne-
mark mit der Kolorierung begnügt hatte.
Seit 1877—78 wurde also die Seinestadt der
Sammelplatz für unsere Maler, wie es früher
Rom gewesen, und unsere Kunst wurde in
der Berührung mit der französische
zweiten Male wiedergeboren.

len zum

Von den dazwischen liegenden Jahren des
Niederganges schweigt die Sammlung, um sich
desto beredter über die Vorteile und Nicht-
Vorteile zu äussern, die sich für unsere
Kunst aus der Berührung mit der französischen
ergeben haben.

Sie zeigt erstens, wie eine untemperierte —
aber auch etwas unkultivierte — Naturfrische
mit Zache, Godfr. Christensen, Niss
und Locher von neuem ihren Einzug in
unsere Landschafts- und Marinemalerei hielt.
Von Professionswegen gingen sie mit den
Fäusten auf die Natur los, kämpften tapfer
mit ihr, waren oft recht brutal gegen sie.
Zum Glück waren es feinere Geister, denen
die Führung innerhalb der Figurenmalerei zu-
fiel ; diese erhielt eine Grundlage formeller
Kultur, die der Landschaftsmalerei fehlte.

Leider besitzt die Sammlung nicht die „Su-
sanna im Bade", mit der Tuxen 187p die dä-
nische Kunstwelt verblüffte. Dagegen ist der
andere Führer der Figurenmalerei, Kröyer,
mit dem Bilde von den italienischen Dorfhut-
machern vertreten, von dem man deutscher-
seits mit Recht gesagt hat, dass es von gleich-
artig entscheidender Bedeutung für die dä-
nische Kunst wäre wie Courbets „Stein-
klopfer" für die französische. Courbet's Bild
ist 30 Jahre vor Kröyers gemalt. So weit
waren wir also in der europäischen Entwick-
lung zurück, als Kröyer sie mit einem Riesen-
schritt einholte. Nirgends wird man in Zu-
kunft diesen Künstler studieren können wie
in unserer Sammlung. Sie zeigt, wie er in den
folgenden Jahren die französische Kunst in
ihrer weiteren Entwickelung seit Courbets
Tagen einholte. Er machte sich, wie dieser,
an die allerschwierigsten koloristischen Pro-
bleme: bald das künstliche Licht, bald die
Brechungen zwischen diesem und dem Tages-
licht, bald den Widerschein der Sonne am
Sommerabend, bald den Schein der Sonne
selbst, wenn sie am höchsten steht und alle
Schatten in die Flucht gejagt hat. Die Samm-
lung erinnert uns daran, dass namentlich das
letztgenannte Problem Kröyer immer mehr
interessiert hat, und dass ihn sein Bestreben,
die Schatten aus seiner Kunst auszurotten,

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